Gegen Flächenfraß

Vorhandenen Wohnraum nutzen

Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen ohne den Flächenfraß weiter voranzutreiben – wie das zu schaffen ist, damit hat sich das Nachhaltigkeitsbündnis „Wetterau im Wandel“ befasst. Statt neue zu bauen sollten vorhandene Häuser besser genutzt werden, schlägt das Bündnis vor.

Seit über zehn Jahren setzt sich „Wetterau im Wandel“ für eine nachhaltige sozioökologische Entwicklung ein. Dem Netzwerk gehören Initiativen und Verein aus dem Umwelt- und Naturschutz und die Evangelische Kirche an. „Der Flächenverbrauch schreitet in Deutschland weiter fort – derzeit um 92 Quadratkilometer pro Jahr. Das ist etwas mehr als ein Hektar pro Stunde oder 175 Quadratmeter pro Minute“, schreibt das Netzwerk in einer Pressemitteilung. Wertvoller Ackerboden gehe unwiederbringlich verloren. Natur- und Artenverlust seien die Folge. Durch die Flächenversiegelung werde die Grundwasserbildung reduziert, aber auch die Gefahr von Überschwemmungen bei Starkregen nehme zu.

Wohnungsbau belastet Klima

Dass bezahlbarer Wohnraum fehle, habe verschiedene Ursachen. „Zum einen ist der Wohnflächenbedarf pro Person in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, was auch einen wesentlichen Treiber der Klimaproblematik in Deutschland darstellt, da dieser umbaute Wohnraum im Winter geheizt und im Sommer zum Teil gekühlt werden muss“, erklärt „Wetterau im Wandel“. Die Wohnungs-Problematik sei sehr stark auf die Ballungszentren konzentriert. Durch eine unzureichende Strukturpolitik würden dort Arbeitsplätze wie mit einem Staubsauger angezogen. Dadurch entstehe dort die Wohnraumproblematik während anderswo ganze Landstriche verödeten. In den Ballungszentren fehle Wohnungen und die Mieten stiegen. Viele Mieter kämen an die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit. Auch die massiv gestiegenen Baupreise trügen erheblich zur Problematik bei. „Den Wohnungsmarkt allein als einen Markt im klassischen Sinne zu sehen, in dem sich Angebot und Nachfrage schon irgendwie, irgendwann ausgleichen, missachtet die Betroffenen in ihrem Menschenrecht auf Wohnen“, stellt das Netzwerk fest.

Die mit Abstand am meisten favorisierte, scheinbar einfache Lösung sei zurzeit der flächenverbrauchende Neubau in Form von Einfamilienhäusern auf grüner Wiese, ohne dass dabei ausreichend bezahlbare Wohnungen im Sinne eines sozialen Wohnungsbaus entstünden. Diese Vorgehensweise werde „auch oft durch Bürgermeisterstolz auf die wachsende Gemeindegröße gefördert“. Aber der Flächenverbrauch werde gerade dadurch massiv angetrieben. „Vor durchaus sinnvollen innerstädtischen Verdichtungen schreckt man dagegen oft aufgrund von Protesten der Anwohner zurück“, beklagt das Netzwerk. Deshalb müsse dringend über Alternativen nachgedacht werden.

Arbeitsplätze in strukturschwache Gebiete

Zunächst sei auch im Klima-Sinne zur Senkung der Kohlendioxid-Belastung jede sinnvolle Renovierung einem Neubau vorzuziehen. Hierbei könne oft durch Ausbau, Aufstockung oder Umstrukturierung noch zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Es müsse ferner eine viel intensivere und nachhaltigere bundesweite Struktur-Politik in dem Sinne betrieben werden, dass Arbeitsplätze (und mit ihnen die Menschen) nicht mehr in Richtung der Ballungsräume wandern, sondern in Richtung strukturschwacher Gebiete, wo es heute schon massive Wohnungs-Leerstände und Verödung des öffentlichen Lebens gebe. Bei Gelingen sei es zum Vorteil sowohl der Ballungsräume durch Entspannung des Mietmarktes als auch zum Vorteil der strukturschwachen Regionen durch deren Belebung. „Die Förderung dieser Entwicklung ist jetzt umso aussichtsreicher, als durch Corona viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine sinnvolle Nutzung des Home-Office gelernt haben. Das heißt auch Firmen-Arbeitsplätze und Wohnort können mehr und mehr entkoppelt werden, auch unter Verminderung klimaschädlicher Mobilität“, meint das Netzwerk.

„Konkret und kurzfristig“ müsse der Wohnungsnot auch durch eine fühlbare Leerstandabgabe begegnet werden, um Wohneinheiten schneller an die Nutzer zu bringen oder mit dem erhaltenen Geld Maßnahmen zur Verminderung der Wohnungsnot zu fördern, begleitet von einem Zugriffsrecht der Kommunen. Oft würden ältere Menschen teilweise allein in ihren inzwischen viel zu groß gewordenen Häusern verbleiben. Das Netzwerk schlägt vor, einen „intelligenten Tausch Haus gegen kleinere Wohnung“ zu fördern, um gerade jungen Familien schnell zu geeignetem Wohnraum zu verhelfen. Ergänzend sollten die Kommunen Wohnraummanager beschäftigen, deren Aufgabe es ist, auf Immobilienbesitzer zuzugehen, die einer Vermietung skeptisch gegenüberstehen oder mit der Immobilie insgesamt überfordert sind. Ergänzend sollten kleine, bezahlbare Seniorenwohnungen auch im dörflichen Bereich erstellt werden. Die Auswüchse exorbitanter Mieten in den Ballungsräumen müssten gesetzlich begrenzt werden, um nicht weite Teile der Bevölkerung in die Armut abrutschen zu lassen.

Titelbild: Unser Archivbild zeigt die Baustelle des Amazon-Lagers bei Echzell.

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