Haiti-Hilfe

Helfer für Cité Soleil brauchen Hilfe

Von Klaus Nissen

Seit Jahrzehnten sammelt der Bürgerverein von Nidda von Paten und Spendern Geld für eine Schule und die Schulspeisung im Slum Cit´Soleil nahe Port-au-Prince. Das Geld wird im chaotischen Karibik-Staat dringend gebraucht. Das zeigt der jüngste Brief des Schulderektors. Die fällt den es den Deutschen aus Altersgründen immer schwerer, die Haiti-Hilfe abzuwickeln.

Haiti-Hilfe in Gefahr

Der Brief des Schuldirektors Georges Toussaint kommt aus einer Hölle. Unter seiner Leitung haben einst gut tausend Kinder im Slum Cité du Soleil („Sonnenstadt“) am Rande der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince das Rechnen und Schreiben gelernt. Doch seit März 2020 gibt es keinen Unterricht mehr in der Schule St. Alphonse. Nur die Schüler der höheren Klassen werden in der Filiale Fourgy am Rande des Slums unterrichtet. Es herrsche ein „totaler Niedergang in ganz Haiti“, schreibt Direktor Toussaint. Wegen der Corona-Seuche und des Staatsversagens in diesem bitterarmen karibischen Land. „In jeder Gemeinde und jedem Viertel gibt es einen Gang-Chef mit vielen schwer bewaffneten Mitgliedern“, berichtet der Lehrer. Sie plündern Menschen aus, die sich selbst nur noch mit Mühe ernähren könnten. Der Preis für einen Sack Reis sei binnen neun Monaten von 900 auf 2500 Gourdes gestiegen, das sind etwa 20 Dollar. Für fast jeden Haitianer eine kaum noch aufzutreibende Summe.

Für diese Jungs hat das Essen in der Kantine der Slum-Schule St.Alphonse noch gereicht. Foto: SOS Entfants

Was hat das alles mit Nidda zu tun? Eine Menge. In der Wetterauer Kleinstadt wird sich kurz oder lang entscheiden, ob die Schule St. Alphonse wenigstens teilweise weiterarbeiten kann. Und ob viele Kinder im Slum satt werden oder nicht. Seit 31 Jahren hat der Niddaer Bürgerverein viel Geld für die Menschen in der Cité du Soleil gesammelt. Nun bedroht das Alter dieses lebenswichtige Hilfsprojekt.

„Der Verein wird keine Zukunft haben“, gesteht der Vorsitzende Wilfried Schweitzer ein. „Haiti ist der einzige Grund, warum der Bürgerverein noch erhalten wird.“ Seit 30 Jahren kümmere er sich um die Haiti-Hilfe. „Vorige Woche habe ich gerade erst 7000 Euro überwiesen.“ Etwa 13000 Euro pro Jahr spenden die noch etwa 130 Paten aus Nidda und der Wetterau für die Schule im Slum. Für alle müsse er das Geld verwalten, verbuchen, die Spendenbelege verschicken. Und natürlich den Kontakt zur tausende Kilometer entfernten Schulgemeinde halten.

Der Bürgerverein besteht aus alten Leuten

Doch das fällt Wilfried Schweitzer zunehmend schwer. In diesem Jahr wird er 80, und die Gesundheit lässt nach. Im Bürgerverein gebe es niemanden, der das Hilfsprojekt für Haiti weiter koordinieren könnte. Die Mitglieder sind durchweg über 70 Jahre alt, viele auch über 80. „Wir haben der Jugend nichts anzubieten“, sagt Schweitzer resignierend.

Die etwas älteren Kinder werden in einer Außenstelle der Schule unterrichtet. Direkt im Slum ist es wegen der bewaffneten Banden zu gefährlich. Foto: Denis Puthiot

Der weder auf Facebook noch im Internet präsente Verein bildete sich 1979, als eine Gruppe von Niddaern darauf drang, ein Heimatmuseum einzurichten. Das gelang auch – doch seitdem kümmert sich der Museumsverein für die Räume an der Raun. Der Bürgerverein organisierte fortan Sportangebote, Stadtführungen, zuletzt auch Gruppenreisen in touristisch interessante Städte. Doch das ist vorbei, seit das Corona-Virus Reisen gefährlich macht. Selbst die Jahreshauptversammlung habe man heuer absagen müssen, beklagt der 79-jährige Vorsitzende. So lange er noch kann, kümmert sich Wilfried Schweitzer um die hungrigen Haitianer. „Aber ich würde mich freuen, wenn ich Nachfolger fände, die mir die Arbeit abnehmen.“

Der Bauunternehmer Henning Lupp stieß das Projekt an

Das Hilfsprojekt ist durch einen Zufall entstanden. 1989 betreute Henning Lupp für das Niddaer Bauunternehmens seiner Familie eine Baustelle auf Haiti. Da traf er den katholischen Pater Denis Puthiot, der in der Cité Soleil unter widrigsten Bedingungen eine Schule betrieb. Der in Nidda und Umgebung gut vernetzte Hennig Lupp trieb Spendengelder auf, die er zunächst persönlich zur Schule brachte.

Später übernahm der Bürgerverein das Projekt – Henning Lupp ist vor Jahren gestorben. Gemeinsam mit der französischen Hilfsorganisation „SOS Enfants“ (www.sosenfants.fr) finanzieren die Niddaer seitdem den Schulbau, die Einrichtung, die Gehälter der Lehrkräfte und vor allem das tägliche Mittagessen für die Kinder. Nachdem ein Erdbeben 2010 das Schulgebäude zerstörte, sammelte allein der Bürgerverein 31 000 Euro für den Wiederaufbau.

Die Zahl der Paten bröckelt ab

Eine intensive Spender-Werbung bekommen Schweitzer und seine Mitstreiter vom Bürgerverein nicht mehr hin. So bröckelte über die Jahre die Zahl der regelmäßigen Geldgeber von 286 auf jetzt etwa 130 ab. Die geben jeweils immer noch 70 Euro und mehr für Haiti. Notwendig wären offensichtlich noch viel mehr Geldgeber. Man wolle die Hoffnung nicht aufgeben, schrieb Direktor Toussaint zuletzt nach Nidda. Seit August besuchen 246 Sekundarschüler aus der Cité Soleil die etwas sicherere Filialschule in Fourgy. Doch die Fahrten im Sammeltaxi seien für sie sehr gefährlich und teuer. Immer wieder fehlten einzelne Schüler. Und für die jüngeren Kinder gebe es schon seit dem März keinerlei Unterricht und oft auch kein Essen. Am 9. November wolle man versuchen, für alle Schulkinder den Unterricht wieder anzubieten. Hoffnung gibt dem Schuldirektor das Gerücht, ein amerikanischer „Pater Tom“ habe mit den Bandenführern in der Cité du Soleil ein Abkommen geschlossen, damit die Kinder wieder sicher zur Schule gehen können. Doch wirklich sicher ist momentan für sie nur die Hilfe aus Nidda. Noch.

Bürgerverein der Großgemeinde Nidda e.V., Am Kisselberg 47, 63667 Nidda, Telefon 06043-1485

Spendenkonto bei der VR Bank Main-Kinzig-Büdingen,

IBAN: DE76 5066 1639 0007 0301 34

Bic: GENODEF1LSR

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