Regionalverband gibt Grünes Licht
Das umstrittene Logistikzentrum des Rewe-Konzerns bei Wölfersheim kommt in den Flächennutzungsplan des Ballungsraumes Rhein-Main. Die Vertreter der Städte und Gemeinden billigten im April 2019 die Umwandlung des Ackers zwischen Wölfersheim und Berstadt in ein Gewerbegebiet. Gleichzeitig graben Archäologen die Reste eines etwa 7000 Jahre alten Dorfes auf dem Gelände zwischen Wölfersheim und Berstadt aus.
Früher Steinzeitdorf, bald Rewe-Lager
Von Klaus Nissen
Bei ihrer Sitzung im Frankfurter Römer machte die Verbandskammer des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain den Bau des 30 Hektar großen Rewe-Logistikzentrums mitsamt der fast zehn Hektar umfassenden Lagerhalle für den Nachschub der Rewe-Supermärkte ein Stück wahrscheinlicher. Die Mitglieder der CDU, SPD und der Unabhängigen Gruppe im 99-köpfigen Gremium stimmten für die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplanes. Die Grünen votierten vergeblich dagegen. Der geänderte Plan tritt in Kraft, wenn ihn auch die die Regionalversammlung Südhessen billigt.
In trockenen Tüchern ist das Projekt aber noch nicht. Vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel klagt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in zweiter Instanz gegen das Projekt. Ein Verhandlungstermin steht noch aus. Weitere Klagen kann es geben, wenn die Gemeinde Wölfersheim im Sommer den Bebauungsplan beschließt. Er ist seit dem 8. April 2019 im Rahmen der dritten Offenlegung im Rathaus und über die Homepage der Gemeinde einsehbar. Bei den bisherigen Offenlagen haben sich 1036 Einwender gemeldet. Landwirte, Kirchen, Umweltverbände und Anwohner haben sich verbündet, um gegen das Logistikzentrum vorzugehen. Einen Grund dafür formuliert Christa Degkwitz von der Initiative „Bürger für Boden“: „Inzwischen bezweifeln viele, ob der Bau einer gigantischen Halle auf wertvollem Ackerboden angesichts des Klimawandels noch zeitgemäß ist. Fraglich auch, welcher Bedarf mit der von Rewe angestrebten Erweiterung des Warensortiments auf 45 000 Artikel gedeckt werden soll“. Problematisch sei zudem, dass der Regionalverband das Wachstum eines der führenden Lebensmittelkonzerte zur „Gemeinwohlaufgabe“ mache.
Fachbehörden kritisieren das Projekt
In den jüngsten Stellungnahmen zum Projekt melden Fachbehörden des Wetteraukreises und des Regierungspräsidiums Darmstadt immer noch Kritik an – obwohl sich Landrat Jan Weckler (CDU) hier gar nicht äußerte und die grüne Regierungspräsidenten Brigitte Lindscheid das Projekt schon 2018 billigte. Der Fachdienst Landwirtschaft des Kreises schreibt: „Der jetzige Standort führt zum Entstehen einer Splittersiedlung losgelöst von jeglichem Siedlungszusammenhang. Der beigefügte Umweltbericht prognostiziert (….) erhebliche Umweltauswirkungen hinsichtlich u.a. Bodenfunktionen, Grundwasserneubildung, Luft und Klima, Flora und Fauna, Landschaftsbild und Mensch.“ Außerdem gebe es für 17,6 Hektar des künftigen Logistikparks keine Ausgleichsflächen, die bepflanzt werden. Der Regionalverband müsse dieses Gelände notfalls außerhalb des Kreises ausweisen. Dessen Antwort: Für andere Projekte stünden noch mehr als 1500 Hektar zur Renaturierung bereit, die man vorläufig dafür nutzen könne.
Auch das Dezernat III des Regierungspräsidiums warnte: Die Bebauung der Feldflur, „deren Böden ein sehr hohes natürliches Ertragspotential und einen sehr hohen Seltenheitswert haben, (wird) nach wie vor äußerst kritisch gesehen und zutiefst bedauert.“ Unglücklich finden die Fachleute im Regierungspräsidium auch, dass der Logistikpark sich länglich zwischen der Bundes-, der Kreisstraße und der Autobahn erstrecken soll. Die Grundstücke der Landwirte rundum würden zerstückelt und schlechter nutzbar. Besser wäre es demnach, ein kompakteres quadratisches Grundstück etwas weiter östlich auszuweisen. Dort ist der Boden wegen des früheren Braunkohlebergbaues nicht ganz so wertvoll. Und wenn man das Gelände des Modellflugplatzes ins Logistikzentrum mit aufnehme, werde nicht so viel Ackerland verbraucht.
Der Planungsverband lehnte das aber ab. Das Logistikzentrum werde zu 23 Prozent auf altem Bergbaugelände entstehen. Wenn man es quadratisch und weiter östlich anlegt, würde es nach Ansicht der Planer zu nah an den Geflügelhof rücken, der auf der anderen Seite der K181 liegt. „Wir halten diese Begründung für fadenscheinig“, meint dazu Christa Degkwitz von „Bürger für Boden“. „Warum sollten sich die Puten in der Mastanlage an einer sechs Meter hohen Lärmschutzmauer entlang der K181 stören? Die wahren Gründe dürften eher im höheren Gründungsaufwand und in den schwierigen Eigentumsverhältnissen zu suchen sein.“
Fast fast 7000 Jahre alte Langhäuser
Während weiter gestritten wird, untersucht ein Archäologenteam auf dem Bauplatz die Reste eines Dorfes aus der Jungsteinzeit. Bisher wurden neben den etwa 7000 Jahre alten Lehmgruben die Pfostenlöcher von bis zu 15 schiffsförmigen Häusern entdeckt, die 30 bis 60 Meter lang waren. Man fand auch Gräber. Seit dem vorigen Spätsommer habe man auf zwei Hektar gegraben, so das Landesamt für Denkmalpflege. Es sei notwendig, das ganze Gelände zu untersuchen, weil der Fund eines ganzen Dorfes der Rössener Kultur (4900 bis 4500 vor Christus) „extrem selten“ sei. Laut Kreisarchäologe Jörg Lindenthal wird man den ganzen Sommer 2019 über graben. Spektakuläre Einzelfunde seien nicht zu erwarten – interessant sei die Gesamt-Anlage. Gegen Ende der Grabungen sei eine öffentliche Führung vor Ort geplant, so Lindenthal.
Die Bürgerinitiative fürchtet, dass aufgrund der polit. Mehrheitsverhältnisse die Gemeindevertreter von Wölfersheim am Donnerstag, dem 27. Juni den Bebauungsplan absegnen. Aus diesem Grund gibt es an diesem 27. Juni um 18.3o Uhr eine Kundgebung zum Thema ‚Bodenschutz‘, und zwar vor der Wetterauhalle in Wölfersheim, Södeler Weg 4. Die BI bittet um rege Teilnahme, weil diese wertvollen Böden Schutz brauchen.
Übrigens sollen in Lützellinden und auch bei Münchholzhausen/Dutenhofen jeweils neue Gewerbegebiete hochgezogen werden, und das in Zeiten der Überversorgung mit Märkten. Für mich ein Beispiel für die neue Mode, nun viel über Klimaschutz zu reden, aber politisch lustig so weiterzumachen wie bisher. Also: See you 27.6., 18.3o h !