Gentechnik und Bürokratie
Die hessischen Bauernfunktionäre waren not amused. Sie hatten zum Protest nach Bad Homburg eingeladen – gegen die europäische Gülleverordnung, gegen immer mehr Bürokratie, gegen den Preisverfall für Lebensmittel und vieles andere mehr. Aber auch Gentechnikgegner und Tierschützer kamen.
Landwirte gegen Bürokratie
Anlass der Proteste gegen die Agrarpolitik war die dreitägige Konferenz der Landesagrarminister im Bad Homburger Kurhaus. Zur Rechten des Bauernverbandes hatten sich Campact und die Aktion Agrar eingefunden. Zur Linken demonstrierten Tierschützer gegen qualvolle Methoden der Viehzucht. Insgesamt waren mehrere hundert Menschen nach Bad Homburg gekommen. Zwischen ihnen gab es Schnittmengen, aber auch eklatante Meinungsverschiedenheiten.
Mit 60 Traktoren waren die Landwirte aus der Region in die Kurstadt gefahren. Ihr Anliegen: Bürokratieabbau, mehr Wertschätzung für bäuerlich produzierte Lebensmittel und der Schutz von Acker- und Grünflächen als Einkommensgrundlage der Bauernfamilien. Friedhelm Schneider, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, kritisierte vor allem die komplizierten EU-Regelungen. Schneider: „Die Spargel- und Erdbeerernte droht im Dickicht der Bürokratie unterzugehen.“ Ebenso forderte er eine Nachbesserung der europäischen Düngeverordnung. Vor allem stört es die Bauern, dass der Zeitraum der Gülledüngung weiter eingeschränkt werden soll. Der Anbau von Kulturpflanzen funktioniere nicht nach Kalenderdaten, sondern orientiert an den jeweiligen Standort-, Boden- und Witterungsverhältnissen, sagte Schneider.
Düngen beschränken
Anders die Bürgerrechtsorganisation Campact und die Aktion Agrar, die eine konsequente Einhaltung der Düngebeschränkungen verlangten. Ansonsten drohten in der Nähe von Mega-Mastbetrieben Gefahr für das Trinkwasser. Beide Organisationen hatten innerhalb kurzer Zeit 210 000 Unterschriften für ihre Forderungen gesammelt. „Nötig ist jetzt Druck der Bundesländer im Bundesrat, um die Agrarwende auf den Weg zu bringen“, sagte Campact-Campaigner Chris Methmann in Bad Homburg.
Nein sagt Campact zu dem Vorhaben, die Zuständigkeit für Gentechnik-Verbote auf die Länder zu übertragen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) vor. „Dadurch würde ein Flickenteppich entstehen, der am Ende dazu führen würde, dass wir die Gentechnik nicht von den unseren Feldern fernhalten können“, so Methmann. Dabei weiß Campact die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz (Grüne) hinter sich. „Hessen hat beschlossen, Gentechnik frei zu bleiben. Das ist gut für die Gesundheit, die Wertschöpfungskette für Landwirte und Verbraucher. Da habe ich auch die Bauern hinter mir“, sagte Hinz vor den Demonstranten – und bekam Beifall von allen Seiten.
„Tiere sind kein Müll“, lautete der Slogan des Deutschen Tierschutzbundes. Mehr als eine Million Milchkühe würden jährlich in deutschen Schlachthöfen getötet. Der Deutsche Tierschutzbund geht davon aus, dass rund zehn Prozent der Tiere trächtig sind, ein Großteil befinde sich sogar im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Da der Bolzenschuss nur das Muttertier betäubt, verendet das ungeborene Kalb erst Minuten später durch Sauerstoffmangel. „Das Tierschutzgesetz ist ein Nutz-, kein Schutzgesetz und legitimiert Tierqual“ so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Die Agrarministerkonferenz müsse ein Zeichen für mehr Tierschutz in der Landwirtschaft setzen.