Sirenen statt Digitalfunk

 Uralt-Technik füllt Alarmlücke

Von Klaus Nissenpm_sirene-ffoberau_bild-2016-08-25

In Oberau bei Altenstadt  ist es  nicht zu überhören: Die Sirene auf dem Dach der alten Schule ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Sie heult jetzt wieder häufiger. Der auf- und abschwellende Gesang aus dem Krachpilz ruft  die 26 aktiven Mitglieder der Feuerwehr zum Einsatz. Der Grund:  Das vor Jahrzehnten eingeführte Analog-Funknetz und vor allem die Funkgeräte sind dermaßen überaltert, dass sie ausfallen. Ersatz gibt es nicht und wird auch nicht mehr hergestellt.  Und die neuen Digital-Funkgeräte lassen in Hessen auf sich warten.

Sirenen statt Digitalfunk

Etwa zweimal im Monat kriegt in Oberau jeder mit, wenn Flammen zu löschen oder Unfallopfer zu bergen sind.  Auch in anderen Ortsteilen von Altenstadt alarmiert man die Retter jetzt wieder mit Uralt-Technik, statt Funkgeräte zu benutzen. Denn für die bislang genutzten analogen Alarmierungsgeräte ist laut dem Oberauer Wehrführer Steffen Leppla die „Funkausleuchtung“ so schlecht geworden, dass die Piepser der Feuerwehrleute bei Alarm stumm bleiben.  Leppla: „Die Feuerwehrleute bekommen dadurch gar nicht mit, dass sie eigentlich zum Einsatz müssen“. Also wird die Sirene gestartet.

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So sieht ein neuer Digitaler Pager aus. Feuerwehrleute können ihn zu Hause an der Dockingstation aufladen und ihn dann an den Gürtel stecken. Der Pager transportiert auch Information über die Art des Einsatzes. Wenn er denn irgendwann zum Einsatz kommt.

In der ganzen Wetterau heulen die Sirenen wegen der veralteten Funktechnik wieder häufiger, sagt, Kreisbrandinspektor Lars Henrich auf Nachfrage. Allerdings werde der Krach bald ein Ende haben: Der moderne Digitalfunk stehe vor der Einführung. Ab Januar 2018 soll er laut Henrich flächendeckend in der Wetterau arbeiten. Möglichst schon 2016 sollen neue Funkgeräte vorrangig an all jene Feuerwehrleute ausgegeben werden, die mit technischen Problemen zu kämpfen haben. Wahrscheinlich werde der Digitalfunk also zuerst im Raum  Altenstadt, Gedern, Ortenberg und Glauburg starten.  Insgesamt müssen etwa 5000 Apparate beschafft werden.

Das Digital-Zeitalter sollte in ganz Hessen eigentlich schon vor zwei Jahren anbrechen. Wortreich beschrieb das von Boris Rhein (CDU) geführte Innenministerium auf seiner Webseite schon seit 2008 die vielen Vorteile des neuen Systems, das auch die Rettungsdienste und die Polizei ins Kommunikationsnetz einbezieht. Warum die tatsächliche Einführung auf sich warten ließ, wurde dann nicht in die Welt posaunt. Laut Lars Henrich hatte sich ein Geräte-Hersteller vor Gericht dagegen gewehrt, dass er bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt wurde. Erst im September habe die letzte Gerichts-Instanz entschieden – nun kann es losgehen, sagt der Kreisbrandinspektor.

Die Pager sollen 2017 ausgeliefert sein

Die kleinen digitalen Funkgeräte heißen „Pager“. Sie  haben einen Mini-Bildschirm und nur fünf Tasten. Bei Alarm schickt die in Friedberg sitzende Leitstelle  kurze Textnachrichten an jene Feuerwehrleute, die nahe der Einsatzstelle sind. Zum ersten Mal können sie so auch vorab Informationen bekommen, was eigentlich passiert ist. Im vorigen Jahr konnten einige Führungskräfte der Wetterauer Feuerwehren die Geräte testen, berichtet Lars Henrich. Sie hätten gut funktioniert. Doch dann seien sie wieder eingesammelt worden. Und jetzt heulen die Sirenen, wenn es irgendwo brennt.

Doch warum richtet die Feuerwehr nicht einfach eine Whatsapp-Gruppe ein, um Einsatzrufe zielgerichtet zu verbreiten? Technisch wäre das leicht möglich und superbillig, räumt der Kreisbrandinspektor ein. Allerdings könne man auf diesem Kanal nicht vertraulich kommunizieren. Und das sei den staatlichen Sicherheitsbehörden sehr wichtig.

Was die Sirene sagt

Bis die digitale Alarmtechnik wirklich funktioniert, behelfen sich etliche Feuerwehren mit den alten Sirenen. Schon im Zweiten Weltkrieg heulten sie in den Städten und Dörfern, wenn Gefahr drohte. Ältere Semester lernten in der Schule, dass ein auf- und abschwellender Ton als „Luftalarm“ ein Bombardement durch feindliche Flugzeuge oder Geschütze ankündigte. Heute bedeutet das Signal allgemein nur: „Rundfunkgerät einschalten und auf Durchsagen achten.“  Ob die jemals kommen, bleibt offen. Wenn nach dem Signal ein einminütiger Dauerton zu hören ist, gilt das als „Entwarnung“.

Die in nahezu jedem Dorf auf Hausdächern platzierten Sirenen gehören heute nicht mehr dem Bund, sondern der jeweiligen Gemeinde. Der Kreisbrandinspektor hält es für sinnvoll, dass sie auch künftig als Reserve-System zur Alarmierung von Einsatzabteilungen und Bevölkerung erhalten werden.

Es geht auch anders: Das moderne Alarmsystem „Katwarn“ erreicht bereits 10 000 Menschen in der Wetterau über eine Smartphone-App. Mehr darüber hier

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