Domäne Konradsdorf

Neue Pächter im uralten Hofgut

Von Klaus Nissen

Die tausendjährige Geschichte des Klosters Konradsdorf geht in ein neues Kapitel: Das Land Hessen lässt den 30 Jahre alten Pachtvertrag mit der Bauernfamilie Keller auslaufen. Ab 1. Juli 2023 soll ein Landwirt aus Büches den bislang größten Biohof der Wetterau übernehmen. Das hat auch Folgen für die große Rinderherde der Kellers – und für den beliebten „Kleeblatt“-Hofladen.

Familie Keller muss großen Biohof aufgeben

„Der Helmut war ein Schaffer“, sagt einer, der ihn gut kennt. Er redet in der Vergangenheitsform – denn der langjährige Pächter der Staatsdomäne Konradsdorf ist inzwischen 66 Jahre alt. Und Leute im Rentenalter bekommen keine neuen Pachtverträge, die über 18 Jahre laufen.

Klarissa, Klara und Cody (von links) beäugen den Fotografen. Sie gehören zu den etzten Kälber in der großen Herde – die bald aufgelöst werden muss. Foto: Nissen

Der aus Grünberg stammende Landwirt Helmut Keller hat schon in den frühen Neunzigerjahren verstanden, dass dem Biolandbau die Zukunft gehört. Als er damals den Zuschlag für das Hofgut Konradsdorf bekam, stellte er die 68 Hektar Ackerland und die 47 Hektar Weidefläche gleich auf ökologische Bewirtschaftung um. Zusammen mit seinem eigenen Landbesitz und gepachteten Äckern betreibt Familie Keller nun einen gut 300 Hektar umfassenden Biolandhof – den größten in der ganzen Wetterau.

Hessen fordert für eigenes Land keinen Bio-Standard

Aber wohl nicht mehr lange. Schon im Februar 2022 stand im Branchenblatt „Hessenbauer“ die Ausschreibung für die Domäne Konradsdorf. Zum 1. Juli 2023 suchte die Hessische Landgesellschaft neue Pächter für das große Areal zwischen Selters, Effolderbach und Ranstadt. Der Vertrag schreibt keine ökologische Bewirtschaftung vor.

Das verwundert, weil das Land Hessen mit seiner schwarz-grünen Regierung ausdrücklich den Bio-Landbau gutheißt und auch viel Geld dafür ausgibt – beispielsweise seit 2015 mit Zuschussen für die „Modellregion Ökolandbau“ im Wetteraukreis. „Wir fänden es skandalös“, meint der Ortenberger Grünen-Fraktionschef und Nabu-Vorsitzende Dietmar Wäß, „wenn Konradsdorf plötzlich konventionell bewirtschaftet würde.“

Ganz hinten im Wohnhaus auf dem Hofgelände liegt hinter einer unscheinbaren Tür der gut sortierte Bioladen „Kleeblatt“. Er wird wahrscheinlich auch nach dem Pächterwechsel in Betrieb bleiben.

Bisher gab es nur gelegentlich eine Rück-Umstellung auf konventionelle Landwirtschaft in der Wetterau, sagt die Modellregion-Geschäftsführerin Claudia Zohner auf Anfrage. Die Zahl der Biohöfe sei inzwischen auf 72 gewachsen – auf gut ein Zehntel aller landwirtschaftlichen Betriebe im Kreis. Belohnt wird das mit zusätzlichen EU-Direktzahlungen von 260 Euro für jeden Hektar Bio-Acker und 190 Euro für Öko-Grünland.

Die Pressestelle der grünen Umweltministerin Priska Hinz kann nicht recht erklären, warum das Land Hessen von den Pächtern seiner eigenen 43 Domänen auf 7600 Hektar keinen Biolandbau verlangt. Das verbiete sich aus Datenschutzgründen und Gleichbehandlungs-Grundsätzen, heißt es auf Anfrage. Die Regierung messe der ökologischen Landwirtschaft eine hohe Bedeutung bei. Doch wichtig seien auch die Pachthöhe, die Kapitalausstattung und die Qualifikation der jeweiligen Pächter.

Neuer Pächter mit 518 Hektar Land

Was wird denn nun aus Konradsdorf? Er habe den Zuschlag für die Domäne bekommen, teilt Peter Michael Karpf auf Anfrage mit. Der 41-Jährige ist bisher und auch weiterhin Pächter des Erbacher Hofes links der Straße zwischen Büdingen und Büches. Dort hat er nicht weniger als 400 Hektar unter dem Pflug. Die zusätzlichen 118 Hektar bei Konradsdorf will er gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester Stefanie bewirtschaften, die in Orleshausen unter dem Namen „Feldfrüchte Karpf“ Hühnereier, Brotaufstriche und im Sommer selbst angebaute Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren verkauft.

Am Erbacher Hof betreibt Familie Karpf weiter konventionelle Landwirtschaft. In Konradsdorf werde man aber weiter nach Bio-Regeln ackern, verspricht der neue Pächter. Er lasse sich dabei von seiner älteren Schwester beraten, die im bayrischen Bad Tölz selber einen Biohof betreibe.

Ein Sofa aus Uromas Zeiten und gepolsterte Oma-Stühle zieren das kleinen Café Kleeblatt auf dem Gutshof. Es ist in Pausen ein Refugium für die Schüler der nahen Gesamtschule Foto: Nissen

Und das Rindvieh? Helmut Keller und seine Lebensgefährtin Silvia Nicht hüten in Konradsdorf noch rund 300 Milchkühe, Fleischrinder und Kälber. Der neue Pächter hat in Büches kein Vieh. „Wir bauen in Konradsdorf eine Herde mit Mutterkühen auf“, sagt Peter Michael Karpf nun. Sie wird aber viel kleiner sein als die jetzige. Die staatseigenen 46 Hektar Grünland am Nidderufer jenseits der Salzwiesen von Selters können etwa 50 Rinder ernähren. Das Land dort darf nicht zum Acker umgewandelt werden, weiß Dietmar Wäß. Der neue Pächter braucht die Rinder ohnehin, weil er ihre Ausscheidungen zum Düngen der nach Bio-Kriterien bewirtschafteten Äcker nutzen muss. In dieser Woche will Peter Michael Karpf mit Familie Keller klären, welches lebende und tote Inventar er für wie viel Geld von den bisherigen Pächtern übernimmt.

Zum Inventar gehört auch der Café-Hofladen „Kleeblatt“, den Helmut Kellers Schwiegertochter Sabine Görnert 2015 mit Zuschüssen aus dem europäischen LEADER-Programm eröffnete. Görnert und ihr Mann, der eigentlich als Konradsdorfer Nachfolger gehandelte Tim Keller, haben ein neues Hofprojekt in Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Der „Kleeblatt“-Bioladen wird nun von Silvia Nicht verwaltet. Was wird daraus?

Der Hofladen soll bleiben

„Wir wollen den Laden weiter betreiben“, sagt Peter Michael Karpf. Die alten Sandsteingebäude des Hofguts will er nicht mehr für die Landwirtschaft nutzen – nur den Laufstall auf der anderen Straßenseite. Auf dem Hof könne er sich noch mehr Einrichtungen vorstellen, die zahlendes Publikum nach Konradsdorf ziehen. Beispielsweise eine Markthalle, in der Selbstvermarkter aus der Region ihre Produkte anbieten. Details stehen aber noch nicht fest.

Wer war Konrad?

Ein abenteuerliches Leben führte der Mann, nach dem Konradsdorf benannt ist. Konrad I aus dem bayrischen Geschlecht der Wittelsbacher lebte laut Online-Lexikon Wikipedia von etwa 1125 bis 1200. Der Reichserzkanzler und Erzbischof von Mainz legte sich mit Kaiser Friedrich Barbarossa an und zog 1197 in der Vorhut von dessen Nachfolger Heinrich VI in den Kreuzzug nach Palästina.

Um 1190 hatten die Herren von Büdingen dem Mainzer Bistum von Konrad ihre Burg geschenkt, aus dem dann ein kleines Nonnenkloster der Prämonstratenser wurde. Dessen Ende kam mit der Reformation im Jahre 1581. Das Kloster verfiel – die Ländereien gingen an die Hanauer Grafen und nach deren Aussterben 1736 an die hessischen Landgrafen.

Seitdem ist die Domäne Staatsbesitz. Heute gehört sie dem Land Hessen, das gerade mehr als zwei Millionen Euro in die Restaurierung der lange als Viehstall missbrauchten Klosterkirche und des romanischen Nonnenhauses investiert. Die Äcker werden seit 1992 vom Pächter Helmut Keller nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet.

2 Gedanken zu „Domäne Konradsdorf“

  1. Es ist traurig, dass der Familie Keller bzw. Nicht die Pacht nicht verlängert wurde. Einem seit 30 Jahren betriebenen Öko-Betrieb steht eine unsichere Zukunft bevor. Die Aussage des neuen Pächters, den Hof weiter biologisch betreiben zu wollen, erscheint wenig glaubwürdig. Ein konventioneller Bauer, der von einer weit entfernten Verwandten beraten wird – das klingt nicht nach ökologischer Leidenschaft. Hinzu kommt, dass der Pächter nur die zur Domäne gehörenden Felder übernehmen wird. D.h. es fallen in jedem Fall Flächen aus der ökologischen Bewirtschaftung heraus. Dass die grüne Ministerin diesen Weg geht, ist mehr als merkwürdg. Mit dem Hofladen „Kleeblatt“ geht ein regionaler Bioladen mit einem ganz eigenen Charme verloren.

    1. Als Andrej Seuss diesen Kommentar schrieb, befand sich der seit über dreißig Jahren in Konradsdorf lebende Pächter mit lebensbedrohlicher Krankheit in ärztlicher Behandlung. Die Familie hatte den Kopf gerade ganz wo anders stehen. Danke Andrej für Deine Zeilen, die ich zu dem Zeitpunkt nicht posten konnte. Das nicht alle Fakten in den Texten von Herrn Nissen zu Konradsdorf stimmen, sei dem Journalisten nachgesehen. Er hat mich nie persönlich getroffen, auch nicht nach dem ich wieder auf dem Hof war. Schade eigentlich. Die von Andrej angesprochene Auswirkungen auf die gesamte von mir betriebene Landwirtschaft hat die grüne Ministerialverwaltung ausgeblendet. Genauso die Pionierarbeit meiner Familie für die ökologische Landwirtschaft auf der Domäne. Der Fokus lag wohl eindeutig darauf einen Pächter zu finden, der die alten Gebäude mit eigenen Mitteln saniert und bereit ist Kapital mitzubringen. Wenn es um landeseigene Immobilien geht ist das Hemd näher wie die Hose. D.h. dann spielt auch unter einer grünen Ministerin Hinz ( nicht Sprecherin des Ministeriums! ) und einem grünen Staatssekretär Conz die Priorisierung des ökologischen Landbaus keine Rolle mehr. Die seit Jahrhunderten in Konradsdorf betriebene Milchviehhaltung war und ist die auch in ökonomischer Sicht am besten an den Standort angepasste Form von Tierhaltung und gerade für einen Biobetrieb. Das wurde bei der Auswahl der Bewerber in der Landesregierung total ausgeblendet. Abgesehen davon, dass meine Familie ein sehr gutes Angebot gemacht hat und sicherlich für den ökologischen Landbau die bestmöglichen Voraussetzungen mitgebracht hätte. Meine Frau als Bewerberin hat seit 15 Jahren den ökologischen Milchbetrieb geleitet. In dreißig Jahren wurde der Hof sehr zukunftsorientiert von mir und meiner Familie weiterentwickelt. Für die Großfamilie Keller war Konradsdorf die Heimat! Wir haben dort gelebt und uns identifiziert. Das alles hat man in der Regierung nicht gesehen. Man war wohl vor allem am Kapital der Fam. Karpf interessiert. Mein Lebenswerk für die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in der Wetterau und besonders in Konradsdorf , wurde im Nachhinein entwertet und kompromittiert. Damit hätte ich unter eine grünen verantwortlichen Ministerin nie gerechnet! Eine Gebäudeunterhaltung in Konradsdorf, die an die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Landwirtschaft angepasst bleibt, wie in drei Jahrzehnten, war wohl zu wenig. Wir wissen wie die Wahl in Hessen ausgegangen ist. Herzlichen Glückwunsch Frau Hinz. Mit Lippenbekenntnissen gewinnt man keine Mehrheiten. Glaubwürdigkeit zur grünen Agrarpolitik ist gefragt.

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