Todesrauscher

Neuer Krimi von Uli Aechtner

Rezension von Klaus Nissen640px-Frankfurt-Bornheim_Eulenburg_Schild_Apfelweinkelterei_24062012_03

Die Zeiten werden immer krimineller. Zusätzlich zu realen Verbrechen und immer zahlreicheren Tatorten und Schwedenkrimis im TV boomt das Angebot an Regional-Kriminalromanen.   Uli Aechtner aus Bad Vilbel leuchtet nun die Apfelwein-Szene zwischen Frankfurt und Büngsbach aus. Am 31. März 2016 liest sie in Bad Vilbel.

Der Todesrauscher

Grauslige Vorstellung: In einem Stahltank eingeschlossen zu sein, während Apfelsaft zur Gärung einläuft. „Ein zischendes Geräusch. Feine Tropfen spritzen in dein Gesicht, dann kleine Fontänen… Du hustest, spuckst, schnappst nach Leben. Strampelst dich an die Oberfläche. Doch über dir ist kaum noch Raum. “ Panik steigt auf, ein letzter Schluck, dann ist es vorbei.

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Nicht mehr ganz aktueller Einblick in eine Sachsenhäuser Apfelweinkneipe, gemalt um 1860 von H. J. Hasselhorst. Foto: Wikipedia

So beginnt „Todesrauscher“, der neue Kriminalroman von Uli Aechtner. Das fesselt und zwingt  weiterzulesen, obwohl man eigentlich keine Lust auf Krimi hat. Gerade bei Romanen mit Lokalkolorit, die nicht von geübten Autoren kommen, grassieren Klischees und Erkläreritis. Der oder die Autor/in will dem  Leser ja beweisen, dass er/sie eine Menge über die beschriebene Region weiß. Doch warum sollte man einen Tatort oder eine Szenen-Location aus dem realen Leben kennen? Bringt das Erkenntnis oder Vergnügen? Mir nicht.

Gleichwohl lockt der spannende Einstieg in die Lektüre des  254 Seiten zählenden Paperbacks aus dem Emons-Verlag.  Starke szenische Anfänge binden den Leser ans Werk. Die Bielefelder Regionalkrimi-Autorin Heike Rommel schaffte das jüngst zum Beispiel mit der Schilderung, wie es sich anfühlt, in einer dunklen Enge aufzuwachen und ein dumpfes Poltern zu hören. Und dann zu merken, dass man gerade lebendig begraben wird. Poe lässt grüßen.

Beim „Todesrauscher“ wird im Laufe der Geschichte auch klar, dass hier eine versierte Autorin geschrieben hat. Anfangs nerven noch die üblichen Klischees: Der Hauptkommissar ist natürlich Single, und die überdrehte Jung-Reporterin kommt ihm bei der Suche nach dem Mörder dauernd in die Quere.  Daraus wird dann  eine immer wieder stockende Liebesbeziehung. Warum eigentlich? Weil die Krimi-Leserinnen  das so wollen? Wer sein Werk auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zuschneidet, liefert eine Ware. Keine Literatur. Aber so böse muss man das nicht sehen.Todesrauscher

Die Geschichte wirkt anfangs ziemlich konstruiert. Der erste Tote wird  im Gärtank der Kelterei ertränkt, der zweite in einer Kelter zerquetscht. Einfaches Morden reicht in der Krimi-Branche nicht mehr aus, es muss möglichst pervers sein. Und es muss sich in einem interessanten, aber noch nicht überstrapazierten Milieu abspielen. Das hessische Streuobst- und Apfelwein-Genre war bisher wegen seiner Biederkeit wohl ausgespart worden – doch Uli Aechtner traute sich, es zu bespielen.

Und – Kompliment – sie schafft es auch, das Buch nah am unwilligen Leser zu halten, der sich eigentlich für ganz andere Sachen interessiert. Nach drei Tagen ist es durch. Denn die Dramaturgie ist gut. Viele kleine Hinweise hat Uli Aechtner in der Geschichte deponiert, diverse falsche Spuren gelegt und den Wunsch geweckt, die Lösung zu erfahren. Warum wurde bloß der arme Jacques in Büngsbach zerquetscht? Wo ist überhaupt Büngsbach? Ist Ella Winkler eine harmlose Naturschützerin oder eine Schwarze Schwester? Der verschollene Stiefbruder ein psychopathischer Stalker? Und bleibt des Kommissars kleine Nichte Amelie trotz der Entführung unversehrt?  Während der Lektüre nährt die Autorin immer wieder die Neugier des Lesers. Und das zeigt ihre Klasse.  Uli Aechtner ist keine Debütantin. Die Fernsehjournalistin und Schriftstellerin hat weit mehr als ein Dutzend Kriminalromane und Kurzgeschichten veröffentlicht, auch bei Rowohlt, Fischer und Rotbuch. Sie  recherchiert über das Milieu, bevor sie es beschreibt. Und sie  experimentiert mit Wohnzimmerlesungen, dem Schreiben im Team und Self-Publishing.  Den „Todesrauscher“ kann man gut lesen.  Zumal die die Autorin es sich verkneift, die Unsinnigkeit des Begriffs „Äppler“ zu erläutern  oder darüber zu sinnieren, ob „Äbbelwoi“ oder  „Ebbelwei“ das Sujet treffender benennt.

Aechtner, Uli_aktuell_Copyright Fotostudio Manusphaere, Limeshain
Uli Aechtner. Foto: Manusphaere

Das kann man ja immer noch im persönlichen Gespräch mit Uli Aechtner nachholen. Sie liest am 31. März 2016 ab 20 Uhr in Bad Vilbel in der Stadtbibliothek am Niddaplatz 2. Der Eintritt kostet zwölf, ermäßigt acht Euro.

Mehr auf der Homepage von Uli Aechtner

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