Viele Opfer schweigen aus Angst
Häusliche Gewalt zieht sich quer durch die Gesellschaft, ist kein Problem eines bestimmten Millieus. Das zeigt die Foto-Ausstellung „Häusliche Gewalt – Fotografie macht Unsichtbares wahrnehmbar“, die bis zum 23. März in Gießen zu sehen ist.
Häusliche Gewalt – überall in der Gesellschaft
Der Kreisausschuss des Landkreises hat die Wanderausstellung nach Gießen geholt. „Der Kreisausschuss will mit diesen Ausstellungen auch Stellung zu aktuellen Themen beziehen“, erläuterte Anita Schneider. Häusliche Gewalt sei auch nicht das Thema eines bestimmten Milieus: „Sie findet überall in unserer Gesellschaft statt, zwei Drittel davon alleine in Haushalten mit mittlerem und gehobenem Einkommen.“ Die Motive für häusliche Gewalt seien vielfältig: im beruflichen Wiedereinstieg und Erfolg von Frauen, gravierenden Veränderungen in der Partnerschaft wie Schwangerschaft oder der Geburt eines Kindes oder auch Trennungsabsichten. „Wir müssen hinhören und hinsehen – auch und gerade dort, wo wir keine häusliche Gewalt vermuten.“ Wichtig sei es, nicht die Augen zu verschließen.
An den Riversplatz geholt hat die Ausstellung die Kreisfrauenbeauftragte Angelika Kämmler. Sie ist das Ergebnis eines Projektes der Fachhochschule Hannover, Studiengang Fotojournalismus, in Zusammenarbeit mit dem „Verbund der Beratungs- und Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt“ in der Region Hannover.
Opferschutz berbessert
Ein weiterer Vernissage-Redner war Stefan Jilg. Der Erste Polizeihauptkommissar arbeitet als Leiter des Stabsbereichs Prävention am Polizeipräsidium Mittelhessen und hat häufig mit dem Thema häusliche Gewalt zu tun. Er unterstrich, die Ausstellung rege dazu an, sich darüber Gedanken zu machen, warum die polizeilichen Statistik etwas ganz anderes enthielten, als das, was täglich passiere. „Häusliche Gewalt macht oft sprachlos, weil sie von einem Menschen ausgeht, dem wir emotional vertrauen und das in einem Umfeld, das wir als Schonraum sehen.“ Der Sammelbegriff enthalte sowohl leichte Körperverletzungen bis zu Tötungsdelikten.
Bis Mai 2013 hatte die Polizei keine Handhabe, wenn sie zu einem häuslichen Konflikt hinzugerufen worden war. Denn: Betroffene schweigen oft. Es sei einfach ein großer Schritt, bis Opfer sagen können: „Ich schlage einen neuen Weg ein.“ Das Gesetz zur Stärkung der Täterverantwortung enthält für die Beamten seitdem eine Anzeigepflicht, wenn sie auf häusliche Gewalt treffen. Das heißt: Nicht das Opfer muss aktiv werden und Anzeige stellen, sondern die Polizei wird es.
Ratsuchende können sich an das Hilfetelefon 08000116016 wenden oder an Beratungsstellen, die mit dem Arbeitskreis „Frauen gegen Gewalt im Landkreis Gießen“ kooperieren. Nähere Informationen sind bei der Kreis-Frauenbeauftragten Angelika Kämmler erhältlich, Telefon: 0641 9390-1490, E-Mail: angelika.kämmler@lkgi.de. Sie hat auch ein Faltblatt erstellt, das über Formen häuslicher Gewalt informiert und Hilfestellung für Betroffene bietet. Es liegt in der Ausstellung bereit.
Die Foto-Ausstellung „Häusliche Gewalt – Fotografie macht Unsichtbares wahrnehmbar“ ist bis 23. März jeweils Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr sowie Freitag von 8 bis 14 Uhr am Riversplatz, Gebäude F in Gießen geöffnet.