Friedhöfe


Ewige Ruhe am Jahresbaum

Von Klaus Nissen

Im Karbener Stadtteil Petterweil gibt es bald eine neue Form für die letzte Ruhe. Ortsvorsteher Dennis Vesper kam die Idee dazu in einem Freizeitpark. Friedhöfe verändern sich gerade nahezu überall.

Friedhöfe haben mehr Urnengräber

Einerseits sind deutsche Totenäcker zentimetergenau reguliert. Beispiel: Ein Sarg darf in Karben maximal 2,05 Meter lang sein. Er muss mindestens 90 Zentimeter unter der Grasnabe liegen.

Ein Urnenrondell. Solche Anlagen gibt es immer öfter. Fotos: Nissen

Andererseits verändert sich gerade rasant die Bestattungskultur. Vor der Jahrtausendwende war das Familiengrab Standard. Jetzt lassen sich vier von fünf Menschen nach dem Tod verbrennen und in der Urne bestatten – oft sogar anonym.

Nur noch 17 Menschen landeten im Sarg

In Karben kamen 2024 laut Stadtverwaltung 204 Menschen unter die Erde, davon 187 in Urnen und nur noch 17 im Sarg. Die Gründe fürs Verbrennen sind vielfältig. Viele Familien leben nicht mehr über Generationen an einem Ort. Trauer über einen Tod drückt sich deshalb seltener über ein Grabmal aus, heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Die Trauer werde „delokalisiert“. So gibt es nun Erinnerungsseiten an Tote im Internet.

Der Trend zum Verbrennen hat auch etwas mit Kosten zu tun. In Karben verlangt die Friedhofsverwaltung 300 Euro für eine Urnenbestattung – die Erdbestattung kostet mit 1500 Euro fünfmal so viel.

Der Künstler Leo Streukens schuf die zentrale Stele des ersten Urnenrondells in Petterweil. Die gläsernen Tränen sitzen in einem Pfahl aus altem Holz. Foto: Nissen

Momentan sind Urnenrondelle beliebt. In Groß-Karben und Burg-Gräfenrode liegen die Urnen im Kreis um ein zentrales Element. Auf dem Friedhof von Petterweil ist das seit 2021 auf 60 Urnen ausgelegte Rondell bald völlig belegt. Die Toten umringen hier eine Stele des Künstlers Leo Streukens. Er setzte farbige Tränen aus Glas in einen Holzpfahl, den er aus altem Kirchengestühl fertigte.

Für die Zukunft wäre ein Friedwald schön, überlegte Ortsvorsteher Dennis Vesper. „Der Wald ist uns nah. Wir fühlen uns in ihm heimisch“, sagt er beim Treffen auf dem Friedhof neben dem Robert-Blum-Denkmal und der Straße nach Rodheim. Doch ein Wald fehlt hier. Es gibt einige Linden und Birken und zwei Rasenflächen, die für künftige Bestattungen reserviert sind.

Vesper kam eine Idee: „Wir haben mit der Familie einen Centerpark in Belgien besucht“, erzählt der 43-jährige Webdesigner und Ortsvorsteher. Da gab es Jahresbäume als Treffpunkte für die Besucher der Freizeitanlage. Warum nicht auch auf dem Friedhof?

Am Ende wird es ein Friedwald

Im März machte sich der fünfköpfige Ortsbeirat von Petterweil Dennis Vespers Idee zu eigen. Er beantragt bei der Stadt nun die Anlage eines ersten Jahresbaum-Urnenrondells. Nahe der Trauerhalle soll ein tief wurzelnder Baum – vielleicht eine Eiche – gesetzt werden, um den herum die Urnen der Toten eines Jahres bestattet werden. Während der ersten Trauer dürfen Blumen oder Kerzen auf dem Rasen stehen – später werden die Namen der Toten auf einer gemeinsamen Platte am Baum verewigt. In den folgenden Jahrzehnten kommen weitere Jahresbäume hinzu, bis Petterweil einen eigenen Friedwald hat.

Ortsvorsteher Dennis Vesper zeigt die Fläche, auf die er den ersten Jahresbaum pflanzen will. Um ihn herum versammeln sich dann die Urnen der in den folgenden Monaten verstorbenen Petterweiler. Abseits davon bleiben Erdbestattungen möglich. Foto: Nissen

Die Stadtverwaltung findet die Idee nicht schlecht. Ihr Sprecher Dominik Rinkart empfiehlt im Namen der Friedhofsverwaltung die Pflanzung gleich mehrerer Bäume. Sie könne „auch mit Blick auf die Pflege der neuen Bäume effektiver sein. Unabhängig aber von der Frage des Pflanzzeitpunktes könnte die Idee,einen bestimmten Baum nur für Bestattungen eines spezifischen Jahres zu nutzen, umgesetzt werden.“

Flott umsetzbar ist das Projekt auch, weil die Karbener Friedhofsordnung schon Regeln für „Baumgrabstätten“ hat. Demnach dürfen dort maximal zwei Urnen aus kompostierbarem Material übereinander vergraben werden. Die Angehörigen müssen den Platz für 20 Jahre kaufen. Der Name des Toten kommt auf eine runde Steinplatte von genau 45 Zentimetern Durchmesser. Die wird so platziert, dass der Rasenmäher drüberfahren kann.

Friedhöfe verändern sich

Die neue Bestattungskultur wirkt sich deutlich auf die Friedhöfe aus. Auch in Karben finden sich die körperlangen, mit polierten Steinplatten belegten Familiengräber immer seltener auf den acht städtischen Anlagen. Selbst wer im Sarg zur ewigen Ruhe kommt, liegt zur Hälfte unter dem Rasen und nicht mehr ganz unter Grabstein und Rabatten. Die engen Wege zwischen den Grabmalen werden weniger – Grünflächen weiten sich aus.

Arbeiter restaurieren gerade den Petterweiler Friedhofsweg zum Urnenrondell. Gearbeitet wird aktuell auch in Groß-Karben und Burg-Gräfenrode. Pro Jahr investiert die Stadt rund 350 000 Euro in die Pflege ihrer fünf christlichen und drei jüdischen Friedhöfe. Der neue barrierefreie Zugang zum Kloppenheimer Friedhof kostet extra. Den Gesamtaufwand beziffert der Haushalt für 2025 auf 567 000 Euro. Die Nutzungsgebüren verringern ihn um 184 000 Euro. Foto: Nissen

Der aktuelle Wandel von steinlastigen Friedhöfen zu öffentlichen Grünanlagen wird bundesweit erforscht und beschrieben. Gabriele Höfling hat dazu auf www.deutschlandfunk.de interessante Beispiele unter dem Stichwort „Bestattungskultur“ zusammengetragen. Es gibt Initiativen für mehr Sitzgelegenheiten, öffentliche Bücherschränke, Insektenhotels oder gar Cafés auf Friedhöfen.

In Karben hält man davon vorerst nichts. Stadt-Sprecher Rinkart: „Die Friedhöfe werden auch weiterhin als Gedenk- und Ruheräume ausgewiesen und genutzt. Eine Umwidmung in eine ,normale‘ öffentliche Grünanlage ist nicht geplant.“

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