Gefahr für die Demokratie
Stürzen Fake-News und gezielte Falschinformationen unsere europäischen Demokratien in eine Krise? Diese Frage ist ganz sicher nicht leicht zu beantworten. Mit den Experten Markus Knauff, Professor für Psychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, und Andreas Christ vom Rednerdienst der Europäischen Kommission lieferte das Europe-Direct-Informationszentrum (EDIC) Gießen Hinweise, Anregungen und Konzepte, wie moderne Gesellschaften mit irreführenden und einseitiger Meinungsmache umgehen können.Gezielte Desinformation ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt“, stellte Professor Knauff fest, wie die Pressestelle des Regierungspräsidiums (RP) Gießen in einer Zusammenfassung des Gesprächs berichtet. Um sich eine differenzierte Meinung zu bilden, muss man sich die Qualität einer Quelle klar werden. Fake-News, Desinformationen und Verschwörungstheorien sind schnell verbreitet und dann nur noch schwer zu begegnen.
Gerade im politischen Diskurs ziehen sich die Verbreiter dieser Desinformationen auf die gesellschaftlich versicherte und demokratisch fest verankerte Meinungsfreiheit zurück. „Gerade deswegen ist es besonders wichtig, Quellen zu überprüfen. Oft reicht es schon, wenn man ein und dieselbe Nachricht auf zwei unterschiedlichen Kanälen liest und ein wenig Zeit investiert, über das Gelesene oder Gehörte nachzudenken“, betont dabei Bildungsprojektierer Christ. „Die EU macht sehr viel, um gerade jetzt in der Corona-Pandemie überprüfte Informationen zur Verfügung zu stellen.“
Thema Russland erörtert
In den Fokus des europapolitischen Handelns sei der Kampf gegen Desinformationen vor allem nach der Krim-Krise 2014 geraten. Besondere Aktualität erfährt das Thema in der aktuellen Corona-Pandemie. „Russland hat seinerzeit in der Ukraine gezielt Informationen verbreitet, um innerhalb der dortigen Gesellschaft Destabilisation zu betreiben. Wir sehen das bis heute. Gerade im Vorfeld von Wahlen werden gezielt auch durch staatliche Akteure Täuschungen und Mythen verbreitet, die hinterher das Wahlergebnis beeinflussen können. Gleiches gilt auch für den globalen, speziell aber auch den europäischen Kampf gegen das Coronavirus.“
Warum verbreiten sich Fake News schnell?
Dass sich Fake News und Verschwörungsmythen schnell verbreiten, habe auch mit den großen Digitalkonzernen zu tun, sagte Knauff: „Bullshit bringt mehr Klicks und Geld als seriöse Information.“ Dem stimmte auch der Bildungsprojektierer Christ zu. Knauff stellte aber auch fest: „Oft macht unser Gehirn Fehler beim Denken, wenn wir uns der Anfälligkeit für Fehlinformation nicht bewusst sind. Der Rückschaufehler passiert beispielsweise, wenn wir uns sofort denken, dass man es vorher schon gewusst habe.“ Denn ohne, dass wir es merken, wird das vorherige Wissen durch neue Behauptungen oder Nachrichten verändert.
Oft ist die Korrektur schwer
„Man glaubt dann, man hat vorher schon richtig gelegen. Die neue Nachricht wird dann schnell geteilt und verbreitet.“ Gerade so entstünden Verschwörungstheorien, die sich dann über Social-Media-Kanäle schnell verbreiteten. „Ist man in seiner Argumentation erst einmal falsch abgebogen, ist eine Korrektur oft schwer. Denn Informationen werden hochgradig selektiv verarbeitet, sodass individuelle Überzeugungen unbewusst beibehalten werden. Wir suchen dann nach Informationen, die unsere Auffassung bestätigen.“ Dem könne man nur begegnen, wenn man auch Informationen aus Quellen benutzt, die andere Auffassungen vertreten, ist sich Knauff sicher. „Vermeiden Sie meinungslastige Foren oder Newsgroups, Blogs und dergleichen, die ohnehin nur Ihre eigenen Gedanken wiedergeben.“
Schmaler Grat
Damit aus diesen kognitiven Fehlern keine politisch gesellschaftlichen entstehen, ist Bildung der entscheidende Schlüssel, da sind sich die beiden Experten einig. „Es ist ein wirklich schmaler Grat zwischen Meinungsfreiheit und der Begegnung gezielter Desinformationskampagnen“, sagte Andreas Christ. „Das kann politisch nicht gelöst werden. Menschen müssen in die Lage versetzt werden, Fakten und kritische Diskussionen zu erkennen, damit sie das umsetzen können. Die EU darf die Grundrechte nicht tangieren. Sie muss darum transparent und nachvollziehbar handeln.“ Professor Knauff unterstützt diesen Ansatz: „Wir alle müssen gebildet mit Informationen umgehen. Wir benötigen nicht nur Medienbildung. Wir benötigen gebildete Menschen, mit einem breiten Allgemeinwissen, die kritisch und reflektiert denken können. Das ist der beste Schutz gegen Fake News und gezielte Desinformation.“
Titelbild: Mit dem Thema „Fake News“ beschäftigten sich Andreas Christ (links) und Prof. Markus Knauff (Mitte). (Fotos: RP Gießen)