Wilma hat einen neuen Lover
Von Klaus Nissen
Trotz der Spätwintertage Anfang April sind die Vögel stark mit der Brutpflege beschäftigt. Das von der Natur- und Vogelschutzgruppe Lindheim beobachtete Federvieh ist überall beim Nestbau oder schon beim Brüten. Allerdings kommen ihnen immer wieder die Menschen in die Quere. Und von den Lindheimer Störchen gibt es Neuigkeiten.Vier Jungstörche in Planung
Wilhelm Fritzges ist sauer. „Am Osterwochenende ist eine Frau mit ihren Kindern zu einer brütenden Graugans gelaufen. Die musste in Panik fliehen und hat sich dabei auch verletzt.“ Erst nach etwa zehn Minuten habe die auf einer Dammkrone brütende Gans wieder auf ihren Eiern Platz nehmen können. Wahrscheinlich sind sie ausgekühlt und somit verloren, bedauert Fritzges. Der 80-Jährige ist Gründungsmitglied der Vogelschutzgruppe in Altenstadt- Lindheim. Er habe die Fotografin zur Rede gestellt, sagt er. Doch sie sei uneinsichtig geblieben.
Auch die vielen Gassigänger auf den Wiesen ärgern Fritzges. Manche ließen ihre Hunde frei laufen, obwohl hier amtlicher Leinenzwang und ein Verbot gelte, die Wege zu verlassen. Und wenn man sie anspreche, würden sie pampig: „Die Leute sind nicht belehrbar“, bedauert der Vogelschützer. Schön wäre es deshalb seiner Meinung nach, wenn die Ordnungspolizei der Gemeinden Altenstadt und Limeshain gelegentlich im Naturschutzgebiet präsent sei.
Keine Gefahr von neugierigen Tagestouristen droht den Störchen – denn die nisten hoch oben auf Masten und mitten in Lindheim auf dem Schornstein des Hofguts Westernacher. Mit der Webcam der Vogelschutzgruppe:
https://www.vogelschutz-lindheim.de/storchenkamera/
kann man direkt ins Nest schauen. Die Störchin Wilma und ihr Gefährte sitzen da abwechselnd auf vier weißen Eiern. Wenn im Mai daraus Jungstörche geschlüpft sind, werden die beiden Vögel im Akkord viel Nahrung heranschleppen müssen.
Auf Wilhelm folgte Wilfried
Wilma ist mit ihren etwa 15 Jahren vermutlich viel älter als ihr Gefährte. Seit 2006 zog sie mit seinem Vorgänger Wilhelm auf dem Schornstein nicht weniger als 44 Jungstörche auf. Beide verbrachten auch die Winter zusammen in der Wetterau. Doch am 26. Oktober 2020, einem genauso regnerischen Tag wie Ostermontag, stieß sich Wilhelm vom Nest ab, breitete die Flügel aus und ward nie mehr gesehen. Noch wochenlang später hofften der Nestbetreuer Wilhelm Fritzges und andere Vogelfreunde auf seine Rückkehr.
Die verlassene Wilma wies zunächst andere Storchenmänner ab. Doch nun hat sie sich einen Neuen genommen. Er wurde inzwischen mit dem Namen Wilfried bedacht. Wilhelm Fritzges ist von ihm nicht so recht begeistert: „Der schleppt alles Mögliche aufs Nest. Einen alten Handschuh und auch ein Stück Plastikplane. Wenn die falsch liegt, fließt das Regenwasser nicht mehr aus dem Nest ab. Oder die Plane bedeckt die Brut.“ Gerne würde Fritzges den Müll aus dem Nest holen – doch das ist wegen derBrut tabu.
Mehr Störche als je zuvor
Im vorigen Jahr2020 gab es bei den Störchen einen Aufzucht-Rekord: Der Vogelschützer Udo Seum zählte bei 138 Wetterauer Brutpaaren nicht weniger als 284 Jungstörche – so viele wie seit Jahrzehnten nicht. Auch in diesem Frühjahr sind schon viele der langbeinigen Amphibienfresser zu sehen. Inzwischen staksen sie sogar in Gruppen neben den fahrenden Ackermaschinen her – in der Hoffnung auf freigelegte Regenwürmer oder aufgeschreckte Mäuse.
Bildtext:
Ganz schön kalt und nass war es gestern auf dem Storchennest. Wilma und ihr neuer Gefährte sitzen abwechselnd auf den vier Eiern und achten sehr darauf, dass sie nicht zu lange freiliegen. Der Nachwuchs wird voraussichtlich Anfang Mai schlüpfen. Foto: Nissen
Heute, Donnerstag 15. April, kurz vor neun Uhr, zupfte der Storch oder die Störchin das Nest stehend zurecht. Und ich konnte fünf (5) Eier zählen! Nun rätsele ich: Hat der Storch nachts ein potentielles Baby zusätzlich gebracht oder kann der Autor des schönen Artikels nur bis drei zählen? Danke auch an die Lindheimer Gruppe für ihre wichtige ‚Arbeit‘.
Es ist so erfreulich, dass sich Störche hierzulande so stark vermehren, aber werden die denn alle satt?
Vor gut sechzig Jahren waren Amphibien schon rar. Die Atzbacher Storcheneltern brachten ihren Jungen viele Mäuse und Maulwürfe, Die Jungen mochten die Maulwürfe aber nicht, warfen sie aus dem Nest; die lagen dann auf dem Schulhof und taten uns leid.
Ein Sonntagskind ist da!
Am Sonntag, 02.05. 2021 um die Mittagszeit war das erste Storchenküken schon geschlüpft.
Die Eltern wechseln sich weiterhin brav beim Brüten ab und arbeiten am Nest, von Fütterungsversuchen habe ich noch nichts gesehen.
Dienstag, 4. Mai 2021, 7.30 Uhr: Ei, Ei, Ei, nun zähle ich schon zwei! Ein unfreundliches Wetter, das sich das zweite Kleine zum Schlüpfen ausgesucht hat. Windig und kühl, regenverdächtig.
7. Mai, 15.50 Uhr: Gerade ist das dritte Kleine geschlüpft!
Von den Störchen lernen!
Heute, 18. Juni, ists heiß. Die drei schon großen Jungstörche sehen so verstrubbelt am Hals aus. Schwitzen sie etwa? Aber nein, Mama oder Papa schleppen Wasser im Hals/Kropf an und gießen es den drei Kindern über die Köpfe! Ob sie etwas über Verdunstungskälte gelesen haben? Jedenfalls folgte ich ihrem Beispiel und goß mir mit der Brause Wasser übers Haar. Noch schöner wär das natürlich gewesen, wenn ich dafür eine Mama und/oder einen Papa zur Hand gehabt hätte.