Vom Gerät für Gärtners Pflichten
Von Christine Littau-Rust
Sie wussten bereits, dass es in Gießen ein Gießkannenmuseum gibt? Gratulation. Aber haben Sie es auch schon aufgesucht, die zwölfhundertdreiundzwanzig Exemplare eingehend betrachtet?
Festgestellt, was ein Hund aus einer Gießkanne, die als Verpackungsmaterial für ein Frühstücksbrötchen diente, gemacht hat? Omas Gardinengießkanne wiederentdeckt, das Dekoteil aus Nachbars Garten aufgespürt? Oder einfach Kindheitserinnerungen aufgefrischt, weil die gelbe Plastikente mit Gießtülle einst auch Ihrem Sandkastenkuchen Feuchtigkeit spendete?
Ins Gießkannenmuseum
Falls Sie nun erst aufgrund dieses Artikels im Museum in der Gießener Innenstadt vorbeischauen, werden Sie feststellen, dass es eigentlich lange überfällig war, das Gießkannenmuseum. Diese Feststellung treffen nämlich viele Besucher des Museums, wenn sie zwischen den gut gefüllten Regalen durch das Museum schlendern und die Vielfalt an Formen und Funktionsmodellen bestaunen. Geburtsstunde der Gießgerätesammlung war übrigens der Ideenwettbewerb zur Landesgartenschau 2014. Ein findiger Bürger verwies auf die enge Verbindung der Stadt Gießen und des Gießgerätes durch den gemeinsamen Wortstamm, und die Stadt griff die offiziell eingereichte Idee zu dieser Museumsgründung gerne auf. Mit einem gleichermaßen spielerischen wie ernsthaften Gehalt wurde das Motto auf dem Weg zur Landesgartenschau 2014 in die Tat umgesetzt: des Gärtners erste Pflicht – Gießen. Wegbereiter war die Künstlergruppe „gärtnerpflichten“.
Das Gießener Gießkannenmuseum widmet sich dem gebräuchlichen Alltags- und Nutzgegenstand Gießkanne und hebt weniger auf antiquarisch wertvolle oder bedeutsame Einzelstücke ab. Vielmehr steht der große Formenreichtum des trivialen Gießgefäßes im Mittelpunkt des Sammlungsinteresses. Bestehend aus Gefäß, Tülle, Brausestück und Griff, variiert die Gießkanne in Design, Material und Wertigkeit. Sie bestückt Gärten und Fensterbänke in unterschiedlichen Formen und Farben. Aus Metall, Plastik oder Keramik, in figürliche Formen gepresst oder auf nostalgisch getrimmt, als schicker Design-Gegenstand oder banaler
Gartenbedarfsartikel, für drinnen oder draußen, Kinder oder Hobbygärtner – die Gießkanne ist ein Nutzgegenstand, bei dem die Funktion in vielfältigen Variationen ihren Niederschlag findet.
Die Gießkanne von Tante Elli, die ausgediente Spielzeuggießkanne in Elefantenform oder die vererbte und vom Gebrauch gezeichnete Messinggießkanne – die Dinge, an denen persönliche Geschichten, Spuren und Erinnerungen hängen, sind im Gießkannenmuseum hochwillkommen. Das ausgediente Gießgerät ist mindestens so gerne gesehen wie die eigens für eine Schenkung angeschaffte Neuware, die zum Beispiel durch eine extravagante Form besticht.
Eine breite Beteiligung der Gießener Stadtgesellschaft an der spielerischen Idee der Sammlung ist eine wesentliche Zielsetzung des Gießkannenmuseums, formuliert Kuratorin Ingke Günther. Der
Sammlungsbestand wächst durch das Zutun der Gießener Bürgerinnen und Bürger und selbstverständlich auch durch das von Gästen und Sympathisanten. Der Fundus speist sich aus Schenkungen oder Dauerleihgaben, wodurch man mit den vielen Stifterinnen und Stiftern verbunden bleibt. Ein echtes Mitmachmuseum also.
Die Sammlung besteht aus Gießkannen für Balkon- und Zimmerpflanzen, Gießkannen für den Garten, sowie Kakteen- und Kindergießkannen. Auch ein kleines druckgrafisches Kabinett gehört inzwischen zum Museumsbestand. Es zeigt eine Sammlung von Druckgrafiken mit Schwerpunkt 19. Jahrhundert. Die Grafiken bilden historische Gießkannen in unterschiedlichen Alltagskontexten ab. Die Abteilung „Gießkannen mit Migrationshintergrund“ zeigt interessante Exemplare aus fernen
Ländern, und künstlerische Arbeiten im Umfeld demonstrieren, wie fantasievoll man an diesen Alltagsgegenstand herangehen kann.
Im kleinen aber feinen Museumsshop warten Geschenkideen, Infobroschüren und Erinnerungsstücke auf den Besitzerwechsel.
Die Ausstellungsräume des Museums sind in der Galerie Neustädter Tor, Neustadt 28, 35390 Gießen, zu finden. Im Internet unter http://giesskannenmuseum.de
Die Öffnungszeiten: Freitag + Samstag, 15 bis 18 Uhr.
An Feiertagen und zwischen den Jahren hat das Museum geschlossen.