Horlofftalbahn

Vor 20 Jahren stillgelegt

Ein „schwarzer Tag“ für Hungen und die Region war der 4. April 2003. An diesem Tag wurde der knapp zwölf Kilometer lange Abschnitt der Horlofftalbahn zwischen Hungen und Wölfersheim/Södel stillgelegt. Die AG Horlofftalbahn, die sich für eine Reaktivierung der Strecke einsetzt, blickt auf die 20 Jahre zurück, die seither vergangenen sind.

Protest gegen die Stilllegung

Fast 100 Menschen hatten sich an jenem 4. April 2003 am Hungener Bahnhof eingefunden, um gegen die Stillegung zu protestieren. Der Bahnhof war damals „ein unwirtlicher Ort mit verwahrlostem Empfangsgebäude (eher zum Abschrecken für Gäste) und ebenso technisch rückständigen Gleisanlagen, die gerade noch bescheidenen Zugverkehr zuließen: Folgen einer jahrzehntelang an Bahn und ÖPNV desinteressierten Verkehrspoltik mit unaufhörlichem Bahn-Schrumpfkurs und negativen Nachwirkungen bis heute 20 Jahre nach diesem denkwürdigen Datum“, schreibt die AG Horlofftalbahn.

Die in den prosperierenden Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main führende Bahnlinie stillzulegen, sei schon damals angesichts des heraufziehenden Klimawandels kritisiert und als kontraproduktiv für die Entwicklung der Region sowie die umweltfreundliche Lenkung von Pendlerströmen in einen arbeitsplatzintensiven Ballungsraum bewertet worden. Aber „nicht von allen Menschen, vor allem nicht denen an den ‚Schalthebeln‘ der Macht, die dieses irreguläre Schauspiel aktiv betrieben oder zumindest mehr oder weniger passiv zuließen“, beklagt die AG.

Ein Transparent und ein Holzkreuz am verwahrlosten Hungener Bahnhofsgebäude aus Protest gegen die Streckenstilllegung. (Fotos: AG Horlofftalbahn)
 

Demonstrationen und Podiumsdiskussion

Das Bürgerengagement flammte wieder auf, nachdem der DB-Bauzug im Jahr 2000 die Strecke nur bis zum Bahnhof Wölfersheim/Södel saniert hatte und abgezogen war, ohne sich um die weitere Strecke Richtung Hungen zu kümmern. Die AG fand 2001 heraus, dass es wieder Pläne gab, die Strecke stillzulegen. Ein angeblich „ergebnisoffenes Gutachten“ sollte diesen herben Einschnitt die Bahninfrastruktur verkehrswissenschaftlich und vor allem betriebswirtschaftlich begründen. Die AG Horlofftalbahn spricht von einem „vom RMV bezahlten Pamphlet“, das „trotz aller Fehler und Schiebungen“ für die spätere Betriebseinstellung aus rein wirtschaftlichen Gründen entscheidend gewesen sei. Infrastrukturelle Gründe wie die Erhaltung des Netzcharakters sowie der Daseinsfürsorge hätten hierbei fälschlicherweise eine nur untergeordnete Rolle gespielt.

Viele Gespräche mit verantwortlichen Politikern und ÖPNV-Funktionträgern, sowie einige Demonstrationen – beispielsweise mit 70 schwarzen Holzkreuzen vor der Geschäftsstelle des Verkehrsverbundes Gießen mitten im Bundestagswahlkampf im Februar 2003 – hatten laut AG eine hohe öffentliche Wirkung. Während einer großen Podiumsdiskussion in der Stadthalle Hungen mit fast 400 Interessierten, seien von den Verantwortlichen „nur müde Statements ausgetauscht“ worden. Das Urteil über die Zukunft der Strecke sei schon Jahre vorher gefällt worden und alle politischen Statements seien „nur Beschwichtigung und Täuschung mit Makulatur-Charakter“ gewesen, meint die AG. Die Strecke wurde „trotz engagiertem und fantasievollem Widerstand einem höheren Plan folgend stillgelegt“.

Die AG Horlofftalbahn gab nicht auf und setzte sich ab diesem „schwarzen“ Tag für die Reaktivierung der Strecke Richtung Wölfersheim, Friedberg und Frankfurt ein. „Um diesem Ziel näherzukommen, wurden neben zahlreichen Aktionen, Veranstaltungen, Ausstellungen auch immer wieder politische Gespräche auf verschiedenen Ebenen von den aktiv ehrenamtlich Tätigen durchgeführt und die Reaktivierung vehement beworben. Dieses Ziel trägt mit der geplanten Reaktivierung Ende 2025 Früchte und zeigt, dass politische Irrwege auch Auswege finden können“, schreibt die AG.

Titelbild: Demonstration gegen die Stilllegung am letzten Betriebstag am letzten Zug nach Friedberg. Im Bild vorne rechts der damalige Stadtverordnetenvorsteher Ernst Spengel, neben ihm die damalige und heutige Stadträtin Andrea Krüger.

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