Streit um Fund aus Römerzeit
Von Michael Breuer
Der in der römischen Siedlung in Waldgirmes bei Wetzlar gefundene bronzene Pferdekopf wird auch sieben Jahre nach seiner Entdeckung vorerst nicht öffentlich ausgestellt. Der Streit um die Entschädigung des Grundstücksbesitzers, auf dessen Land der Kopf, der zu einer Reiterstatue der Römer in Waldgirmes gehörte, ausgegraben wurde, wird jetzt vor Gericht verhandelt.
Römer in Waldgirmes
Was da los ist, berichtet auch auch die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer Ausgabe vom 16. Juni 2016. Danach möchte das Land Hessen 48 000 Euro Entschädigung an den Grundstückseigentümer zahlen. Auf seinem Boden wurde das bedeutende Relikt aus der Römerzeit gefunden. Der Grundeigentümer hat inzwischen eine Forderung von 1,8 Millionen Euro eingereicht.
Vor Jahren hatten sich alle Beteiligten den Umgang mit den römischen Hinterlassenschaften in Waldgirmes anders vorgestellt. 2010 meldete die damalige hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann: „Nach Abschluss der Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten soll der Pferdekopf des Reiterstandbilds im Rahmen einer Sonderausstellung an einem zentralen Ort in Hessen der Öffentlichkeit präsentiert werden.“
Lange ist’s her und die Restaurierungsarbeiten an dem römischen Pferdekopf, der im August 2009 in Waldgirmes bei Wetzlar gefunden wurde, sind schon lange abgeschlossen. Seitdem liegt das antike Stück, das sehr wahrscheinlich zu einer vergoldeten bronzenen Reiterstatue des Kaisers Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) gehört hat und um das Jahr null herum entstanden sein muss, im tiefen Keller des Landesdenkmalamtes in Wiesbaden. Der Grund ist das lang anhaltende Gezerre um Geld. Nach fast sieben Jahren werden die Händel jetzt auf höherer Ebene ausgetragen: vor Gericht.
Der Pferdekopf ist 14 Kilo schwer
Obwohl der lebensgroße Pferdekopf inzwischen restauriert ist und wieder im alten Goldglanz erstrahlen soll, ist er für die Öffentlichkeit bisher eine Nullnummer. Die Grabungen und die Restaurierung wurden mit öffentlichen Geldern bezahlt. Der Fund von europäischem Rang – von Archäologen auf der gleichen Ebene angesiedelt wie die Himmelsscheibe von Nebra und der steinerne Keltenfürst vom hessischen Glauberg – wird aber auch nach fast sieben Jahren noch nicht ausgestellt. Denn es geht immer noch um ein angemessenes „Kopfgeld“ für das 14 Kilo schwere und 55 Zentimeter lange Pferdehaupt: eine Entschädigung für den Grundstückseigentümer, auf dessen Boden der bronzene Kopf gefunden wurde. Dieses Geld – die Hälfte des Objektwertes – steht dem Besitzer laut dem hessischen Denkmalschutzgesetz zu.
Seit seiner Entdeckung in der römischen Siedlung an der Lahn geht es als um die Frage, wieviel Euro denn wohl der Pferdekopf wert ist.
1993 war mit den Ausgrabungen auf dem ebenen Gelände innerhalb der Hügellandschaft und oberhalb der Lahn begonnen worden. Anlass waren Tonscherben aus der Zeit um Christi Geburt, die die ehrenamtliche Beauftragte der Landesarchäologie, Gerda Weller, gefunden hatte: germanische und römische Scherben. Die Überraschung war groß, als die Archäologen schließlich die Überreste einer in Gründung begriffenen Stadt freilegten und im Boden nachweisen konnten. Das war kein römisches Militärlager wie Haltern an der Lippe, sondern eine zivile Siedlung, die offenbar dazu dienen sollte, germanische Gebiete als Provinz verwaltungstechnisch zu organisieren.
Es gab Atriumhäuser in mediterraner Architektur, Wohnhäuser mit Wandelgängen, Speicher – und ein Forum mit Basilika. Kurzum: die Römer hatten bei ihrer rechtsrheinischen Expedition in Mittelhessen keinen Aufwand gescheut. So wie die Siedlung angelegt war, gab es für den Ort größere Pläne. Da sind sich die Archäologen sicher. „Das Forum ist viel zu groß für die vorhandene Umwehrung des Geländes“, sagt Gabriele Rasbach, die Archäologin, die die Grabungen in Waldgirmes zusammen mit ihrem Kollegen Armin Becker leitete.
Der römische Historiker Cassius Dio hatte Stadtgründungen östlich des Rheins, zur Zeit als Varus das Kommando in Germanien übernahm, das war im Jahr 7 n. Chr., erwähnt. Mit Waldgirmes hatte man nun tatsächlich eine davon gefunden. Der römische Namen für die Siedlung ist nicht bekannt.
Dendrochronologische Untersuchungen an den Holzfunden ergaben, dass die 7,5 Hektar große Siedlung zwischen 4 v. Chr. und 16 n. Chr. bewohnt war. Der Mittelpunkt dieser Kolonie war das Forum mit einer monumentalen Basilika. Das große Gebäude ließ sich durch die Steinfundamente nachweisen. Im Innenhof fanden die Ausgräber Reste von fünf Sockeln aus lothringischem Kalkstein, auf denen einst Bronzestatuen gestanden hatten. Insgesamt 168 Fragmente aus Bronze haben die Archäologen auf dem Gelände zusammengetragen.
Untersuchungen an den Metallstücken führten zu dem Ergebnis, das es mindestens zwei Bronzestatuen gegeben haben muss. Eine davon zeigte wahrscheinlich Augustus, den ersten römischen Kaiser. Der Kopf seines bronzenen Pferdes lag in elf Metern Tiefe in einem hölzernen Brunnen.
Der materielle Wert ist umstritten
Sorgte der Kopf zunächst ob seines Auffindens nach 2000 Jahren für eitel Freude, so sorgt er seitdem für Kopfzerbrechen. Denn nach dem Paragrafen 984 BGB, der zu der Zeit der Entdeckung des Kopfes 2009 in Hessen Gesetz war, gehörte dem Finder die eine und dem Grundstückseigentümer die andere Hälfte des historischen Fundes. Das ist die so genannte Hadrianische Teilung. Das bundeseigene Archäologische Institut hatte als Ausgräber in Waldgirmes seinen Teil des Kopfes dem Land Hessen übereignet. Das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kunst musste sich mit dem Eigentümer, auf dessen Grundstück der Pferdekopf entdeckt worden war, über „eine angemessene Entschädigung in Geld“ die das Landesdenkmalschutzgesetz vorschreibt, einigen. Dann hätte dem Land Hessen der ganze Kopf gehört.
Aber die Einigung mit dem Grundstückseigentümer aus Waldgirmes ist bisher nicht zustande gekommen. Niemand erteilte zu den Gründen dafür verlässliche Auskünfte. Offenbar ging es um die Frage, was eine angemessene Entschädigung denn überhaupt ist.
Das ist möglicherweise auch der Redseligkeit des früheren Landesärchäologen, Professor Egon Schallmayer, zu verdanken. Denn der hatte im Januar 2011 in einer Stellungnahme zur Änderung des Hessischen Denkmalschutzgesetzes den Pferdekopf aus Waldgirmes als Beispiel dafür genannt, dass nach dem bisherigen Denkmalschutzgesetz, das Land Hessen möglicherweise daran gar kein Eigentum erwerben könne. Dabei stellte der Professor fest: „In einem ersten Gutachten wird der Wert des Pferdekopfes auf drei Millionen Euro geschätzt.“
Die Nennung dieser beachtlichen Summe kam auch bei dem Grundstückseigentümer in Waldgirmes an. Der hätte also rein rechnerisch mit 1,5 Millionen Euro rechnen können. Schließlich hatte auch die damalige Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann im Jahr 2010 verkündet: „Diese Bronzeskulptur gehrt qualitativ zu den besten Stücken, die jemals auf dem Gebiet des ehemaligen Römischen Reichs gefunden wurden.“
Nach dem Motto „Wir können den Hasen auch anders erlegen“ gab es offenbar zwischenzeitlich ein Umdenken in der Strategie der Landesbehörden. Denn zuerst hatte man sich nämlich mal des Kopfes bemächtigt. Komplett. Die Pressestelle des Ministerium für Wissenschaft und Kunst erklärte im Januar 2016: „Hinsichtlich der anderen Miteigentumshälfte hat das Land von seiner Befugnis nach § 24 Hessisches Denkmalschutzgesetz (HDSchG) Gebrauch gemacht und damit dem Grundeigentümer sein Eigentum entzogen. Der Pferdekopf ist also Eigentum des Landes Hessen.“
Aber auch in diesem Fall kommt das Land Hessen nicht darum herum, dem Grundstückseigentümer eine angemessene Entschädigung für die Enteignung zu zahlen – die 50 Prozent des Wertes vom Pferdekopf. Dafür gibt es das Entschädigungsfestsetzungsverfahren nach dem Hessischen Enteignungsgesetz, das in diesem Fall halt für das Land Hessen vom Regierungspräsidium Gießen geführt wird. Dort berief man sich bisher auf Nichtöffentlichkeit. Auf nochmalige Nachfrage im Mai 2016 wurde mitgeteilt, dass dem Grundstückseigentümer im April eine Entschädigung zugesprochen wurde. Wie hoch die ist, wurde nicht verraten.
Grundbesitzer streitet um mehr Geld
Auf jeden Fall war sie dem Grundstücksbesitzer zu gering. Denn dieser hat die ihm zugesprochene Summe vor dem Landgericht Limburg „beklagt“. Damit ist der Fall in der Öffentlichkeit angekommen, und die Nebel verflüchtigen sich: Dem Eigentümer des Ackers wurden 48 000 Euro Entschädigung zugesprochen. Allerdings liegt diese Summe weit jenseits seiner Vorstellungen. Denn er möchte noch mit weiteren 1,752 Millionen Euro vom Land Hessen entschädigt werden. Rechnet man die 48 000 Euro drauf sind das insgesamt staatliche 1,8 Millionen. Durch die Klage wird jetzt offenbar, dass es in der Vergangenheit mehrere Wertgutachten gegeben hat, die von den beteiligten Parteien in Auftrag gegeben wurden. Die beziffern den Wert des historischen Bronzestücks mal mit hundertausend Euro und mal mit 3,6 Millionen. Daraus ergibt sich die riesige Diskrepanz zwischen Angebot und Forderung. Wie dieses krasse Missverhältnis von den Richtern ins Lot gebracht werden soll, ist damit recht fraglich. Ein weiteres Gutachten ist sehr wahrscheinlich.
Damit bleibt der Pferdekopf für eine weitere ungewisse Zeit unter Verschluss. „Erst nach Abschluss des Entschädigungsverfahrens wird entschieden, wo und in welcher Form der inzwischen restaurierte Pferdekopf der Öffentlichkeit präsentiert wird“, läßt das hessische Wissenschaftsministeriums auf Anfrage verlauten. Fotos von dem restaurierten Stück kann auch niemand bekommen. Erkennbar bleibt, dass es möglichst vermieden werden soll, den römischen Pferdekopf in irgendeiner Weise herauszustellen. Möglicherweise, weil damit unerwünschterweise sein Wert steigen könnte.
Mit der Klage des Grundstückseigentümers auf eine höhere Entschädigung stellt sich aber auch die Frage, was die Beteiligten in den sieben Jahren überhaupt gemacht haben oder was sich zwischen diesen ereignet hat. „Das ist ein Tiefpunkt für uns Archäologen und die vielen Beteiligten “, sagt Archäologin Gabriele Rasbach, „dass der Kopf in der Öffentlichkeit nicht gezeigt wird.“ Sie hatte mit ihrem Kollegen Armin Becker den Pferdekopf ans Tageslicht befördert. Der erste Band des Werkes über die Grabungen in der „Keimzelle der rmischen Stadt“, so bezeichnet Gabriele Rasbach die Siedlung, ist gerade erscheinen. „Der Fund des Pferdekopfes war das finale Ende der Ausgrabungen“, meint die Archäologin, „aber die wichtige Geschichte ist die Geschichte des Platzes.“
Besucherzentrum für das römische Waldgirmes
Das sehen auch Wilfried Paeschke und Peter Schepp so. Der Vorsitzende und der Geschäftsführer des Fördervereins „Römisches Forum Waldgirmes“ scharren praktisch mit den Hufen im historischen Sand der einzigen bisher bekannten zivilen römischen Siedlung rechts des Rheins in Deutschland. Sie möchten ein Besucherzentrum direkt an dem historischen Gelände errichten, um besser und umfassender über die Entwicklung und Bedeutung der römischen Stadt zu informieren als das jetzt in der rund ein Kilometer entfernten Geschäftsstelle des Vereins möglich ist. In Lahnau, das ist die Gemeinde, zu der Ortsteil Waldgirmes gehört, gibt es durchaus Kommunalpolitiker, die befürchten, dass die historische Stätte zur finanziellen Belastung wird.
Wilfried Paeschke will sich allerdings nicht verunsichern lassen. Er kann sich vorstellen, dass eine Replik des Pferdekopfes auch in dem Besucherzentrum gezeigt werden könnte und mahnt an, mit dem langwierigen Entschädigungsverfahren endlich fertig zu werden. „Irgendwann ist die Euphorie vorbei, und das Interesse an dem Fundstück und den historischen Stätten ist erloschen.“ Den originalen Kopf des Pferdes der Reiterstatue könne man, so Paeschke, vor Ort schon aus versicherungstechnischen Gründen nicht beherbergen.
Eine Replik soll es bereits geben. Aber auch diese Information möchte das zuständige Ministerium nicht bestätigen. Der vorgesehene Termin im Februar2016, an dem den Vorstandsmitgliedern des Fördervereins der restaurierte Pferdekopf gezeigt werden sollte, wurde vom Ministerium wieder abgeblasen. 150 000 Euro waren seinerzeit für die Wiederherstellung bereit gestellt worden.
Der Pferdekopf wäre für jedes Museum eine besondere Zierde.“ So sieht es Dr. Carsten Amrhein, Direktor des Römerkastells Saalburg bei Bad Homburg. Er kann aber Vermutungen nicht bestätigen, dass es Pläne gibt, den Pferdekopf in der Saalburg zu präsentieren. Obwohl das durchaus naheliegend wäre. Dafür spricht die Nähe zum historischen Fundort; Waldgirmes ist nur rund 50 Kilometer von der Saalburg entfernt. Mit rund 120 000 Besuchern pro Jahr ist darüber hinaus das aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus stammende Römerkastell am Limes ein Publikumsmagnet im Großraum Frankfurt. Eine neuerliche Attraktion wäre da sehr willkommen.
Auch im Landesmuseum in Darmstadtkönnte der Pferdekopf zur Geltung kommen. Schließlich ist der Kopf weit mehr als nur ein Stück vergoldeter Bronze aus der Antike. Denn er ist auch das Symbol der gescheiterten Romanisierung Germaniens östlich des Rheins und insofern tatsächlich ein epochales Stück. Unter Augustus wurde gegen 12 v. Chr. beschlossen, das römische Imperium bis zur Elbe auszudehnen. Mit Eroberungsfeldzügen sowie mit Handel und Wandel wollten die Römer Germanien zu einer römischen Provinz umformen. Die Bewohner der Siedlung waren vermutlich römischer, germanischer sowie keltischer Herkunft und lebten in Koexistenz.
Das Scheitern der römischen Pläne dokumentiert sich vor allem in der vernichtenden Niederlage der Römer in der bekannten Varusschlacht, die sehr wahrscheinlich in Kalkriese bei Osnabrück stattgefunden hat. Unter Arminius machten die Germanen dort die Soldaten von drei kompletten Legionen nieder, die vom Statthalter Varus befehligt wurden. Die nachfolgenden Rachefeldzüge unter Germanicus stoppte der römische Kaiser Tiberius im Jahr 16 n. Chr. Die Eroberungspläne in Germanien wurden fallen gelassen. Genau zu dieser Zeit wurde nach den Forschungen der Archäologen die Siedlung in Waldgirmes aufgegeben und der Rhein wurde wieder die östliche Grenze des Imperiums. Erst gegen 100 n. Chr. zogen die Römer den Limes, der von Rheinbrohl bei Neuwied ausging und in Bad Ems die Lahn kreuzte und dann den Taunus erreichte. Die nördlich davon liegende Römersiedlung Waldgirmes war damals schon von ihren Erbauern verlassen.
Die Figuren wurden zerschlagen
Die Archäologen haben festgestellt, dass die augusteischen Großbronzen in Waldgirmes eher zerstört wurden als die Siedlung selber. Sie nehmen an, dass die Bewohner die Bronzestatuen nach der Varusschlacht zerschlugen und den Pferdekopf rituell im Brunnen versenkten – um die Götter zu versöhnen. Über dem Kopf in dem Brunnen lagen mehrere Mühlsteine – wohl deshalb, weil verhindert werden sollte, dass die römischen Hinterlassenschaften jemals wieder aus der Versenkung auftauchen.
Das Metall der zerschlagenen Figuren wurde anschließend zum großen Teil recycelt. So muss es vielen römischen Statuen ergangen sein, denn solche Figuren des römischen Kaiserhauses standen in Römerstädten wie Köln, Mainz, Xanten, Trier oder Augsburg auf öffentlichen Plätzen oder in Heiligtümern. Die Skulpturen mit den Gesichtern der Macht – Kaiser und Götter – waren ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Wertvorstellungen. Natürlich standen die großen, häufig vergoldeten Plastiken erst recht in den Städten Italiens und in vielen anderen Provinzen des römischen Reiches sowie in Kastellen und Militärlagern.
Nördlich der Alpen wurden Tausende von Fragmenten römischer Bronzestatuen gefunden – ähnlich denen aus Waldgirmes. Aber es gibt nur wenige komplett erhaltene Statuen selbst. So manche Skulptur wurde so zum Beispiel für die Münzprägung eingeschmolzen. Kurzum: von der repräsentativen Bronzekunst der Römer ist in den ehemaligen Provinzen und auch in Italien selbst deswegen wenig erhalten geblieben, weil das Metall Bronze zu allen Zeiten ein begehrter Rohstoff war. Von den erhaltenen Reiterstatuen zur Ehrung des Kaisers ist die des Marc Aurel aus dem Jahr 165 n. Chr. die bekannteste. Dieser „Klassiker“ wurde zum Vorbild für die Darstellung und Selbstdarstellung europäischer Herrscher.
Andere römische Reiterstatuen
Es gibt noch die vergoldete Reitergruppe aus dem italienischen Cartoceto, die 1946 entdeckt wurde. Das Statuenensemble, das etwa 50 vor Chr. gegossen wurde, musste aus Hunderten von Bronzestückchen wieder zusammengesetzt werden. Berühmt sind auch die vier beeindruckenden, vergoldeten Pferde von San Marco in Venedig, die aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. stammen.
Zu dem Pferdekopf aus Waldgirmes gibt es sogar zwei weitere Entsprechungen. Denn der in Augsburg gefundene Pferdekopf gehörte ebenfalls zu einem Reiterstandbild aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Der dritte bekannte Pferdekopf aus der Antike liegt im Walters Art Museum in Maryland, USA. Dieser in Italien gefundene Rest eine Reiterstatue stammt aus der Zeit um 40 n. Chr. und ist dem Kopf aus Waldgirmes sehr ähnlich. Das Zaumzeug ist ebenfalls mit Schmuckscheiben verziert. Diese Medaillons zeigen wie auf dem Kopf aus Hessen den Kriegsgott Mars und römische Siegesgöttinnen.
Neben dem Pferdekopf und kleinen Bronzebruchstücken kamen in Waldgirmes im Übrigen noch der Fuß des Reiters, ein Mittelfuß des Pferdes und ein größeres Stück des Zaumzeugs zum Vorschein. Ob man in der Siedlung an der Lahn jemals noch weitere größere Teile von Ross und Reiter finden kann, ist aufgrund der in Puzzleteilgröße zerlegten Bronzen fraglich. Zwischenzeitlich wurde in Waldgirmes nach dem Hafen der Römer gesucht. Zumindest eine Landestelle muss es gegeben haben, denn nur mit Schiffen konnten zum Beispiel die mächtigen Bronzestatuen zu der neuen Stadt gelangen.
Auf jeden Fall hat die bronzene „Altlast“ aus Waldgirmes dafür gesorgt, dass das hessische Denkmalschutzgesetz geändert und um ein Schatzregal erweiterte wurde. Wenn jetzt in Hessen irgendwo irgendetwas von „hervorragenden wissenschaftlichem Wert“ gefunden wird, geht es mit seiner Entdeckung per Gesetz sofort in das Eigentum des Landes über. Aber zu weiteren Ausgrabungen in Waldgirmes äußert sich das hessische Wissenschaftsministerium auch nicht.
Literatur: Armin Becker / Gabriele Rasbach, Waldgirmes. Die Ausgrabungen in der spätaugusteischen Siedlung von Lahnau-Waldgirmes (1993-2009). 1. Befunde und Funde. Römisch-Germanische Forschungen 71 (Darmstadt 2015).
2 Gedanken zu „Pferdekopf unter Verschluss“