Europawahl

„Nicht alle, die AfD wählen, sind Nazis“

Von Klaus Nissen

Am 6. Juni 2024 wird das nächste Europaparlament gewählt. Schon im Januar begann der Wahlkampf. In den nächsten Monaten werden die Kandidaten der Parteien vermehrt in den Wahlkreisen auftreten. In Nidda zeigte sich der Christdemokrat Sven Simon. Er sprach über Migration, Militär und Kernfusion.

Sechs Hessen im Europaparlament

Sechs Abgeordnete vertreten im Parlament der Europäischen Union momentan die 6,4 Millionen Hessen. Zwei davon stellt die CDU: den 45-jährigen Mittelhessen Sven Simon und den 63-jährigen Michael Gabler aus Hattersheim im Main-Taunus-Kreis. Simon ließ am Sonntag in Nidda erkennen, dass er am 6. Juni erneut ins EU-Parlament gewählt werden will. Der Listenparteitag der hessischen CDU findet am 3. Februar 2024 in Fulda statt.




Nicht alle AfD-Wähler sind Nazis, meint Sven Simon. Der christdemokratische Kandidat fürs Europaparlament rät jedoch dringend von der Stimmabgabe für die AfD ab. Foto: Nissen

Die hessische SPD sandte 2019 den jetzt 67-jährigen Gießener Udo Bullmann nach Brüssel. Er ist seit 1999 Abgeordneter und ließ sich vom SPD-Bezirk Südhessen erneut zum Spitzenkandidaten küren. Konkurrenz macht ihm die von der nordhessischen SPD nominierte Martina Werner aus Niestetal. Die Sonderfachdienstleiterin im Beteiligungsmanagement des Kreises Kassel war schon von 2014 bis 2019 Europa-Abgeordnete.

Ein Grüner, ein Freier Wähler, ein Sozialdemokrat

Für die Grünen ist seit 2009 der Landwirt Martin Häusling aus Bad Zwesten im Europaparlament aktiv. Der 62-jährige strebt eine weitere Amtszeit an und steht auf dem aussichtsreichen Platz 6 der Kandidatenliste seiner Partei.

Auch der EU-Abgeordnete Engin Eroglu aus Schwalmstadt war einst Grüner. Der jetzt 42-Jährige wechselte aber 2012 zu den Freien Wählern und ist seit 2019 deren Vertreter in Brüssel.

Udo Bullmann aus Gießen ist schon seit einem Vierteljahrhundert SPD-Europaabgeordneter in Brüssel. Der 67-Jährige will fünf weitere Jahre dranhängen. Foto: SPD

Für die hessische AfD ist die 55-jährige Christine Anderson aus Fulda im EU-Parlament. Bei der Wahl am 9. Juni steht sie auf dem aussichtsreichen Listenplatz 4 ihrer Partei.

Wer gewählt werden will, kann die Kandidatur noch bis zum 18. März beim Wahlleiter einreichen. Da es für Brüssel keine fünf-Prozent-Hürde gibt, reichten bisher etwa 250 000 Stimmen für den Einzug ins Parlament aus. Deutschland stellt 96 der 720 Abgeordneten. Jeder von ihnen bekommt monatlich brutto 10 075 Euro ausgezahlt. Zusätzlich gibt es 4950 Euro für die Bürokosten und ein 350 Euro Tagegeld an Sitzungstagen in Brüssel oder Straßburg.

Ernst dreinschauend, mit verschränkten Armen lauschten viele der meist älteren Gäste am 28. Januar 2024 beim Neujahrsempfang der CDU Nidda dem Hauptredner Sven Simon. Unbekümmert wirkten nur die beiden im Saal spielenden Enkelsöhne der CDU-Kreisvorsitzenden und früheren Landesministerin Lucia Puttrich. Sven Simon unkte: „Ein Fortbestand der Demokratie, wie wir sie kennen, ist keineswegs gesichert.“

Grüne sind für Simon nervige Regelsetzer

Der Vormarsch von Populisten und falsche oder Nicht-Entscheidungen der Ampelregierung seien gefährlich. Vor allem die Grünen. Deren „missionarischer Eifer, mit dem allen Regeln aufgedrückt werden, was sie essen sollen, das geht den Menschen auf die Nerven.“ Wenn dann mehr Bürger die AfD wählten, „sind die nicht alle Nazis geworden.“

Gleichwohl hält Sven Simon die AfD für ein Übel. Denn „wer aus der Europäischen Union und der NATO austreten will, der verrät die deutschen Interessen. Die EU ist das Beste, das den Europäern je gelang.“


Mit ernsten Mienen lauschte das Publikum den Reden beim Neujahrsempfang der Niddaer CDU. Foto: Nissen

Wie die EU funktioniert, ist schwer zu erklären. Helfen kann dabei die amüsante Serie „Parlament“, die in der Arte-Mediathek zu finden ist. Oder man vertraut Sven Simon. Der aus Wetzlar stammende 45-Jährige ist Professor vor EU- und Völkerrecht an der Uni Marburg. Für seine Arbeit heimste er bisher acht Preise ein. Der höfliche Mann mit dem perfekt sitzenden Anzug, der Hornbrille und dem Seitenscheitel im noch vollen braunen Haar engagierte sich auch kommunal, zuerst in der Gemeinde Buseck und dann im Gießener Kreistag. 2019 kam er ins EU-Parlament, wo er jetzt im Ausschuss für Internationalen Handel das Assoziierungsabkommen der Europäer mit den Mercosur-Ländern in Südamerika verantwortet.

Migranten will Simon an den EU-Außengrenzen stoppen

Simon will noch mehr erreichen. Unsinnige EU-Zuschüsse streichen, wie etwa die 20 Millionen für den Radwegebau in Peru. Alle, die kein politisches Asyl verdienen, an den EU-Außengrenzen abweisen. Kontrollen an den Binnengrenzen schadeten der Wirtschaft enorm, so der Politiker.

Mit den wütenden Bauern teilt Simon auch deren Lyrik. Er reimte: „Ist der Landwirt ruiniert, wird klimaschädlich importiert.“ Die Ernährungssicherheit Europas koste nun mal Geld. Es brauche einheitliche, langfristige Regeln für alle Bauern in der EU. In Luxemburg und Belgien werde keine Steuer auf Agradiesel erhoben. „Und wenn die Politik alle fünf Jahre neue Regeln erfindet, ist die Landwirtschaft nicht mehr möglich.“

„Kernenergie.., so lange uns nichts Besseres einfällt“

Den Klimawandel leugnet Simon nicht. „Es gibt ein CO2-Problem“, sagte er in Nidda. Die Abgaben auf das Klima-Gas müssten steigen. Doch woher kommt klimaneutrale Energie? Die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke sei „einfach nur dumm“. Seitdem steige die Kohle-Verstromung und der Import klimaschädlichen Frackinggases aus den USA. Man müsse in Wasserstofftechnik investieren und die Kernfusionsforschung ausbauen. „Die Kernenergie brauchen wir weiter als Brückentechnologie, so lange uns nichts Besseres einfällt.“

Genau wie die europäische Energie-Union findet Sven Simon eine Militär-Union sinnvoll. Man müsse vorsorgen für den Fall, dass Donald Trump den atomaren Schutzschild über Europa abschaltet. „Wir geben fünfmal so viel Geld wie Russland für unser Militär aus und sind trotzdem nicht verteidigungsfähig.“ Das ändere sich, wenn die EU ihre 130 parallelen Hauptwaffensysteme vereinheitliche. Die USA brauchten nur 28.

Ein Gedanke zu „Europawahl“

  1. Auch hier nur populistisches Ampel-Bashing von Herrn Simon, anstatt endlich einmal die Verfehlungen, der Politik der letzten Jahrzehnte einzugestehen. Mit dieser Art von Populismus und auch Fake-News (Fahrradwege in Peru stammen von einem CSU Minister) wird die AfD noch größer gemacht!
    Es ist nur noch traurig .

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