Wohnprojekt

Neues Leben für den Klosterhof Ilbenstadt

Von Klaus Nissen

Die amtliche Genehmigung liegt vor – nun beginnt der Bau von 35 Genossenschaftswohnungen auf dem Klosterhügel inmitten von Ilbenstadt im Wetteraukreis. Beim Tag des offenen Denkmals gab es am 12. September 2021 erste Einblicke in die teils 320 Jahre alten Gebäude und in die Pläne für die bald daneben wachsenden Neubauten gegenüber der Basilika. Hinter dem Mehrgenerationenhaus plant ein neu gegründeter Verein einen großen Garten. Der soll die künftigen Bewohner und viele Ilbenstädter mit Gemüse versorgen.

Oekogeno baut 35 Wohnungen, Café und Laden

Im Jahr 2017 hatte die Freiburger Genossenschaft Oekogeno den seit 1991 leerstehenden Klosterhof vom Land Hessen gekauft. Dazu gehören das große Pächterhaus von 1701 mit Nachkriegs-Anbau und die quer dazu stehende Kutschenhalle aus dem Jahr 1737. Ergänzt werden sie bis etwa Ende 2023 mit einem ebenfalls L-förmigen Neubautrakt im Passivhausstandard, berichtete der Oekogeno-Regionalleiter Joerg Weber bei der Führung durch das Areal.

So soll ein Teil des Arealsauf dem Klosterhügel von Ilbenstadt ab 2024 aussehen: Rechts der 300 Jahre alte Kutscherbau mit Café und Regionalladen, links und in der Mitte die Wohnungen des Mehrgenerationenhauses. Visualisierung: Oekogeno

Ab Herbst 2021soll unter den vielen Bewerbern die Auswahl der künftigen Mieter stattfinden. Auf dem Klosterhügel sollen Familien, Singles und Paare allen Alters, auch Menschen mit Pflegebedarf einziehen. Wer grünes Licht dafür bekommt, muss Genossenschaftsmitglied werden und eine Einlage zahlen. Die Mieter werden zugleich Vermieter sein und Mitspracherecht in Gemeinschafts-Angelegenheiten haben. Bauherrin und Betreiberin wird die eigens gegründete Genossenschaft Oekogeno SWH (Solidarisch Wohnen Hessen).

Hinter den Häusern ein großer Solawi-Garten

Es dauerte nach dem Kauf gut drei Jahre, bis sich sichtbar gegenüber der Basilika etwas änderte. Inzwischen ist das seit 30 Jahren wuchernde Gebüsch und eine offene Scheune beseitigt worden. Die archäologischen Sondierungen auf dem schon 1123 gestifteten Klostergelände sind beendet, der Mutterboden vom Bauplatz zusammengeschoben und in einer Ecke deponiert – er dient bald als Reservoir für den großen Nachbarschaftsgarten an der Klostermauer.

Nach diesem Schema soll ab 2022 der Klostergarten mit Gemüsebeeten, Laubengang und Veranstaltungswiese gestaltet werden.

Der Flörsheimer Landschaftsbauer Matthias Dorsch hat dafür die Pläne gezeichnet. Da sind Laubengänge, diverse Gemüsebeete und eine von Terrassen umgebene Naturbühne um den großen Walnussbaum zu erkennen. „Wir wollen dem historischen Vorbild eines Klostergartens gerecht werden“, sagt Matthias Dorsch. Mit dem dort ab 2022 wachsenden Gemüse könne man nach dem Solawi-Prinzig (Solidarische Landwirtschaft) den Bedarf von etwa 160 Menschen decken. Der Betreiberverein „Kultur im Klostergarten“ sucht noch Mitglieder und Sponsoren, die das Grundstück von der Stadt Niddatal kaufen. Momentan ist es gepachtet.

So sieht der Garten heute aus. Foto: Nissen

Zu kaufen sein wird das Gemüse im künftigen Regionalladen hinter einem der drei hohen, halbrunden Scheunentore des Kutscherbaus. Dieses Gebäude wird zuerst statisch ertüchtigt, berichtete am 12. September der Bad Nauheimer Architekt Gustav Jung. Er ist Altbau-Spezialist und zugleich Vorsitzender des Wetterauer Denkmalbeirats. Laut Jung wurde die Holzkonstruktion des Dachstuhl durch eine Nachkriegs-Betondecke zu schwer belastet. Diese Decke muss nun weg.

Café und Coworking-Spaces in der früheren Kutschen-Remise

Im Erdgeschoss des Kutscher-Baues plant die Genossenschaft ein Nachbarschafts-Café mit einigen Tischen und Stühlen im Freien. Daneben wird der Regionalladen eingerichtet. Im ersten Stock des Kutscher-Baues liegen noch die seit Jahrzehnten verlassenen Wohnungen der Landarbeiter und Heimatvertriebenen. Darin entstehen laut Joerg Weber drei bis vier Gästezimmer: Wenn die künftigen Bewohner Besuch bekommen, können sie sie tageweise von der Genossenschaft mieten und müssen die Gäste nicht in der eigenen Wohnung unterbringen. Vier weitere Räume im Kutscherbau sollen zu „Coworking-Spaces“ werden – also zu Büros für Ilbenstädter, die im Homeoffice arbeiten und das nicht immer im eigenen Wohnzimmer tun möchten.

Links das Kutscherhaus. Am unteren und rechten Bildrand werden die neuen Wohnungen entstehen.

Das ehemalige Pächterhaus bietet unter anderem Platz für vier größere Wohnungen. Die riesigen, teils doppelstöckigen Speicher unter den Satteldächern von Kutscher- und Pächterhaus können Lagerräume für die einzelnen Wohnungen aufnehmen und auch als Yoga-Übungsräume genutzt werden. Die Bausubstanz der Altbauten habe sich nach gründlicher Untersuchung als hervorragend erwiesen, so Weber.

Die Kutschenremise mit der Sandsteinsäule wird zum Versammlungsraum und Café.

An die Altbauten setzt die Genossenschaft ab 2022 in L-Form zwei Neubauten aus Holz. Zusammen entstehen so zwei Höfe, auf denen Begegnungen zwischen Bewohnern und eingesessenen Ilbenstädtern möglich sind. Letztere hatten 2018 bemängelt, dass der hintere Neubau so hoch würde, dass man aus dem Dorf nicht mehr die beiden Türme der fast 900 Jahre alten Basilika erkennen könnte. Der daraufhin veränderte Plan sieht einen langen Gebäuderiegel mit Flachdach vor, auf dem Solarmodule den Strombedarf der Bewohner decken sollen. Unter dem hinteren Neubau wird zuerst die Grube für eine Tiefgarage ausgehoben. Die Zufahrt ist durch das hintere Tor des Klosterhügels geplant. In der Garage sollen möglichst wenige Autos stehen – die Genossenschaft wird laut Joerg Weber eine Carsharing-Station betreiben.

Auch Platz für Wohngemeinschaften und Pflegebedürftige

In den Neubauten sollen insgesamt 31 Ein- bis Vierzimmerwohnungen eingerichtet werden. Sie werden per Aufzug auf allen drei Stockwerken barrierefrei erreichbar sein. Der kürzere Neubautrakt mit der Stirnseite zur Basilika soll unter dem Satteldach auch mehrere größere „Cluster-Wohnungen“ für Wohngemeinschaften und für Pflegebedürftige bekommen.

Jede Menge Platz ist im Dachstuhl des Pächterhauses. Dort erlaubt der Denkmalschutz aber keine Wohnungen mit Fenstern.

Bezugsfertig wird das alles wohl erst frühestens Ende 2023. Die Baukosten wurden 2018 auf etwa 15 Millionen Euro beziffert. Inzwischen seien sie gestiegen, merkte Joerg Weber an. Man habe das Problem aber im Griff. Finanziert wird der Bau durch die Einlagen der Genossinnen und Genossinnen, durch Bankkredite und durch staatliche Förderprogramme. Schon 2019 erhielt das Ilbenstädter Projekt den „Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau“ der Hessischen Landesregierung.

Der Architekt Gustav Jung ist Spezialist für denkmalgeschützte Bauten.
Joerg Weber organisiert das neue Wohnprojekt in Ilbenstadt.

Noch nicht geklärt ist die Zukunft der noch viel größeren Barockbauten direkt neben der Basilika auf dem Klosterhügel. Das Bistum Mainz betrieb dort eine Jugendbildungsstätte – das Haus St. Gottfried. Sie hat es nun aus Kostengründen aufgegeben und will die Immobilie mitsamt dem Parkähnlichen Garten dahinter offenbar verkaufen. Er sei mit der Kirche im Gespräch über die zukünftige Nutzung des Areals, sagte Niddatals Bürgermeister Michael Hahn am Rande des Denkmaltages. Nicht kommentieren wollte er Spekulationen, nach denen das Haus Gottfried zum städtischen Rathaus werden könnte. Der jetzige Dienstsitz der Verwaltung in Assenheim ist sanierungsbedürftig.

Mehr Informationen zum Mehrgenerationenhaus der Oekogeno gibt es auf der Webseite www.oekogeno-swh.de

2 Gedanken zu „Wohnprojekt“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert