Hannelore Bublitz

Spiel der Eliten verspielt

Von Michael Schlag

Über das Spiel der Eliten schreibt die Soziologin Hannelore Bublitz in ihrem neuen Buch. Landbote-Autor Michael Schlag hat es gelesen und ist bitter enttäuscht.

Was für eine Enttäuschung

„Die verborgenen Codes der Erben – Über die soziale Magie und das Spiel der Eliten“. Das klingt nach spannender Lektüre, einem fesselnden und wichtigen Thema. „Gesellschaftliche Eliten funktionieren wie quasi-religiöse Zirkel,“ heißt es im Klappentext und verdeckte Praktiken sorgten „für die Sicherung ihrer Machtpositionen und das Fortbestehen sozialer Ungleichheit.“ Die Autorin Hannelore Bublitz, emeritierte Professorin für Soziologie an der Universität Paderborn „deckt diese Automatismen auf.“

Empfohlen wurde das Buch in „Andruck“, dem Magazin für Politische Literatur im Deutschlandfunk. Ich musste das Buch vorbestellen, im September war es noch gar nicht lieferbar, ich konnte es kaum erwarten.

Und dann? Was für eine Enttäuschung, das Buch ist vollkommen unlesbar. Eine nicht enden wollende Folge von verknoteten, mehrfach ineinander verschachtelten Bandwurmsätzen, die auch beim dritten Lesen keinen Sinn ergeben. Leseprobe, Seite 39 unten: „Die Annahme, dass sowohl die ökonomische Strukturlogik als auch die Subjekte in ihren Affekten und Dispositionen „wie von unsichtbarer Hand“ im sozialen Raum gelenkt sind und unbewusst strategisch handeln, indem sie Dinge ausführen, die sich in gewisser Weise „hinter dem Rücken der Subjekte“ durchsetzen, wirft ein neues Licht darauf, wie sich objektive Strukturen jenseits bewusster Planung in subjektive Praktiken – sozialer Markierung – durchsetzen.“

Muss man das verstehen, muss man das verstehen wollen – gibt es hier etwas zu verstehen? So geht das weiter, Seite für Seite, und das verärgert einen als Leser nicht nur, es macht auf die Dauer wütend. Denn egal, wo man hin greift, stets bekommt man Unleserliches zu fassen. Zum Beispiel das hier, Seite 111 oben: „Wobei dies nicht nur, wie Reckwitz annimmt, für die gesellschaftlich dominanten Subjektmodelle (des bürgerlichen Subjekts, des Angestelltensubjekts, wie auch des kreativ-unternehmerischen Selbst der Postmoderne) angenommen werden kann, sondern ebenso für die klassenspezifischen Formen der Subjektivierung gilt, auch wenn diese, aus der Perspektive des jeweils anderen, gewissermaßen als „Anti-Subjekte“ gelten“.

Wer so schreibt, verweigert seine Arbeit

WHAT? Für wen ist das geschrieben, hat das irgendeinen Sinn? Sprechen wir es doch klar und verständlich aus: Solche Sätze sind eine Unverschämtheit. Hier wird verwurztes, verknotetes Zeug aufs Papier geworfen – soll der Leser doch zusehen, wie er damit zurechtkommt. Und wer es nicht versteht, ist zu blöd, der muss sich halt mehr quälen, jeden Satz siebenmal laut lesen, bis er meint zu wissen, was hier geschrieben steht. Damit wird der Schweiß aber auf der falschen Seite vergossen. Umgekehrt ist es richtig: Wer schreibt, hat sich siebenmal dafür zu quälen, dass der Leser das Geschriebene versteht und zwar beim ersten Lesen versteht. Im idealen Fall macht das Ende eines Satzes neugierig auf den Beginn des nächsten Satzes und immer so weiter bis zum Ende des Textes. Hier aber bringt man jeden Satz nur mit Würgen zu Ende und muss sich dann zwingen, den Kampf mit dem nächsten Satz aufzunehmen.

Wer so schreibt, verweigert schlichtweg die Arbeit. Als würde ein Architekt dem Bauherrn eine Ladung Ziegel auf das Grundstück kippen und ihm sagen – sieh zu, wie Du damit zurechtkommst. Nun wäre es wäre ja tröstlich, man könnte bei dem Buch wenigstens einschlafen, aber selbst das funktioniert nicht. Denn der Text fließt nicht, hat keinen Rhythmus, klemmt und schnarrt arrogant, wie soll man dabei zur Ruhe kommen? Schließlich habe ich doch die Hälfte des Buches geschafft, ich wollte mich nicht so schnell geschlagen geben. Immer in der Überzeugung, dass ein Buch irgendwann sein Geheimnis preisgibt und wir uns verabschieden mit dem Gefühl, dass es sich doch gelohnt hat. Der Titel „Die verborgenen Codes“ macht schließlich ein großes Versprechen. Auch wollten die 27 Euro für das kleine Buch nicht ganz vergeudet sein. Waren sie aber. Also jetzt Seite 129, letzter Absatz, das liest sich so: „Es fragt sich, ob Butlers Ansatz einer Re-Artikulation des Subjekts hier anwendbar ist, wenn sie davon ausgeht, dass es immer die Möglichkeit der Reartikulation des Subjekts auf der Ebene der symbolischen Sprechakte gibt und annimmt, dass die Macht, die das Subjekt konstituiert, zwar, indem es das Subjekt erzeugt, performativ reproduziert wird, aber die Möglichkeit der – sprachlich artikulierten – Verfehlung und Verschiebung der Norm ansieht.“

Bei dem Satz kam es mir dann endlich hoch und Schluss mit der Qual. Um an diesem Buch Gefallen zu finden, muss man wohl die verborgenen Codes der Soziologie-Professoren kennen, so bestätigt sich der Titel schließlich doch noch. Wie geht es jetzt weiter mit dem Buch, ins Bücherregal damit? Dafür ist der Platz zu schade. Verschenken? Solche Feinde habe ich nicht. Nein, das Sinnvollste wird sein: 334 Gramm Paperback wandern ins Altpapier, alle Druckfarbe wird daraus entfernt, die Zellulose zu neuem Papier ausgerollt und hoffentlich mit Texten neu bedruckt, die mehr Sinn und weniger Ärger machen.

Hannelore Bublitz: Die verborgenen Codes der Erben – Über die soziale Magie und das Spiel der Eliten, 2022, transcript Verlag, Bielefeld, ISBN: 978-3-8376-6356-3, 27 Euro

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