Kleine Zeitreise der Zukunftsdeutung
Von Corinna Willführ
Die Kultur- und Naturführerin Annette Miksch nimmt am Sonntag, 5. Januar 2020, Menschen ab acht Jahren mit auf eine Orakel-Zeitreise. Bei der kleinen Wanderung zeigt sie auf, dass Menschen aus der Antike bis in die Gegenwart unterschiedlichste Methoden hatten und haben, um einen „Blick in die Zukunft“ zu werfen. Unser Titelbild zeigt Astragale, die wie Würfel verwendet wurden. Je nachdem, wie sie fielen, wurden sie interpretiert.Gut gefüllte Jutesäckchen
Die sieben gut gefüllten Jutesäckchen, die bei Annette Miksch auf dem Tisch in der Stube liegen, sind keine vergessenen Weihnachtsgeschenke. Vielmehr sind sie Utensilien, die die Kultur- und Naturführerin aus Altenstadt-Höchst für ihre Wanderung vorbereitet hat. Aus einem Säckchen lugen Äpfel hervor. In einem anderen stecken Walnüsse. Ein kleiner silbern schimmernder Löffel hängt an dem Dritten. Aus dem Vierten purzeln Knöchelchen auf ein mit Stoff bezogenes rundes Tablett. Ebenso auf dem Tisch: Vor Wind- und Wetter geschützte Abbildungen der Pyramiden von Gizeh, der Prozessionsstraße am Glauberg oder der bronzenen Himmelsscheibe von Nebra, der ältesten bekannten Himmelsdarstellung 3700 bis 4100 Jahren angegeben. Entdeckt wurde sie indes erst vor 20 Jahren in Sachsen-Anhalt.
„Der Wunsch, in die Zukunft sehen zu können, hat die Menschen stets beschäftigt“, sagt Annette Miksch. Vom Orakel in Delphi über die Kelten, die Römer, die Etrusker bis zu den Germanen. So aufgeklärt der moderne Mensch heute zu sein scheint: Auch er wagt immer mal wieder einen Blick ins Horoskop, sei es auch nur in das tägliche oder wöchentliche in der Zeitung. Selbst wenn er, was Orakel meint, keinen „Götterspruch“ erwartet.
Den Willen der Götter erfahren
Was aber hat das Orakel von Delphi mit der Region zu tun? Annette Miksch sucht sich für ihren Rundgang um Altenstadt Plätze aus, an denen „ich an anknüpfen kann. Das können zum Beispiel Bäume sein, die hier ursprünglich nicht heimisch waren.“ Anknüpfungspunkte für einen Blick in die Zukunftsdeutungen der Römer gibt es in der Region viele, etwa längs des Limes. „Im alten Rom galten die Vögel als die Lebewesen, die den Göttern am nächsten waren“, erklärt die Natur- und Kulturführerin. Selbst wichtige politische Entscheidungen wurden erst nach einer Vogelschau getroffen. Von dieser erhoffte man sich, den Willen der Götter zu erfahren.
Aus heutiger Sicht „makaber“ mutet das Tierorakel der Etrusker an, jenes antiken Volkes im nördlichen Mittelitalien, dessen Geschichte bis 800 vor Christi zurückreicht. Einem Haruspex, also einem Seher, oblag es, die Leber eines Opfertieres, meist eines Schafes, mit einem „Idealmodell“ des Organs zu vergleich. Den Etruskern galt die Leber als Sitz des Denkens und Fühlens. Je näher die „Opferleber“ der getreuen Nachbildung aus Bronze oder Stein kam, umso besser standen die Aussichten, zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Versteht sich, dass die Kursleiterin keine Leber sezieren, sondern anhand einer Darstellung die kultische Handlung einer der ersten Hochkulturen in Europa erklären wird.
Wäre da noch das Säckchen mit der Aufschrift Astragale und jenes, aus dem die Knöchelchen purzeln. Nur noch eines soll hier verraten werden: Die Knöchelchen sind der Zukunftsdeutung der Germanen zuzuordnen. Und die Äpfel? Die Altenstädterin schmunzelt: „Das Apfelorakel ist für unverheiratete Personen.“ Auf die rund zweistündige Tour nimmt die 57-Jährige auch eine Tasse, Tee und heißes Wasser mit. Womit sie mit ihrer Führung unter dem Titel „Orakelzeit“ in der medialen Gegenwart ankommt: bei Harry Potter in Hogwards.
Die „Orakelzeit“ mit Annette Miksch beginnt am Sonntag, 5. Januar, um 14 Uhr am Sportparkplatz in Limeshain-Rommelhausen. Sie dauert circa zwei Stunden (Strecke: 3,5 Kilometer) und ist für Menschen ab acht Jahren geeignet. Für Erwachsene kostet die Teilnahme fünf Euro, für Kinder drei Euro. Bitte anmelden unter: 06047/9770193.