Zehn Jahre iPhone
Es ist ein selbstverständliches, mittlerweile auch zunehmend umstrittenes Kommmunikationsmittel: das Handy. Vor zehn Jahren (30. November 2007) kam das erste iPhone auf den Markt. „Wir nennen es iPhone“, sagte zu dessen Präsentation wenige Monate zuvor Steve Jobs (Foto), der Mitbegründer von Apple. „Ich nannte es Telefon“, hatte 1861 der in Gelnhausen geborene und als Lehrer in Friedrichsdorf tätige Philipp Reis seine Erfindung genannt. Auch sie veränderte die Welt. (Foto: Matthew Yohe/Wikipedia)
So begann die Telefonie
Der Satz „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ ist, was er ist: unsinnig. Indes nicht sinnlos. Diente er doch Philipp Reis, geboren am 7. Januar 1834 in Gelnhausen, als (wenn auch nicht wissenschaftlichem), Beweis, dass „Töne verschiedener Instrumente, ja bis zu einem gewissen Grade auch der menschlichen Stimme elektrisch übertragen werden können.“
Den Apparat, mit dem ihm dies gelungen war, nannte der am renommierten Garnier-Institut in Friedrichsdorf, einer Gemeinde im Taunus, tätige Physiklehrer Telefon. Sein neues Instrument ermöglichte erstmals eine Kommunikation mit einer Person, die nicht im selben Raum war. Am 26. Oktober 1861 stellte er dieses erstmals öffentlich im Physikalischen Verein Frankfurt, einer honorigen Gesellschaft von Gelehrten, vor. Allein: mit geringem Erfolg.
Anders sah das bei Alexander Graham Bell aus. Der 1847 in Edinburgh geborene Schotte stellte in seiner Wahlheimat Amerika auf der Weltausstellung 1876 in Philadelphia – da war der Gehörlosenlehrer schon Professor für Stimmpsychologie und Sprecherziehung an der Universität Boston – ebenfalls einen neuen Apparat vor. Einen, der anders als das „Telefon“ des Deutschen Reis keine Batterie mehr benötigte, sondern mittels Induktionsspannung (entdeckt 1831 von dem englischen Naturforscher Michael Farraday) funktionierte.
Bell verstand seinen „Sprech-Telegraph“ zu vermarkten. Und er ließ ihn patentieren. Am 14. Februar 1876. Zwei Stunden, bevor der Italiener Elisha Grey, Mitbegründer der Western Electric Manufacturing Company, dem damals größten Hersteller telegrafischer Geräte, sich das Patent für ein Gerät erwerben wollte, dass die Kommunikation über Zeit und Raum und damit die Beziehungen von Distanz und Nähe zwischen den Menschen nachdrücklich verändern sollte. Dem Mann aus Edinburgh indes sollte zunächst niemand seinen Erfolg streitig machen. Alexander Graham Bell gewann alle der rund 600 gegen ihn angestrengten Prozesse um sein Patent. Dass er zuvor vom Apparat des Philipp Reis Kunde hatte, hat er mal zugegeben, mal geleugnet. In 2002 (!) allerdings wurde ihm von der US-amerikanischen Regierung der Titel des Erfinders des Telefons aberkannt.
Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums für Kommunikation in Frankfurt: Johann Philipp Reis und Alexander Bell waren zwei Pioniere des Telefons. Zu dessen Erfolg aber auch Alva Edison mit seiner Entwicklung des Mikrophons beigetragen hat. Dass ihre Ideen „Gehör fanden“, wenn auch zunächst zögerlich, dann aber umso nachdrücklicher, hängt mit der Zeitgeschichte zusammen. Einer Epoche in der sich zur Jahrhundertwende das Wirtschaftsleben dynamisierte. Eisenbahnen und Automobile das Empfinden von Zeit und Raum beschleunigten.
Die „1“ ging an die Börse
Und so begann sie: die Telefonie: Die „1“ ging an die Börse. Ihr folgten Nummern für Bankiers und Firmendirektoren. Auch Namen und Adresse eines Geheimen Kommerzienraths enthält das „Buch der 94 Narren“. Eine Bezeichnung, die der Volksmund dem ersten Fernsprechverzeichnis in der Hauptstadt Berlin des damaligen Großdeutschen Reichs gab. Doch auch in den „intelligentesten Kreisen und den ersten Häusern“ der Stadt stand man dem neuen Instrument skeptisch gegenüber. Da war von „amerikanischen Schwindel und Humbug“ die Rede, wie Margret Baumann im Band „Mensch/Telefon“ der Museumsstiftung Post und Telekommunikation schreibt.
Dr. Helmut Gold: „Die Menschen benötigten damals Zeit, bis sie sich vorstellen konnten, mit einem Gegenüber zu sprechen, das nicht im selben Raum war. Das war eine jahrhundertalte Erfahrung, mit der das Telefon gebrochen hat. Für viele Menschen war das Telefon deshalb beängstigend, bedeutete es doch einen Bruch mit der gewohnten Wahrnehmung. Vor dem Klingeln des Apparats, der zunächst in privaten Gebäuden häufig im Flur stand, konnte man sich nicht verschließen. Die Augen kann man zumachen, aber die Ohren nicht.“
Verglichen mit der Rasanz heutiger technologischer Entwicklungen war die der Telefonie eher langsam – zumindest in ihren ersten Jahrzehnten. So verfügten Anfang des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich Unternehmer und finanzkräftige Privatpersonen über das neue Gerät. Im militärischen Einsatz sorgte es sogar für manche Verunsicherung. Konnte doch der Soldat im Feld nicht sicher sein, ob es denn nun ein wirklich ein Vorgesetzter war, der ihm „an der Strippe“ einen Befehl gab.
Telefonzellen bringen das Private in die Öffentlichkeit
Dr. Helmut Gold: Mit den Telefonzellen, die auch im öffentlichen, wenn auch in einem beschränkten geschlossenen Raum direkte Gespräche ermöglichten, geriet das Private weiter in die öffentliche Wahrnehmung.
Bis es die „graue Maus“ gab. Den Fernsprechapparat 611, der Anfang der 60er Jahre seine eher klobigen und meist schwarz, allenfalls elfenbeinfarbenen Vorgänger, „die Knochen“ als Kommunikationsmittel von Nah nach Fern ablöste. Schön war die „graue Maus“ nicht, aber erfolgreich: 1983 stand sie in 83 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte, mal kieselgrau wie der Apparat war, mal unter samtiger oder brokatenen Hülle. Soviel Individualität sollte schon sein.
Auch wenn die Gespräche in einem kleinen abgeschlossenen Raum geführt werden konnten, war der Anrufer nicht mehr in einer ihm vertrauten Umgebung. Sah sich auch des Öfteren einem störenden Anklopfen an der Tür ausgesetzt oder hatte da mahnende Worte vor Augen: „Fasse Dich kurz“.
Das hatte 1973 sein Ende als Motorola das erste Mobil-Telefon vorstellte, den Dyna-Tec. Ein Gerät, das sich aber nicht wirklich Otto-Normal-Verbraucher leisten konnte. Kaufpreis: stolze 3995 Dollar, heute circa 7120 Euro. Allein: Die Geräte, damals ungeachtet ihres Gewichts bereits Handys genannt, wurden kleiner, günstiger und komfortabler. In 2000 hatte das Ericsson T 36 bereits eine Bluetooth-Verbindung. Und in 2002 galt der Blackberry als das Mobiltelefon schlechthin. Bis zum 9. Januar 2007.
Das i-Phone – seit 2007 ein Megaseller
Anders als die Demonstration des Physiklehrers Philipp Reis, der vor einer Gruppe Gelehrter seine Erfindung des Telefons 1861 demonstrierte, ist die Präsentation von Steve Jobs, Mitbegründer von Apple (+ 5. Oktober 2011) heute noch im Netz zu sehen. Im Moscone Center von San Franzisco führte er dieses – und nicht zuletzt all seine Zuhörer vor. Denn das von ihm angekündigte Breitbild mit Touchscreen, ein neues Internet-Kommunikationsgerät und ein „umwälzendes Handy“ verband das Gerät, von dem Steve Jobs sagte: „Wir nennen es i-Phone“. Heute einer der Megaseller unter allen Produkten der Welt.
Das Smartphone, das nicht von Apple erfunden wurde, aber durch die mit dem iPhone und seiner intuitiven Bedienung über Bildsymbole und Touchscreens weltweit erfolgreich wurde, ist wie ein Schweizer Messer. Es ist mehr drin als man auf den ersten Blick sieht. Aber mit seinen Funktionen auch nicht unbedingt leicht zu handhaben. Das Telefonieren als einer seiner ursprünglichen Grundfunktionen ist auf dem i-Phon ebenso wie auf allen Smartphones durch Messenger-Dienste in den Hintergrund geraten.
Und auch im 21. Jahrhundert wird – selbst mit einem i-Phone der achten Generation die drahtlose Telefonie nicht das persönliche Gespräch mit einem Gegenüber ersetzen. Denn für Handy wie Festanschluss bleibt der Satz der Schriftstellerin Dorothy Parker aus ihren New Yorker Geschichten von 1939: „Als keiner anrief, wusste ich, Du warst es.“