Meisterin der bildenden Kunst
Von Corinna Willführ
Neue Heimat Wetterau
Werke der heute 83-Jährigen waren in Japan ebenso zu sehen wie in Finnland. Als Dozentin arbeitete sie an der Kunsthochschule Bonn ebenso wie in der Kunststation Kleinsassen (Rhön). Sie stellte in der Airport Gallery in Frankfurt, in der Galerie Am Rosenhang in Weilburg ebenso aus wie in vielen Orten der Region.
Spasa Milašinovic und ihr Mann Dusan hatten es nicht leicht, als sie vor 45 Jahren aus Montenegro im ehemaligen Jugoslawien – nach einer Zwischenstation in der Schweiz – entschieden, nach Deutschland überzusiedeln. Der größte Wunsch ihres Mannes, sagt die 83-Jährige, war es „eine eigene Zahnarztpraxis zu eröffnen.“ Die erforderliche Qualifikation hatte Dusan Milašinovic, aber als Nicht-EU-Bürger keine Aussicht, dauerhaft eine Praxis als Zahnmediziner zu betreiben. Einer seiner Patienten war Rolf Gnadl. Der damalige Glauburger Bürgermeister setzte sich mit viel Unterstützung der Bevölkerung dafür ein, dass Dusan eine dauerhafte Zulassung in seinem Beruf bekam und die beiden eine Heimat in der Wetterau fanden. Für sich und ihre Söhne, die heute 41 und 45 Jahre alt sind. Ihr neues Zuhause war für Spasa Milašinovic, die Architektur studiert und ein Diplom-Ingenieursstudium abgeschlossen hatte, bot der jungen Frau zum einen zwar neue Freiräume, zum anderen vermisste sie zunächst die Kontakte, die eine städtische Umgebung Kulturschaffenden bietet.
Ihr Talent als Künstlerin war schon früh entdeckt worden. Bis sie selbst daran glaubte, dauerte es Jahre. Als man sie zu einer von sieben Teilnehmern des internationalen Projekts „Brückenschlag“ auswählte, dachte sie nur: „Das hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können.“ Mit Malerinnen und Malern aus mehreren Nationen eigene künstlerische Vorstellungen auf eine mehrere hundert Meter lange Leinwand zu bringen, wurde für sie aber Wirklichkeit: in Deutschland und Japan.
Großformatige, expressive Bilder
So lebendig, als hätte sie alles erst kürzlich erlebt, berichtet die Seniorin von ihren Ausstellungen. Etwa 1993 im Künstlerhaus Wien oder 1998 im Drachenmuseum im chinesischen Weifang. Tief in ihr Gedächtnis haben sich Präsentationen ihrer Werke in Kiew und Sarajewo eingeprägt. Einige ihrer Werke vom Kriegsgeschehen im ehemaligen Jugoslawien hat sie bis heute aufbewahrt. Die Gedanken um die aktuelle Situation in der Ukraine schmerzen sie.
Es sind keine Miniaturen, in denen die Künstlerin ihre Wahrnehmung der Welt ausdrückt, sondern großformatige, expressive Bilder. Mit Acrylfarben zu Papier gebracht oder etwa als Aquarelle auf Leinwand. „In einer solchen Größe ist das sehr schwierig. Das muss in kurzer Zeit geschehen.“ In ihrer Karriere hat sie dabei keine Herausforderung gescheut. Als sie einmal Arbeiten auf Wellpappe realisieren sollte, war ihr erster Gedanke: „Wie soll ich das bloß machen?“ Sie bewältigte auch diese. So heißt es denn auch in Band 4 der „Meister Bildender Künste“ von Axel Alexander Ziese zu ihrem Oeuvre: „Das Werk der Malerin, Aquarellistin, Architektin und Dozentin Spasa Milašinovic zeichnet sich aus durch große formale Ernsthaftigkeit, verbunden mit einer unerschöpflichen Farbpalette sowie zeichnerischer Präzision.
Den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien Anfang der 90er Jahre hat sie nicht vor Ort erlebt. Doch vielen Kulturschaffenden ihrer Heimat ist sie bis heute verbunden. Aus der Ferne hat sie ihre Schilderungen von Verfolgung, Vertreibung, Martyrium immer wieder thematisiert. In kalten Farben bringt sie Ängste, Verzweiflung, Einsamkeit zum Ausdruck. Andere Bilder zeugen von Hoffnung und Zuversicht. Diese sind farbenfroher. Etwa wenn sie das Gesicht eines Mädchens strahlend-bunt malt oder sich einem bei ihr immer wieder kehrenden Sujet widmet: der Mutter mit Kind. Nicht zuletzt sind es ihre Werke, die zwei Personen in einem Bild vereinen, die die Blicke auf sich ziehen. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Verbundenheit zu ihrer Zwillingsschwester.
„Wie kann man ein so reiches Leben in kurzer Zeit erzählen?“ fragt die 83-Jährige am Kaffeetisch mit ihrem langjährigen Freund Rolf Gnadl. Sich an all die Stationen erinnern, die zu ihrem Schaffen gehören. An die unzähligen Ereignisse, die vielen Menschen, die mit ihrer Karriere verbunden sind? Die Hauptstationen ihres Wirkens sind im Band des „Allgemeinen Lexikons der Kunstschaffenden des XX. Jahrhunderts“ nachzulesen. Dass Rolf Gnadl, der ehemalige Landrat des Wetteraukreises zu ihren, speziell zu einem ihrer Werke einen besonderen Bezug hat, steht dort nicht. „Seit ich die die erste Arbeit von Spasa erwarb“, sagt der 70-Jährige, begleitet sie mich. Erst im Dienstzimmer als Landrat, dann im Büro als Ovag-Vorstand. Heute in unserem Zuhause.“ Das Aquarell zeigt eine junge Frau: „Wenn es stressige Zeiten gab, ließ mich ein Blick darauf gelassener werden.“
Titelbild: Für Spasa Milanisovic sind Frauen die „Säulen der Erde“.