Büdingen

Neues aus der Stadtgeschichte

Es gibt ein neues Lesebuch für alle, die sich für die vielfältitge Vergangenheit der Region Büdingen interessieren. Der Geschichtsverein hat es herausgegeben. Es geht um den Judenhass in Büdingen, eine selbstbewusste junge Gräfin, um alte Kleidung und Geleitschutz.

Büdingen-Lesebuch für alle

Die Büdinger Geschichtsblätter sind keine dünnen Hefte, sondern veritable Bücher. 27 Ausgaben gab es bislang. Nun ist Nummer 28 fertig – ein Buch mit 14 Beiträgen

Von lokalhistorischen Ereignissen über Persönlichkeiten der Büdinger Geschichte bis hin zu Themen des Alltagslebens spannt sich das thematische Spektrum dieser Veröffentlichung.

Volkmar Stein kennt die Geschichte seiner Heimat Büdingen bis ins Detail. Für die neue Ausgabe der Geschichtsblätter lieferte er mehrere Beiträge. (Foto: Nissen)

„Wir sind stolz darauf, unseren Leserinnen und Lesern auch diesmal eine breite Auswahl an qualitativ hochwertigen, wissenschaftlich fundierten Artikeln bieten zu können“, so Joachim Cott, Vorsitzender des Büdinger Geschichtsvereins.

Den Auftakt macht Volkmar Stein mit seiner Rede zum 50jährigen Bestehen der Großgemeinde. Er geht auf die unterschiedlichen Zielvorstellungen der beteiligten Akteure ein und arbeitet die politischen Veränderungen heraus, die bewältigt werden mussten.

Georg Gambs – ein früher Demokrat

Vom gleichen Autor stammen die „Büdinger Betrachtungen“, die sich mit Glück und Unglück in der Büdinger Geschichte beschäftigen. Wichtige Etappen und Situationen der Büdinger Geschichte der letzten drei Jahrhunderten zeigt er aus verschiedenen Blickwinkeln.

Volkmar Steins dritter Beitrag über Johann Georg Gambs, einem frühen Demokraten aus Büdingen, beleuchtet das Leben eines Vertreters des Bürgertums mit Büdinger Vergangenheit. Hier soll von einem Mann die Rede sein, der in Büdingen die Revolution von 1848 erlebte. 71 Tage lang erhob er seine Stimme für eine demokratische Republik. Das war „ungehöriges Verhalten“, mit dem es „großes Ärgernis“ gab.

Carsten Parré beschreibt in seinem fiktiven Revolutionstagebuch eines bettlägerigen Büdingers die lokalen Revolutionsgeschehnisse nicht streng wissenschaftlich, sondern bringt sie in kreativer Weise einem allgemeinen Publikum näher. Mit spitzer Feder werden die scheinbaren Zugeständnisse der Herrschenden aufs Korn genommen und auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht.

Eine emanzipierte Adlige

1678 wurde in Paris die Lebensgeschichte einer jungen Gräfin aus einer bekannten süddeutschen Adelsfamilie veröffentlicht. Es handelt sich um Marie-Anne von Hohenzollern, die 1630 im Alter von 16 Jahren mit dem Grafen Ernst von Isenburg verheiratet wurde. Unter dem Titel „La Comtesse d‘Isembourg“.

Ernst von Isenburg-Grenzau war der Gatte der Hauptperson Marie-Anne von Hohenzollern (1614 – 1670). Von ihr ist auf Wikipedia kein Bild zu finden. Ernst Isenburg war Genera im Dienste der Spanier, die damals über Flandern und die Niederlande herrschten. Die Grafen von Ysenburg und Büdingen sind mit ihm verwandt. Kupferstich von Willeboorts Bossaerts im Rijksmuseum Amsterdam.

Antoinette de Salvan de Saliès, eine Angehörige des örtlichen Adels im Südwesten Frankreichs, hatte die Schrift verfasst. Je nach Blickwinkel des Betrachters war Marie-Anne entweder jung und leichtsinnig mit unkonventionellen Moralvorstellungen oder sie war eine im Versuch der Selbstbehauptung und Emanzipation mutige und bewundernswerte junge Frau.

In seinem Beitrag „Als Glauberg am Bleichenbach lag“ zeigt Andreas Klöppel die vielfältigen Eingriffe in den Lauf von Nidder und Bleichenbach im Raum Glauburg auf. Vieles wurde in den vergangenen Jahrhunderten aus unterschiedlichen Gründen neuen Ansprüchen und Nutzungsinteressen angepasst. Eine zentrale Bedeutung bei diesem Prozess kommt den Mühlen zu.

Als man nur unter Geleitschutz reisen konnte

„1716 – Sturm auf Altenstadt – Chronologie eines Streits um das Niddaer Geleit“ ist der Titel eines weiteren Beitrags von Andreas Klöppel. Dieses Geleitswesen beruht auf dem kaiserlichen Eigentum an öffentlichen Straßen. Deren Sicherung und die Sicherheit der Reisenden wurden gegen Entgelt von den lokalen Herrschern übernommen. Welche Konflikte dabei entstanden, zeigt das Beispiel Altenstadt.

„Büdingen 1933 – 1938“ ist der Chronik der Stadt Büdingen von Volkmar Stein entnommen. Die Zeit von der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 bis zur Pogromnacht 1938 wird anhand von Zeitungsmeldungen dargestellt. Dabei wird deutlich, „dass der Antisemitismus nicht nur nach Weisung ausgeübt, sondern von nicht wenigen Büdingern auch spontan in „private“ Attacken auf Juden und jüdisches Eigentum umgesetzt wurde.“

Joachim Cott ist der Vorsitzende des Geschichtsvereins Büdingen und somit der Herausgabe der neuesten Geschichtsblätter. (Foto: Nissen)

Ortwin Heinrich richtet in seinem Beitrag den Blick auf „Arbeitsdienst und Arbeitslager in Büdingen“. Nach Ausführungen über die Einführung des Arbeitsdienstes werden die Arbeitslager auf dem Herrnhaag und im Thiergarten dargestellt. Damit wird ein Aspekt der Büdinger Geschichte im Vorfeld des Kasernenbaus sichtbar.

Axel Krampe berichtet in seinem Beitrag „Neue Überlegungen zur urkundlichen Ersterwähnung Effolderbachs im Rahmen der Wormser Territorialpolitik“. Man gewinnt einen fundierten Einblick in das territoriale Geschacher größerer politischer Einheiten und den Umgang mit kleinen Siedlungen. Zugleich werden weitere Entwicklungen angesprochen, die damit verbunden sind.

Schnürbrust und Seidenmuff

Alice Karkhiran Khozani-Krampe stellt in ihrem Beitrag „Schnürbrust, Stecker und Seidenmuff“ neue Überlegungen zur Datierung und Funktion zweier Objekte aus dem Heuson-Museum vor. Mit der detailreichen Darstellung wird zugleich ein Einblick in die Bekleidungskultur in der Wetterau des 18. Jahrhunderts gegeben.

Der Historiker Christian Vogel (Bild: Nissen) gibt im „Prozess um das Rentkammerarchiv von Büdingen“ den aktuellen Stand der juristischen Auseinandersetzung um die öffentliche Nutzung des Archivs wider. Augenblicklich sind die dort gelagerten Akten von ca. 60 Ortschaften für die lokale und regionale Geschichtsforschung nicht zugänglich. Ein unhaltbarer Zustand, der auch nach Ansicht des Geschichtsvereins-Vorsitzenden Joachim Cott dringend geändert werden müsse.

Der neue Band ist beim Büdinger Geschichtsverein und im Heuson-Museum erhältlich. Für alle, die Interesse an der Vergangenheit der Region und deren Bedeutung für die Gegenwart haben, bieten die Geschichtsblätter einen unverzichtbaren Zugang zur Geschichte Büdingens und der umliegenden Gebiete. Mitglieder erhalten den Band kostenlos.

Band 28 der Büdinger Geschichtsblätter

399 Seiten, 11 Farbbilder, 10 SW-Bilder, 24 Euro.

ISBN 978-3-948956-11-0

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