Oberhessensteig

Junger Steig soll alten Club retten

Von Klaus Nissen

In der Serie über den zur Landesgartenschau entstehenden Oberhessensteig hat der Neue Landbote schon über das Projekt, seinen Erfinder und zwei Tagesetappen berichtet. Hier ein Porträt des Vogelsberger Höhenclubs (VHC), der den Weitwanderweg betreut.

Früh auf den Oberhessensteig

Stopover der VHC-Wandergruppe an der Niddaquelle. Auch Nichtmitglieder können sich an den Vogelsberger Höhen-Club wenden und an den gemeinsamen Touren teilnehmen. Gemeinsames Wandern im Vogelsberg schafft Kontakt und ist gesund, meinen die Leute vom Vogelsberger Höhen-Club. Auch deshalb haben sie den Oberhessen-Steig erfunden. Foto: Nissen

Wer wandert, fängt gern früh an. Auch sonntags. Acht Frauen und Männer stehen um zehn Uhr vor dem Berggasthof auf dem Hoherodskopf. Sie planen eine Runde auf dem sieben Kilometer langen Höhenrundweg. Der Herchenhain-Hartmannshainer Zweigverein des Vogelsberger Höhen-Clubs (VHC) hat dazu eingeladen. Die Sonne strahlt. Es soll auch mal regnen – deshalb haben alle Regenjacken dabei. Oder schon angezogen.

Wer unter 60 ist, gilt noch als jung

Die erfahrenen Wandersleute gehen seit Jahrzehnten auf Tour. Fast alle sind über 50. Zwei Paare laufen nur den ersten Kilometer mit. Er habe Knieprobleme, sagt einer der Herren. Die Umkehrer verabreden sich mit den anderen zum Mittagessen im Berggasthof – der übrigens im Eigentum des Höhen-Clubs steht.

Der Verein hat für den Spaziergang auch Wanderführer. Diesen Titel führt Andrea Brunn groß auf dem Rücken ihrer waldgrünen Leuchtweste. Sie macht gerade die Wanderführerausbildung, inklusive Navigationskunde und Erster-Hilfe-Unterweisung. Weil sie oft mit ihren Hunden im Vogelsberg unterwegs ist, weiß die noch junge Frau aus Herchenhain genau, wo an diesem Sonntag abzubiegen ist. Wir verlaufen uns nicht. Die Fischteiche, das Moor, die Niddaquelle werden zielgenau angesteuert.

Andrea Brunn kennt den Hohen Vogelsberg aus dem Effeff. Damit sie auch woanders Gruppen führen kann, absolviert sie gerade beim VHC eine Wanderführer-Ausbildung. Foto: Nissen

Den Mann von der Presse betreut der Chef persönlich. Peter Schiller ist Vorsitzender des VHC-Zweigvereins Herchenhain-Hartmannshain. Ein schlanker und sehr netter Mann vom Baujahr 1960 – also noch jung. Er ist vor wenigen Wochen in Rente gegangen, arbeitet als selbstständiger Elektriker aber weiter.

Warum wandern?

Der Reporter kommt ihm gleich mit der Gretchenfrage. Warum Wandern? Welchen Sinn hat der Höhen-Club? „Weil man beim Gehen gut Gespräche führen kann“, antwortet Peter Schiller. „Da fließen die Gedanken, und wenn man miteinander redet, wundert man sich hinterher, wie weit man gelaufen ist.“Manchmal richtig weit. Beispielsweise auf der Bonifatiusroute von Mainz bis Hochheim. Oder neulich, wie es die schönen Fotos auf der VHC-Facebookseite beweisen, auf dem Schwalmtalweg.

Peter Schiller gehört zu den Leuten, die den Vogelsberger Höhen-Club aktiv und unverzichtbar machen. Der Vorsitzende des Zweigvereins Herchenhain-Hartmannshain organisiert Wanderungen und pflegt die Wege im Hohen Vogelsberg. Ohne Bezahlung. Foto: Nissen

Neben Geselligkeit und Sport treibt der Verein auch Landschaftspflege. Allein die Herchenhainer halten 110 Kilometer Wanderwege in Schuss. Man mäht und schneidet die Vegetation. Und sorgt für die korrekte Beschilderung. Denn „der Wanderer will einen markierten Weg laufen und nicht quer durch die Botanik“, sagt Peter Schiller.

Schade nur, dass dem Höhen-Club 143 Jahre nach der Gründung die Mitglieder entschwinden. Immer mehr Verstorbenen ist beim jährlichen Treffen am Ehrenmal auf der Herchenhainer Höhe zu gedenken. In den Achtzigerjahren zählte der VHC fast 4000 Köpfe in 35 Zweigvereinen, erinnert sich der Gesamtvereins-Vorsitzende Jürgen Uwe Klein. Jetzt stehen noch 2200 Namen aus 22 Zweigvereinen in der Kartei. „Wir haben an Reichweite verloren“.

Jürgen Uwe Klein ist Markt-Apotheker in Nidda und gilt mit dem Jahrgang 1969 noch als jung – obwohl er den VHC-Gesamtverein schon seit 25 Jahren führt. Nicht nur die junge – auch die mittlere Generation zeigt bis auf Ausnahmen dem Verein die kalte Schulter. Informationen über Wander-Reviere finden sie im Netz, Mitwanderer ebenfalls. Für die VHC-Aktiven der Großeltern-Generation ist es laut Klein schwierig, Schüler- und Kita-Gruppen für die Vogelsberg-Natur zu interessieren. Klein hat eher die 50plus-Generation als Vereinsnachwuchs im Visier: „Die wollen was tun. Es hat Potenzial, sie für die Wege-Markierung zu gewinnen.“

Was würde die Jugend locken?

Was die Jugend locken würde, müssen die VHC-Zweigvereine noch herausfinden. Viele stehen zum Beispiel auf Gewaltmärsche von bis zu 100 Kilometern Länge. Die könnte der VHC organisieren, wenn er die Jugend in den Online-Medien anspräche. Auf Instagram gibt es immerhin drei Fotos mit dem Hashtag #vogelsbergerhöhenclub. Die Zweigvereine Eichelsachsen und Gießen haben Instagram-Konten, aber keine Beiträge hochgeladen. Auf Facebook zählt der Gesamtverein 15 Follower. Das Marketing ist ausbaufähig.

Da trifft sich gut, dass der Büdinger VHC-Aktivist Peter Dubowy den Oberhessensteig erfunden hat, der als verbindender Weitwanderweg vom Oberhessen-Verein und den elf Landesgartenschau-Kommunen bis 2027 intensiv beworben wird. Freimütig bekennt Dubowy: „Der Oberhessensteig soll auch zeigen, dass wir hier die Wanderhoheit haben“.

Das Vereinslogo des 1881 gegründeten Vogelsberger Höhenclubs

Jürgen Uwe Klein findet das toll. Mit dem neuen Weitwanderweg „haben wir mal wieder ein Projekt, das den ursprünglichen Vereinszielen entspricht.“ Um 1890 wie heute gelte es, Sommerfrischler aus den Städten ins wirtschaftlich schwache Mittelgebirge zu holen. Nicht nur wegen der schönen Natur. „Das soll bares Geld herbringen“, wünscht sich der VHC-Vorsitzende. Vielleicht hilft ihm dabei ja, dass der Wander- und Strandurlaub auf Mallorca immer teurer und unerwünschter wird.

Der Vogelsberger Höhen-Club

Am 22. Juni 1881 entstand der Verein in Schotten. Er sollte der armen Vogelsberger Bevölkerung eine Einkommensquelle erschließen. Ziel des Vereins bei der Gründung war es „den Besuch des Gebirgs annehmlicher zu machen durch Aufstellung von Wegweisern, Verbesserung der Gebirgswege, Herstellung von Aussichtspunkten und Ruheplätzen, Instruierung von Touristenführern und Einwirkung auf Verbesserung der Gasthäuser“.

Schon 1886 eröffnete der VHC den bis heute in seinem Besitz stehenden Berggasthof auf dem Hoherodskopf. Er bietet Touristen 24 Gästezimmer und 220 Plätze im Restaurant. Nebenan steht das Vater-Bender-Haus, in dem der Verein 25 Schlafplätze anbietet – beispielsweise für Jugendfreizeiten.

Der Verein hat Georg Bender viel zu verdanken

Georg Bender war ein Lehrer aus Hungen, der 1909 für den VHC den ersten, 121 Kilometer langen Weitwanderweg von Frankfurt bis Alsfeld schuf. Inzwischen gibt es rund 3000 Kilometer an markierten Wanderwegen, um die sich der Verein kümmert. Viele von ihnen werden auf Portalen wie komoot oder ich-geh-wandern.de und auf der Webseite vhc-gesamtverein.de beschrieben. Ganz neu wird gerade der Oberhessensteig geschaffen und 2025 beschildert.

Die Mitgliederzahlen des Vogelsberger Höhen-Clubs geben seit der Jahrtausendwende zurück. „Wir hatten mal 190 Mitglieder im Zweigverein“, berichtet der Herchenhainer Peter Schiller. Nun sind es noch etwa 160, trotz des mit 17 Euro sehr niedrigen Jahresbeitrages. Der größte Zweigverein sitzt in Ulrichstein mit etwa 300 Köpfen. Mit etwa 100 Mitgliedern liegt der VHC Nidda im Mittelfeld. Die kleinsten Zweigvereine haben knapp über 20 Mitglieder meist fortgeschrittenen Alters.

Neun Wanderheime und ein Turm gehören dem VHC

Aus alter Zeit besitzt der VHC neun Wanderheime verschiedener Größe, darunter je eins auf dem Glauberg, in Schlitz und auf dem Dünsberg bei Gießen. Bei Lauterbach hat er einen gemauerten Aussichtsturm. Der mächtige Bismarckturm auf dem Taufstein ist ans Land Hessen gefallen und vorläufig geschlossen, nachdem der VHC nicht genug Geld zur Sanierung auftreiben konnte. Auf der Herchenhainer Höhe eröffnete er 1885 ein Aussichts-Gerüst, das aber 1900 einstürzte. Den momentan von der Ovag konstruierten Anntennenturm am selben Standort hätte der VHC gerne mit einer Aussichtsplattform versehen – doch die Spendengelder reichten dafür nicht aus.

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