True Crime

Volksheld Schinderhannes

Von Corinna Willführ

Der Historiker Christian Vogel legt seine Forschungen über Johannes Bückler, Schinderhannes genannt, und über Räuber in der Wetterau neu in zwei Bänden auf.

Das Thema, dem sich der Historiker Christian Vogel in seinen aktuellen Publikationen widmet, ist ein „Spannendes“ geht es doch in den Büchern um „True crime“, also um authentische Straftaften – nicht um fiktive. Vielmehr um Raub und Körperverletzung, um Mord und Totschlag – und nicht zuletzt um Strafe, Vergeltung und Hinrichtung. Und das gleich in zwei Büchern. Deren zentrale Figur ist der Schinderhannes. Ein Mann mit dem Mythos eines deutschen Robin Hood. Mit dieser Glorifizierung will Christian Vogel indes grundsätzlich aufräumen.

Der bekannteste Räuber seiner Zeit

Johannes Bückler alias Schinderhannes

Der Schinderhannes: Niemand wird bezweifeln, dass er der wohl bekannteste Räuber seiner Zeit war. Geboren am 24. Oktober 1777 in Miehlen im Taunus als Sohn eines Abdeckers ging Johannes Bückler als „Schinderhannes“ in die (Kriminal-)Geschichte ein. Er hatte eine Menge auf dem Kerbholz, als er am 21. November 1801 durch die Guillotine in Mainz hingerichtet wurde – mit weiteren 19 Delinquenten. Ein Spektakel, das drei Scharfrichter in gerade einmal 26 Minuten vollzogen – vor einem rund 30.000 Menschen zählenden Publikum. Vorausgegangen sei dem Todesurteil der Delinquenten ein umfangreicher Prozess, der den Mythos des Schinderhannes „nur verstärken konnte“, wie der Historiker Christian Vogel schreibt.

Im Oktober 2020 hat der heute 81-jährige Niddataler seine wissenschaftlichen Forschungen zu der legendären Figur der Kriminalgeschichte in seinem Buch das Buch „Schinderhannes, Schwarzer Jonas und andere Räuber, die nie eine Bande waren“, publiziert (der Neue Landbote berichtete). Ein Werk mit mehr als 700 Fußnoten. Nun hat er dieses verschlankt und gesplittet. In den beiden neuen Bänden verzichtet der Vorsitzende der Vereinigung für Heimatforschung in Vogelsberg, Wetterau und Kinzigtal auf Fußnoten und Quellenangaben. Dies sowohl in dem Band „Räuber in der Wetterau – Schinderhannes, Kumpane und Konkurrenten 1800-1803“ wie auch in „Schinderhannes – Räuber „hauptmann“ ohne Bande“.

Den Mythos Schinderhannes entzaubern

Als Wissenschaftler sei es ihm nicht leicht gefallen, die mehr als 700 Fußnoten aus seiner ursprünglichen Publikation zu entfernen. Doch die von vielen Seiten an ihn herangetragenen Kommentare zu seinem Buch, dass seine Schilderungen über das Treiben der Räuber in der Wetterau zu Beginn des 19. Jahrhunderts und insbesondere über den Schinderhannes ohne die akribischen Hinweise auch auf Quellenangaben ein breiteres Lesepublikum erreichen könnten, haben ihn zu der Splittung ermuntert. Denn schließlich ist es das Anliegen von Christian Vogel den „Mythos Schinderhannes“ zu entzaubern.

Geboren wurde der wohl bekannteste deutsche Räuber am 24. Oktober 1777 in Miehlen im Taunus als Sohn des Abdeckers Johannes Bückler. Er „erbte“ sowohl den Vornamen des Vaters, verkürzt als Hannes, wie dessen Beruf des „Schinders“ In seinem gerade wenig mehr als zwei Jahrzehnte währenden Leben ließ er sich allerhand zu Schulden kommen. Ein Mehrfachtäter. Dem am 21. November 1801 die Guillotine das Ende bereitete. Wie weiteren 19 Missetätern, Bösewichten, Raufbolden, Kriminellen. „Nach den vorliegenden Berichten brauchten 3 Scharfrichter für das ganze Trauerspiel der 20 Guilliotinierungen nur 26 Minuten“, schreibt Christian Vogel. Ein „Spektakel“ vor einem 30.000-köpfigen Publikum. Vorausgegangen war deren Todesurteil ein umfangreicher Prozess, der den Mythos des Schinderhannes „nur verstärken konnte.“

Christian Vogel. (Fotos: Willführ)

Für Christian Vogel war Johannes Bückler kein Chef einer großen, kontinuierlich bestehenden Bande, sondern nur „ein Gelegenheitsanführer bei nachrangigen Überfällen“. Mitnichten eigne sich Johannes er zu einem Helden, allenfalls zu einem „Volksheld ohne Eigenschaften“ schreibt Vogel. Nicht zuletzt sei er aber ein Verräter. Denn die Ausmaße des „Monster-Prozesses“ vor dem Mainzer Spezialgericht am 24. Oktober 1803 mit insgesamt 20 Todesurteilen seien das „„Resultat der systematischen Denunzierung von Schinderhannes“ gewesen. Das Entstehen des „Mythos Schinderhannes“ sei den Zeitumständen geschuldet. Die Revolutionskriege (1792-1802) waren verloren, das Land in einer desaströsen Lage. Nur so sei zu erklären, dass „ein unbedeutender Gelegenheitsanführer bei Raubüberfällen“ zu einer „Verkörperung des Widerstandes gegen die französische Besatzung“ werden konnte.

Der „Dicke Wilhelm“ und der „Löffelhannes“

In der Wetterau war der Schinderhannes-Kumpan Christian Reinhard, genannt „Schwarzer Jonas“ (ca. 1774-1803) der „berühmteste“ Räuber. Auch sein Bruder, der „Dicke Wilhelm“, der „Löffelhannes“ und „Die Niederländer“ trieben zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihr Unwesen in der Region. Unter der Überschrift „Überfälle auf Häuser in der Wetterau – Phänomen nur der Schinderhannes Zeit“ holt Christian Vogel die Missetaten von „Ganoven und Vaganten“ dieser Zeit ans Licht: ob in Bönstadt oder Hain-Gründau, in Södel oder Hainchen, allesamt Orte, an denen Überfälle auf Häuser dokumentiert sind.

True Crime, das zwei Jahrhunderte zurückliegt, aber eine spannende Lektüre ist. Ein Interesse am unglaublichem Detailreichtum der Schilderungen des Autors muss man indes weiter mitbringen – auch wenn die Texte keine Fußnoten mehr haben.

Wer sich einen ersten Überblick über die langjährige Recherchearbeit des Assenheimer Wissenschaftlers machen möchte, bekommt auf der Seite mythos-schinderhannesbande.com einen Eindruck seines Schaffens. Gewidmet hat Vogel beide Bände „Dem Andenken an Rudolf Behlen“, dem langjährigen Schriftführer der Vereinigung für Heimatforschung in Wetterau, Vogelsberg und Kinzigtal, der am 31. Dezember 2020 im Alter von 84 Jahren verstarb.

Christian Vogel: „Schinderhannes, Schwarzer Jonas und andere Räuber, die nie eine Bande waren“, gebunden, 445 Seiten, 103 Abbildungen und 718 Fußnoten, ist im Eigenverlag erschienen. Unter der ISBN 978-3-945423-04-2 ist es zum Preis von 16,50 Euro im Buchhandel erhältlich.

Christian Vogel: „Schinderhannes – Räuber „hauptmann“ ohne Bande“, 231 Seiten, 71 Abbildungen, Klebebindung, ISBN 978-3-945423-07-3. Preis: 10,80 Euro.

Christian Vogel: „Räuber in der Wetterau – Schinderhannes, Kumpane und Konkurrenten 1800 bis 1803“, 163 Seiten, ISBN 978-3-945423-09-0, Preis: 9,60 Euro

Alle Bücher können auch bei dem Autor per E-Mail bestellt werden: christian_vogel40@yahoo.de

Titelbild: Das Cover des Schinderhannes-Buches von Christian Vogel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert