Ein Gartengestalter aus Hessen
von Ursula Wöll
Wieviele Kinderjahre hat der 1817 geborene Heinrich Siesmayer in Karben verbracht? Genau was mers net. Der große Gartenarchitekt, der nicht nur den Frankfurter Palmengarten, sondern auch den Bad Nauheimer Kurpark und viele weitere Parks anlegte, ist noch immer erstaunlich unbekannt. Das soll eine Ausstellung über ihn ändern, die am 6. August im Schloss Rauischholzhausen eröffnet wird. Den großen Park um dieses Schloss hat er um 1875 auch geschaffen, einen ‚englischen Landschaftsgarten‘ at its best.
Selfmademann Siesmayer
Siesmayers Vater soll in Groß-Karben am Selzerbrunnen eine Gärtnerei gehabt haben. Dort hat der Junge seine Liebe zum Gärtnern erworben. Das behauptet er als gemachter Mann in seinen Lebenserinnerungen, die ich allerdings nicht auftreiben konnte. Fest steht, dass der junge Heinrich in die Lehre zum Frankfurter Gartengestalter Sebastian Rinz geschickt wurde, so wie seine beiden Brüder auch. Baumschule und Gewächshäuser der Firma lagen dort, wo heute die Doppeltürme der Deutschen Bank stehen. Stadtgärtner Rinz, der die ringförmigen ehemaligen Wallanlagen Frankfurts begrünen sowie das Nizza und den Günthersburgpark anlegen durfte, war ein strenger, aber wunderbarer Lehrmeister, so dass Heinrich Siesmayers Liebe zum Gärtnern noch wuchs.
Schon 1842 machte er sich selbständig, und zwar in der Schloss-Straße in Bockenheim, das damals noch nicht eingemeindet war. Seine Chance erhielt er durch Gräfin Louise, Tochter des Hessischen Kurfürsten Wilhelm und der bürgerlichen Emilie Ortlepp. Emilie wurde später, nach dem Tod der Kurfürstin, als Gräfin Reichenbach geadelt und zweite Ehefrau des Herrschers, was den Untertanen gar nicht gefiel. Sie ist übrigens in einem Mausoleum auf dem Frankfurter Hauptfriedhof bestattet. Für deren Tochter Louise also legte Siesmayer den Goldsteinpark im Süden Frankfurts an. Vielleicht durch den Makel ihrer Herkunft besonders sensibel, gab die Gräfin dem jungen Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen ein riesiges Honorar für sein erstes großes Gartenwerk. Siesmayer konnte heiraten und geschäftlich expandieren. Später betrieb er sogar noch eine zweite Baumschule an der Main-Weser-Bahn in Bad Vilbel. Er nannte sie „Elisabethenhain“ nach seiner verstorbenen Frau, die ihm 12 Kinder geschenkt‘ hatte. Auch die Vilbeler Filiale verkaufte Bäume in viele Länder, auch sie existiert nicht mehr.
Gartenkunst im Wandel der Zeit
Für den Goldsteinpark hatte Heinrich Siesmayer durch umfangreiche Erdarbeiten das flache Gelände ‚modelliert‘, er liebte es ein wenig wellig. Auch in Rauischholzhausen wurden Berge versetzt. Drei Jahre lang schufteten über 40 Arbeiter, der Eisenmagnat Ferdinand von Stumm konnte es sich leisten, er hatte wohl durch den Krieg 1870/71 gewaltig profitiert. Die Arbeiter hoben auch einen großen Teich aus. Auf die neuen Hügel gruppierten sie mit einer Baum-Pflanzmaschine bereits erwachsene Bäume aus dem nahen Wald. „Wir arbeiteten mit 40 – 50 Leuten volle drei Jahre, da bedeutende Auf- und Ausschüttungen zu bewältigen waren und der Baumtransport aus nicht geringer Entfernung viel Zeit in Anspruch nahm“, schreibt Siesmayer in seinen Lebenserinnerungen.
Die Parkwege waren sanft gerundet und erlaubten immer neue, reizvolle Blicke über die Wiesen auf den Teich und die Gruppen exotischer und einheimischer Bäume. Ein englischer Landschaftspark par excellence also, wie ihn Siesmayer schon mit dem Kurpark Bad Nauheim beispielhaft realisiert hatte. Zu seinen Lebzeiten hatte sich das Prinzip einer naturnahen Gestaltung längst durchgesetzt. Die Gartenkünstler Sckell und Lenné waren bahnbrechend gewesen. Mit zunehmender Industrialisierung stieg die Wertschätzung der Natur. Durch ihr künstlerisches Arrangement wollte man einen arkadischen Ort der Harmonie schaffen, etwas wie einen ursprünglichen Paradiesgarten, dem man nicht anmerkte, dass er gestaltet war. Diese Sehnsucht nach einer Versöhnung von Mensch und Natur spiegelt sich auch in den Motiven der damaligen Maler wieder, Monet etwa malte seinen Garten in Giverny vielmals.
Der historisch ältere Barockgarten dagegen zeigte bewusst, dass er durch und durch gestaltet war. Geometrische und ornamentale Formen sowie eine strenge Symmetrie dominierten seine Blumenparterres, die durch Buchs von den geradlinigen Sandwegen abgesetzt waren. Wasserspiele oder Statuen waren zentrale Punkte, auf die sie sternförmig zuliefen. Sicher erkannte sich der absolutistische Schlossherr in ihnen wieder. Die strenge Ordnung des Barockgartens symbolisierte auch, dass die schiere Natur nichts galt. Erst wenn der Mensch sich als Herr über sie aufschwang und sie nach seinem Geschmack bändigte, gewann sie an Wert. Die Aufklärung und der Aufstieg des Bürgertums bedeuteten das Ende des starren Barockgartens zugunsten der offenen Formen des Landschaftsparks.
Der Zeitgeist beeinflusst also sogar die Gartenarchitektur. Bis heute gültig bleibt jedoch: Nur die Reichen können sich grüne Reiche zulegen. Denn ein Park benötigt permanente Pflege. Er gleicht dem Stein des Syssiphos, der immer neu hinaufgewälzt werden muss. Der Zeitgeist von heute kommt in Gestalt der Baumarkt-Kataloge daher. Entsprechend genormt sehen die Hausgärten aus. Umso wichtiger wird die Arbeit der Denkmalpflege in öffentlicher Hand, die die wenigen Barockgärten und englischen Landschaftsparks erhält. Das Projekt ‚Garten Rhein-Main‘ im Verbund ‚Kulturregion Frankfurt-Rhein-Main‘ kümmert sich um die historischen Grünanlagen.
Es präsentiert auch die von Barbara Vogt kuratierte Ausstellung „Heinrich Siesmayer – Gartenkünstler der Gründerzeit“. Sie wird am 6. August um 17 Uhr im Schloss Rauischholzhausen (zwischen Marburg und Amöneburg) mit einem Vortrag der Kuratorin eröffnet und läuft bis zum 4. September. Geöffnet ist sie täglich von 10 – 17 Uhr. Pausen einlegen kann man in dem herrlichen Park oder sonntags im Café des heute der Giessener Universität als Tagungshaus dienenden Schlosses.
Die Lebenserinnerungen Siesmayers können bei book on demand bezogen werden: siesmayer-ebenserinnerungen
Danke Ursula Wöll!
für deinen Beitrag über den Gartengestalter Siesmayer. Wir haben ihm tagtäglich sehr viel zu verdanken, wenn wir den Wert seiner Landschaftsgärten erkennen und nutzen. Leider besuchen nur wenige Menschen diese Paradiese inmitten oder am Rande von Steinwüsten.
Grüße von Peter Gwiasda