Holocaust überlebt und ungebeugt
von Jörg-Peter Schmidt
„Ich fürchte mich vor nichts und niemanden“. Diese starken Worte spricht Emmie Arbel. Sie hat mehrere Konzentrationslager, darunter Ravensbrück und Bergen-Belsen, überlebt. Barbara Yelin hat den Lebensweg der 86-jährigen ungebeugten Frau in einer Graphic Novel aufgezeichnet, die sie in Gießen vorstellte.Emmie öffnete sich nach und nach
Die Illustratorin berichtete in der Veranstaltung des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) in der Alten Unibibliothek, wie sie nach und nach Freundschaft mit der gebürtigen Niederländerin, deren körperliche und seelische Wunden trotz ihrer Tapferkeit niemals verheilt sind, geschlossen hat. Emmie Arbel – zunächst skeptisch – öffnete sich und begann beim Besuch von Barbara Yelin in ihrem Haus in Israel zu erzählen, was die Nationalsozialisten ihrer Familie angetan haben.
Dieses Schicksal beschreibt die Autorin in dem Band „Aber ich lebe“ (C.H. Beck-Verlag), in dem sie im Rahmen eines Projektes zusammen mit Miriam Libicki und Gilad Seliktar in Texten und Bildern schildert, wie vier Kinder (Emmie Arbel, David Schaffer, Nico Kamp undf Rolf Kamp) den Holocaust überlebt haben. Barbara Yelin gehört zu dieser Zeichner-Gruppe und hat mit Emmie Arbel darüber gesprochen, ob sie deren Leben in einer zweiten Graphic Novel weiter beschreiben darf und hat von ihr dazu die Erlaubnis erhalten. „Die Farbe der Erinnerung“ heißt das im November 2023 beim Reprodukt-Verlag erscheinende Buch.
Überleben als Kinder im Lager
Die Zeichnerin projizierte in der einfühlsam von Janika Frei und Prof. Thomas Möbius (Institut für Germanistik) moderierten Veranstaltung Zeichnungen aus beiden Bänden und rezitierte aus den Bildunterschriften. Was Emmie durchlitten hat, geht beispielweise aus folgenden Zeichnungen hervor: Emmies Mutter bricht im KZ zusammen. Die Holocaust-Überlebende erinnert sich (im Bildtext festgehalten): „Weißt du, sogar als Kind lernt man schnell, wie man überlebt. Ich wusste, ich musste stehen bleiben. Ich durfte mich nicht rühren. Ich wusste, wenn ich zu ihr gehe, erschießen sie mich.“ Die Tochter geht bis heute davon aus, dass ihre Mutter im Lager ihr und ihrem Bruder Rudi das Essen gegeben hat, das ihr zustand. Emmie und ihre beiden Brüder haben die Haft in den verschiedenen Lagern überlebt, ihre Eltern und Großeltern nicht (der ältere Bruder Menachem überstand die Gräuel im KZ Ravensbrück, war von der Mutter und den Geschwistern getrennt, die in dieser Zeit ins KZ Bergen-Belsen gebracht worden waren).
„Verbreitet das Gute in der Welt“
Nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern fanden die drei Geschwister wieder zusammen. Emmies Weg führte über mehrere Länder schließlich nach Israel, wo sie als Verwaltungsleiterin in einer großen Psychiatrischen Klinik arbeitete. Sie hat drei Töchter geboren, von denen Tammi 2005 gestorben ist. Emmie hat geheiratet. Allerdings kam es zur Trennung. Die 86-Jährige hat im Laufe der Jahre ihre Meinung geändert, über ihr Schicksal zu schweigen. Heute berichtet sie darüber. Mit dem Ruhestand begann sie verstärkt, sich um hilfsbedürftigen Menschen zu kümmern. Im Buch „Aber ich lebe“ richtet sie eine Botschaft vornehmlich an die jüngere Generation: „Akzeptiert Menschen, die anders sind. Und verbreitet das Gute in der Welt, nicht das Schlechte.“
Freundschaft hat sich entwickelt
Barbara Yelin und Emmie Arbel, die zurzeit in Deutschland lebt, sehen sich immer wieder. Die Arbeit zu den Graphic Novels hat, wie bereits erwähnt, zu einer Freundschaft geführt. Dr. Anika Binsch (Geschäftsführerin des Literarischen Zentrums) dankte unter langem Applaus des Publikums der Referentin für ihren Vortrag in der Gemeinschaftsveranstaltung des LZG zusammen mit dem Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung.
„Aber ich lebe“ ist im Verlag C.H. Beck erschienen und kostet 25 Euro.
„Die Farbe der Erinnerung“ erscheint im November 2023 im Reprodukt Verlag und kostet 29 Euro.
Titelbild: Barbara Yelin schilderte den Lebens- und Leidensweg von Emmie Arbel (Fotos: Jörg-Peter Schmidt)