Was sich ändern wird
Mit der Wahl des Christdemokraten Michael Hahn zum Bürgermeister beendeten die Wähler in Niddatal am 15. März 2020 die 18 Jahre währende Ära des parteilosen Verwaltungschefs Bernhard Hertel. Das überraschend deutliche Ergebnis lässt für die knappe Mehrheit aus SPD und Linkspartei nichts Gutes erwarten. Einige Großprojekte nehmen nun eine ganz andere Richtung.Neue Ära für Niddatal
Mehr als deutlich war die Klatsche für Bürgermeister Bernhard Hertel. Auch in den beiden Wahlbüros seines eigenen Wohnorts Assenheim wurde er mit 29 und 33 Prozent der Stimmen abgestraft. Und das nach 18 Amtsjahren. Der Herausforderer Michael Hahn, der 2008 schon einmal gegen Hertel antrat und dabei unterlag, siegte diesmal mit 48 und 52 Prozent der Wählerstimmen. In Bönstadt bekam er mit 55 Prozent die absolute Mehrheit, in den beiden Ilbenstädter Wahlbezirken mit 67 Prozent sogar eine Zweidrittel-Mehrheit. Obwohl dort auch der dritte Kandidat Ralf Binsack noch mehr als zwölf Prozent der Wählerstimmen erhielt.
In seinem eigenen Wohnort Kaichen bekam der dort aufgewachsene Bauernsohn Michael Hahn sogar 70,5 Prozent der Wählerstimmen. Er wird also gemocht und für fähig gehalten, die Geschäfte der rund 10 000 Einwohner zählenden Stadt Niddatal zu führen. Er sei überglücklich, sagte Hahn, der sein Amt am 1. Juli 2020 antritt, nach der Verkündung des Wahlergebnisses im weitgehend menschenleeren Rathaus in Assenheim. Der Steuerfachwirt kann nun seinen Job in einem Tochterunternehmen des Hessischen Bauernverbandes kündigen. Sein Bauernhof in Kaichen wird fortan von seinen Partnern aus der Betriebsgemeinschaft geführt.
Gollacker wird wohl nicht bebaut
Dem 64-jährigen Amtsinhaber Bernhard Hertel bleiben nur noch dreieinhalb Monate im Amt. Als erste Anordnung nach dem Wahldebakel ließ er am Montag wegen der Coronakrise die Stadtverwaltung für Besucher schließen. Hertel wäre ehrenvoller ins Pensionärsdasein gewechselt, wenn er auf die Kandidatur zur vierten Amtszeit verzichtet hätte. Er merkte nicht, dass sich bei den Bürgern der Frust über die zögerlich wirkende Amtsführung und Kommunikation Hertels aufstaute. In dem 46-jährigen Herausforderer Hahn – den viele Niddataler auch persönlich kennen – sahen sie eine gute Alternative. Es gab bei ihm selber „offensichtlich auch Abnutzungserscheinungen“, meinte Hertel nach der Wahlniederlage. „Zumindest auf eine Stichwahl hatte ich gehofft.“ Als Argument für eine weitere Amtszeit führte Hertel vor der Wahl seinen guten Gesundheitszustand und den Wunsch an, begonnene Projekte weiterzuführen. Das reichte nicht aus.
Nun werde sich einiges in Niddatal ändern, schätzt der dritte Bürgermeisterkandidat Ralf Binsack nach der Wahl. Er ist auch Sprecher der Gollacker-Bürgerinitiative. Deren Mitglieder frohlocken, weil Michael Hahn genau wie sie gegen ein Neubaugebiet auf dem Gollacker am Rande von Assenheim ist. Auf gut sechs Hektar sollten dort nach dem Willen Hertels, der SPD und der Linkspartei mehr als hundert Wohnungen entstehen. Einige davon als Plus-Energie-Häuser, einige auch zu Monatsmieten unter zehn Euro pro Quadratmeter. Daraus wird wohl nichts mehr. Michael Hahn sagte bei der Kadidatendiskussion mit dem Neuen Landboten, er wolle lieber Neubaugebiete ausweisen, die die Stadtteile miteinander verbinden. Beispielsweise Assenheim mit Ilbenstadt. Wobei das Überschwemmungsgebiet der Nidda im Wege liegen dürfte und das geeignete Bauland noch in den regionalen Flächennutzungsplan aufgenommen werden müsste.
Neues Kita-Areal in Ilbenstadt
Auch in Ilbenstadt hat die Wahlniederlage von Bernhard Hertel Konsequenzen. Der künftige Bürgermeister Michael Hahn sagte deutlich, dass er den geplanten zweiten Kindergarten nicht wie Hertel auf dem Klostergelände errichten will, sondern eher auf dem früheren Brunnengelände an der Straße nach Burg-Gräfenrode. Dort sei die Verkehrsanbindung leichter – und man müsse den Kindergarten nicht auf einem abschüssigen Gelände bauen.
Nach wie vor auf der Agenda steht die seit Jahren geplante Renovierung des Ilbenstädter Bürgerhauses. Sie kam unter Hertel nicht voran. Michael Hahn erweckte in seinem Wahlkampf den Eindruck, dass er energischer an solche Projekte herangehen wird. Ursprünglich hatten er und seine CDU-Stadtverordneten vorgeschlagen, das Bürgerhaus abzureißen und an anderer Stelle neu zu bauen. Dem wäre allerdings das Restaurant zum Opfer gefallen. Die Ilbenstädter wehrten sich, und die CDU lenkte ein. Dabei werde es bleiben, so Hahn kurz vor seinem Wahlsieg.
Der künftige Bürgermeister hat im Amt die Rückendeckung der CDU, der Grünen und der FDP. Noch ist das zu wenig, um im Stadtparlament Mehrheiten zu erzielen. SPD und Linke besitzen eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Doch falls Hahn in seinen ersten Amtsmonaten zur Zufriedenheit der Niddataler regiert, wird das für die SPD bei der Kommunalwahl im März 2021 problematisch. Ihr droht der Verlust der Mehrheit.