Radwege Teil 11 und Schluss

Autofahren ist bequemer

Von Klaus Nissen

Deutschland ist Autoland. Doch das Fahrrad wird als Verkehrsmittel immer wichtiger. Wie steht es mit den Radwegen in der Wetterau? Das beleuchtet der Kreis-Anzeiger in einer Sommer-Serie. Zum Schluss ein Schlaglicht auf radelnde Schülerinnen und Schüler. Die machen sich rar. Obwohl der Staat versucht, ihnen sichere Wege zur Schule zu weisen.

Nur wenige Schüler auf Radwegen

Sehr überschaubar ist die Zahl der Fahrradbügel vor dem Haupteingang der Gesamtschule Konradsdorf. Gerade mal zehn Metallbügel verstecken an diesem Schultag im Schatten einer Hecke. Nur ein Fahrrad ist hier angeschlossen.

Mit dem Fahrrad zur Schule? Das war einmal. An einem Schultag entstand diese Momentaufnahmen. Nur ein einziges Fahrrad stand in der Abstellanlage der Gesamtschule Konradsdorf. Foto: Nissen

„Ich kann alle Eltern verstehen, die nicht wollen, dasss ihre Kinder mit dem Rad zur Schule fahren.“ Das sagt die Schulleiterin Birgit Bingel, wenn man sie auf die Mini-Abstellanlage in Konradsdorf anspricht. Sie würde allen ja gerne offensiv empfehlen, mit dem Rad zu kommen. „Aber das kann ich aufgrund der Sicherheitsaspekte nicht machen.“

Gefährlicher Radweg zur Gesamtschule Konradsdorf

Kein Wunder. Seit dem Jahre 1974 wartet die Schulgemeinde am Rande von Ortenberg-Selters auf Radwege, die nicht lebensgefährlich sind. Nur aus Ortenberg und Wippenbach können die Jungen und Mädchen ohne Gefahr die Schule per Pedale erreichen. Der wichtige Zubringerbahnhof im nahen Effolderbach ist durch die stark befahrene Schnellstraße der B275 von der Schule abgeriegelt. Zum Bahnhof führt der offizielle Radwegweiser die Radler auf schmaler Spur durch einen Straßengraben direkt auf die Fahrbahn. Das könnte man auch als Einladung zum Selbstmord begreifen.

Radler, die von der B275 links zum Bahnhof von Effolderbach abbiegen wollen, geraten in Lebensgefahr. Foto: Nissen

Schülerinnen und Schüler aus dem Raum Stockheim und Glauberg müssen die B275 ebenfalls ungeschützt überqueren. Wer entlang der Bundesstraße bergauf nach Ranstadt radelt, kommt nur auf den die ersten 300 Metern nicht in Tuchfühlung mit Autos, Lastwagen und Motorrädern. Ein buckliges und mit Flechten bewachsenes, etwa 1,2 Meter schmales Asphaltband begleitet die Rennstrecke der Autos. Dann endet es einfach. Einen Schulweg gibt es faktisch nicht.

Fahrradständer aus den Siebzigerjahren

Und sonst? Kommt wenigstens zu anderen Schulen die Jugend von heute mit dem Fahrrad? Zwei junge Damen am Zaun des Niddaer Gymnasiums nicken: „Ja. Vormittags stehen hier ziemlich viele Räder.“ An diesem Werktag kurz vor den Sommerferien ist kurz vor zwölf aber nur ein einsames Fahrrad und ein Elektroroller auf der großen Abstellanlage festgeschlossen. Sie stammt aus der Gründerzeit der Schule und besteht aus einem Regendach und vielen sehr kleinen Metallbügelchen, an die man bestenfalls die Vorderräder ketten kann. Ein hochwertiges Rad wäre vor dem Gymnasium akut diebstahlgefährdet.

Der Unterstand für Fahrräder am Gymnasium in Nidda. Hier kann man sein Fahrrad nicht sicher abschließen. Foto: Nissen

Klar. Die Abstellanlage sei von anno dazumal, räumt die Schulleiterin Alexa Heinze ein. Deren Erneuerung wäre wohl „das Letzte, wofür Geld da ist.“ Gleichwohl kümmert sich das Pädagogenteam am Gymnasium laut Heinze darum, dass der Nachwuchs aufs Fahrrad kommt. Die Schule habe eine Fahrrad-AG.

Fragen wir den Kreiselternbeirat, wie er zum Schulbesuch per Fahrrad steht. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, bekennt der Vorsitzende Jens Langsdorf aus Steinberg bei Gedern. Klar, kaum ein Junge oder Mädchen radle heutzutage noch in die Schule. „Es ist bequem, mit dem Auto zu fahren.“ Außerdem gebe es im ganzen Osten der Wetterau recht wenige Radwege, meint der Elternvertreter.

Für Elternbeirat und Schulsprecher ist Radfahren kein Thema

Und wie sehen es die Sprecher der 30 800 Schülerinnen und Schüler im Wetteraukreis? Der Kreisschülerrat und sein Sprecher Travis Davidson sind für Anfragen nicht erreichbar. Beim letzten Treffen im Juni forderte das Gremium ein Rufbus-System für Schülerinnen und Schüler.

Es bleiben also Zweifel, ob die Lehrkräfte und die jungen Menschen im Osten der Wetterau das Fahrrad als ernsthafte Alternative zum Auto sehen. Nicht eine Schule aus dem Altkreis Büdingen hat sich im vergangenen Jahr am hessenweiten „Wettbewerb Schulradeln“ beteiligt. Vergeblich ruft ihnen der Verkehrsminister Tarek Al-Wazir zu: „Alle, die mit dem Fahrrad zur Schule fahren, gewinnen. Denn jeder Kilometer nutzt der eigenen Gesundheit und der Umwelt.“

Wetteraukreis bewirbt Schüler-Radroutennetz

Der Wetteraukreis hat sich auch an der Schaffung des hessischen Schüler-Radroutennetzes beteiligt. Auf der Webseite www.schuelerradrouten.de können Eltern und Schüler genau planen, wie sie möglichst schnell und sicher per Rad zur Schule kommen. Man gibt seine Adresse und die anzusteuernde Schule an. Dann empfiehlt das Portal auf einer Karte den besten und sichersten Weg.

Das bislang 827 Kilometer lange Netz ist schon ziemlich gut ausgebaut, findet Niels Böttge Niels Böttge von der ivm GmbH – einem Mobilitäs-Dienstleister der Region Frankfurt RheinMain. Der Schulradroutenplaner solle „Eltern sowie Schülerinnen und Schülern Ängste nehmen und ein Sicherheitsgefühl vermitteln, um Elterntaxis zu vermeiden.“ Die Schulen bekommen laut Böttge Hinweise, wie überhaupt die Mobilität ihrer Angehörigen verbessert werden kann. Beispielsweise, welche und wie viele Fahrradständer zu installieren sind.

Nur im Vogelsberg- und im Schwalm-Eder-Kreis gibt es laut Nils Böttge im Netz noch keine Routenangebote für radelnde Schülerinnen und Schüler. Gleichwohl wachse die Zahl der teilnehmenden Schulen bei den Schulradel-Wettbewerben. Nun braucht es nur noch Kinder und Jugendliche, die wirklich zum Unterricht radeln.

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