Viele Fragen an Kutschers Rath
von Jörg-Peter Schmidt
Die spannende, teilweise verfilmte historische Buchreihe um den Kriminalkommissar Gereon Rath (geschrieben von Volker Kutscher) gilt als offiziell abgeschlossen. Aber kürzlich ist zur Freude der Fans der zehnteiligen Krimiserie doch noch ein Rath-Nachfolgeroman erschienen, der so manchem Rätsel und Zeitgeschehen nachgeht. Dazu gehört ein Mord, den Erich Mielke 1931 beging.„Westend“ ist wunderbar illustriert
„Westend“ heißt der kürzlich im Galiani-Verlag erschienene Band, der von Kat Menschik wunderbar illustriert wurde. Der Roman spielt im Jahr 1973. Also viele Jahre nach 1938, dem Jahr der Handlung des letzten Buchs der Kutscher-Serie mit dem schlichten Titel „Rath“. Der Roman „Westend“ geht nun der Frage nach, was aus den Hauptfiguren im Laufe der Jahrzehnte geworden ist, wer integriert hat, wer sich angepasst hat, wer als Ex-Nazi Schlupflöcher gefunden hat, wer im Westen oder Osten Karriere gemacht hat und wer im Gefängnis landete.
Konrad Adenauer als Förderer
Zurückverfolgt wird aus der Perspektive von 1973 beispielsweise der Werdegang von Gereon Rath, der ja zeitweise in den USA lebte, seiner Frau Charlotte, der Polizisten Wilhelm Böhm und Sebastian Tornow und von Fritze, der ja der Ziehsohn von Gereon Rath und seiner Charlotte ist. Auch so mache reale Person wird in dem knapp über 100 Seiten zählenden Roman erwähnt. So auch Ex-Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU, der in der Kutscher-Serie Gereon Rath fördert.

Aufschlussreiche Tonbandaufnahmen
Was also passiert 1973? Volker Kutscher und Kath Menschik schildern, dass der über 70-jährige Gereon Rath in Berlin in einem Seniorenheim lebt. Seine Zeit unter anderem im Polizeipräsidium am Alexanderplatz in Berlin ist lange vorbei. Man hat den Eindruck, er langweilt sich doch heftig. Abwechslung kommt in seinen tristen Alltag, als ein gewisser emeritierter Professor Hans Singer ihn aufsucht und ihn mit Fragen löchert. Mit Erlaubnis von Rath darf Singer die Gespräche auf Kassetten-Tonbändern aufnehmen.

Als der spätere Stasi-Chef fliehen musste
Die Fragen des Interviewers drehen sich um die Vergangenheit Raths und die Menschen, mit denen er während seiner Zeit als Polizist und danach zu tun hatte etwa mit den eingangs erwähnten Polizisten Wilhelm Böhm und Sebastian Tornow. Es geht aber auch um ein Geschehen, das von Volker Kutscher nicht erfunden ist: 1931 ermordeten der spätere berüchtigte Stasi-Chef Erich Mielke und sein KPD-Kollege Erich Ziemer auf dem damaligen Bülowplatz in Berlin die Polizisten Paul Anlauf und Franz Lenck. Es handelte sich nachweislich nicht um Gegenwehr.

Die Täter flohen nach Moskau. Ungeklärt ist, welche Rolle Walter Ulbricht (der spätere DDR-Machthaber) spielte. War er Drahtzieher der Morde? Erich Ziemer starb im Spanischen Bürgerkrieg, Mielke machte Karriere in der DDR zu Lasten so vieler von der Stasi Verfolgten. Da Mord nicht verjährt, konnte Mielke 1993 nach dem Zusammenbruch der DDR vom Landgericht Berlin 1993 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden. 1995 wurde er auf Bewährung entlassen.
Charlotte droht eine Ohrfeige an
Eines darf über das packende Buch verraten werden: Wie aus den Tonbandaufnahmen hervorgeht, gibt es 1973 ein Wiedersehen von Gereon Rath und Charlotte. Aber warum droht sie ihm mit einer Ohrfeige?!
Viele Antworten gibt es in dem Roman „Westend“, der nicht die erste Zusammenarbeit von Kat Menschik und Volker Kutscher ist. Das von dem Berliner Galiani-Verlag herausgegebene Buch kostet 23 Euro. Gibt es auch als Hörbuch.
Titelbild: Fahndungsplakat vom September 1933, das Erich Mielke (oben rechts) und andere (u. a. Walter Ulbricht (unten links) wegen des Doppelmordes vom 9. August 1931 zeigt. (Quelle: Wikipedia, Berlin Document Centre)
