Schule im Lockdown

Viele hätten gern Wechselunterricht

Von Klaus Nissen

Die meisten Schülerinnen und Schüler sollen daheim bleiben. Aber die Jüngsten können, die Abschlussklassen müssen sogar ab 11. Januar 2021 in die Schule gehen. Eine kleine Umfrage zum Thema Schule im Lockdown zeigt: Eltern, Lehrer und Schüler hätten gern einen Wechselunterricht mit kleinen Gruppen in der Schule und Übungszeiten zu Hause. Doch das ist nicht gewollt.

Schule im Lockdown

Gespannt warteten zigtausend Jugendliche, Lehrkräfte und Eltern in den Weihnachtsferien auf Volker Bouffiers Ansage, wie die Schule ab dem 11. Januar 2021 funktionieren soll. Schließlich erfuhren sie, dass die Schule für Erst- bis Sechstklässler grundsätzlich offen ist – doch die Kinder sollten möglichst zu Hause betreut werden. Ab Klasse 7 soll es Distanzunterricht geben. Was das konkret bedeutet, wird sich erst zeigen. Bald nach der Verkündung wurden hessenweit Klagen laut, dass diese Ansagen nicht konkret genug seien und die Eltern und Lehrkräfte ratlos zurückließen.

Volle Schulen wird es in nächster Zeit nicht geben.

Der Neue Landbote fragte bei Betroffenen nach, was sie sich in dieser Situation wünschen. „Der Wechselunterricht wäre eine gute Alternative – vor allem für die Abschlussklassen.“ Das meint der Kreisschulsprecher Marlon Reiber. Der 19-Jährige aus Wallernhausen will im Frühjahr 2021 am Gymnasium Nidda das Abitur machen. Alle jungen Leute brauchen seiner Ansicht nach weiter Präsenzunterricht, auch wenn er kürzer ausfalle. Denn zu Hause gibt es nie gleichwertige Lernbedingungen, sagt Marlon. Und wer schon psychisch angeschlagen ist und jetzt nur noch zu Hause sitzt, komme nur in der Schule aus dem Tief heraus.

Die halbe Klasse sitzt zu Hause

Beim Wechsel- oder Hybridunterricht wird die Klasse geteilt – eine Gruppe geht zur Schule, während die andere daheim bleibt. In der Schule wird neuer Lernstoff behandelt, zu Hause soll er dann in Übungen verfestigt werden. Beide Gruppen wechseln sich in den Lernorten ab und begegnen sich möglichst nie. In der Schule gibt es dann mehr Abstand voneinander, sagt Marlon Reiber – und das sei überfällig: „In manchen Klassen sitzt man zu eng aufeinander. Und wenn sich jemand mit Corona ansteckte, wurden die Sitznachbarn trotzdem nicht Quarantäne geschickt, weil sie ja Masken trugen.“ Im Nachhinein scheint niemand mehr an die vor Weihnachten häufig wiederholte Phrase zu glauben, dass es in der Schule so gut wie keine Ansteckungen gebe.

Spielende Kinder im Pausenhof – hier an der Grundschule in Ulfa – wird es frühestens im Sommer wieder geben. Foto: Maresch

Bislang ist der Wechselunterricht in der Wetterau trotz all seiner Vorteile verboten. Anders als im Main-Kinzig-Kreis lehnten das Gesundheitsamt und die Schulaufsicht diese Unterrichtsart ab und pochten auf den Schulbesuch aller Kinder und Jugendlichen. Präsenzunterricht sei grundsätzlich besser als alles andere, sagte gestern die Schulamtsleiterin Rosemarie zur Heiden.

Am Büdinger Gymnasium gab es eine Eltern-Umfrage, ob und wie ein Wechselunterricht zu gestalten wäre. Da wünschten sich die meisten, wochenweise zwischen Schule und Heimarbeit zu wechseln. Das wäre für die Eltern ab besten zu organisieren, sagt der kommissarische Schulleiter Oliver Eissing.

Gespendete Laptops senden aus dem Unterricht

Beim Wechsel- und erst recht beim jetzt angesagten Distanzunterricht ist es wichtig, die zu Hause sitzenden Kinder und Jugendlichen wenigstens digital zu erreichen. Drei Tage vor den Weihnachtsferien testete man dafür am Wolfgang-Ernst-Gymnasium einen Livestream aus dem Klassenraum. Weil die Schule noch nicht mit Wlan ausgestattet ist und keine Kameras und Mikros hat, nutzte man dazu fünf aus Spenden finanzierte Laptops, die den Unterricht mit LTE-Mobilfunk in die Außenwelt übertrugen. Das hat laut Eissing ganz gut geklappt – so wie auch der Fernunterricht mit dem Wetterauer Lernprogramm wtk-edu. Das ermögliche mit der Chatfunktion und dem neuerdings eingebauten Videotool ganze Klassenkonferenzen.

Auch der Kreiselternbeirats-Vorsitzende Thomas Seeling hält den Wechselunterricht mit digitalem Kontakt zu den gerade daheim sitzenden Schülerinnen und Schülern für geboten. Wichtig wäre ein ein einheitliches Lernportal. Da gebe es noch Wildwuchs. Ansonsten könnte der Wechsel zwischen Schule und Heimunterricht auch zeitlich gespreizt werden. Gerade Teenager seien am späten Nachmittag oder frühen Abend aktiver als morgens.

Wichtig findet Seeling, dass die Kommunikationskanäle von den Lehrerinnen und Lehrern auch richtig genutzt werden. Beim ersten Lockdown habe man über wtk-edu manche Lehrkraft nicht erreichen können, weil sie nicht in ihre seine dort angesiedelte Mailbox geschaut habe. Es sei vorgekommen, dass Lehrer ihre Arbeitsblätter für die Kids an den Elternbeirat schickten, um sie an die Kinder weiterzuleiten. Man erlebe auch, dass Lehrkräfte und Schüler per Whatsapp kommunizieren, obwohl das verboten sei. Oder dass Lehrer von ihren Schülern verlangen, sie müssten ihre schriftliche Hausarbeiten abfotografieren und dann per Mail zur Korrektur schicken.

Es wird eine Renaissance des Präsenzunterrichts geben

Chats und Videoschaltungen sind schulisch durchaus sinnvoll, sagt die Schulamtsdirektorin Rosemarie zur Heiden. „Das hat man schnell gelernt.“ Und bei beruflichen Treffen schonen sie die Umwelt wegen der wegfallenden Fahrten, sparen Zeit und sind effektiv. Doch für die Schulen prophezeit zur Heiden für die Zeit nach Corona etwas ganz anderes: „Wenn es vorbei ist, wird es zu einer Renaissance des Präsenzunterrichts kommen – in einer noch nie dagewesenen Weise.“ Im übrigen glaube sie nicht, dass Lehrkräfte ständig mit den Schülerinnen und Schülern kommunizieren müssten. Sie seien ja nicht „ziemlich beste Freunde“, sondern müssten auch eine gewisse Distanz zueinander halten.

Aktuell hält es der Schülersprecher Marlon Reiber für wichtig, dass die aus dem Fernunterricht heraus geschriebenen Arbeiten nicht benotet werden. Denn zu Hause könnten nicht alle unter gleichen Bedingungen lernen. Am wichtigsten sei, dass alle möglichst bald wieder in die Schule können. Seit vergangenem März habe manch isolierter Teenager schon zu viel Alkohol getrunken und zuviel Zeit mit Computerspielen verbracht.

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