Protestcamp-Initiative unterliegt
Die seit dem 9. September 2023 in der Landgrafenstraße in Gießen stattfindende Kundgebung in Form eines Protestcamps darf ab dem 2. Oktober 2023 nicht mehr auf der Fahrbahn stattfinden. Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen (VG) hat einen Eilantrag der Initiative gegen eine von der Stadt Gießen verfügte Auflage abgelehnt.Symbolik der Kundgebung
Seitens der Initiative, die den (nach der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs) gescheiterten Verkehrsversuch der Stadt weiterhin mit über 3000 Unterschriften befürwortet, wurde ein Protestcamp auf dem Fahrbahnbereich der Landgrafenstraße unter dem Motto „Sicheres Radfahren – Keine Autozufahrten auf die Fahrradstraße Ostanlage“ symbolisch und bewusst in unmittelbarer Nähe des Regierungspräsidiums und des Verwaltungsgerichts Gießen errichtet. Die Kundgebung war zunächst bis zum 30. September 2023 angemeldet.
Stadt bietet einen Kompromiss an
Wegen der Absicht einer geplanten Verlängerung der Kundgebung der Initiative bis zum 20. Oktober 2023 erließ die Stadt Gießen eine Auflage, wonach der Fahrbahnbereich ab dem 2. Oktober 2023 nicht mehr als Versammlungsfläche genutzt werden darf und die Versammlung insbesondere in einen benachbarten Parkbereich verlegt werden soll. Dies diene der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit Dritter (die Initiative lehnt diesen Kompromiss ab).
Argumentation der Stadt: Die Initiative habe ihr Anliegen über 23 Tage hinweg an einem für sie symbolträchtigen Ort äußern können. Außerdem sei die Stadt Gießen im Rahmen der Gerichtsverfahren zum Verkehrsversuch verpflichtet worden, die Landgrafenstraße für den Straßenverkehr freizugeben. Bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen würden Zwangsmaßnahmen drohen.
Die Argumentation der Initiative
Hiergegen wandten sich die Initiatoren des Protestcamps mit folgender Argumentation: Der nunmehr für die Versammlung zur Verfügung stehende Bereich sei von der Landgrafenstraße derart getrennt, dass der Versammlungszweck nicht mehr erreicht werden könne. Außerdem sei ein Autoverkehr in der Landgrafenstraße derzeit ohnehin nicht möglich, da Amoksperren in Form von Betonpollern errichtet worden seien. Die erlassene Auflage führe selbst zu einer Gefahrenlage, da so das Auffahren von Kraftfahrzeugen auf eine Fahrradstraße ermöglicht werde, was die Versammlung derzeit verhindere.
Entscheidung noch nicht rechtskräftig
Dem ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Die Beschränkung der Versammlung in Form der Verlegung an einen anderen Ort sei gerechtfertigt, weil sie der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs diene. Diese Beschränkung sei hinzunehmen, da die Versammlungsinhalte auch weiterhin in unmittelbarer Nähe zum Regierungspräsidium und zum Verwaltungsgericht Gießen öffentlichkeitswirksam präsentiert werden könnten, auch wenn die Fahrbahn der Landgrafenstraße hierzu nicht mehr genutzt werden könne. Zudem könne die Versammlungsfreiheit nicht zum Zwecke der Abwehr vermeintlicher Gefahren durch Private genutzt werden.
Auch könne die Stadt Gießen, wie ebenfalls im Rahmen des Eilverfahrens beantragt, nicht durch die Antragstellerin verpflichtet werden, weitere Anträge im den Verkehrsversuch betreffenden abgeschlossenen Eilverfahren zu stellen.
Die Entscheidung (Beschluss vom 29.09.2023, Az.: 9 L 2430/23.GI) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen. Soweit der Text des VG-Beschlusses. Es ist durchaus möglich, dass die Initiative ihre Rechtsmittel wahrnimmt.
Titelbild: Die Initiative möchte, dass bessere Bedingungen für Radfahrerinnen und Radfahrer herrschen, was eine Absicht des Verkehrversuchs ist. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)