DGB Wölfersheim

70 Jahre aktiv

Der DGB Wölfersheim besteht seit 70 Jahren. In seiner Geschichte spiegelt sich Wetterauer Witrtschafts- und Sozialpolitik. Der Niedergang der Bergarbeitergemeinde ging einher mit einem Bedeutungsverlust des Gewerkschaftsbundes.

Für Frieden, Freiheit, Fortschritt

Vier Vertreter der IG Bergbau, je zwei von Bau, Steine, Erden und ÖTV, je einer von der Eisenbahner- und der Lehrergewerkschaft, eine Vertreterin der DGB-Frauen, ein Vertreter der Invaliden und zwei der Gewerkschaftsjugend hoben am 29. September 1954 in der Wirtschaft Huber das DGB Ortskartell Wölfersheim aus der Taufe.

Die Maifeiern der Gewerkschafter waren Volksfeste, die morgens vom Weckruf des Spielmannszugs eingeleitet wurden. „Für Frieden – Freiheit -Fortschritt. Gegen den Atomtod“ war die Maiparole 1958. „Im Kampf gegen den Atomtod stehen wir als Arbeitnehmer nicht allein. An unserer Seite stehen namhafte Wissenschaftler und der überwiegende Teil der Bevölkerung“, stimmte der DGB-Kreisausschuss Frankfurt auf den „Mai-Kampftag“ ein.

Der DGB-Kreisausschuss Gießen fragte die Ortskartelle 1961 nach ihren Mitgliederzahlen. Aus Wölfersheim antwortete der Bürgermeister:IG Bergbau 194, IG Metall 8, Bau, Steine, Erden 53, ÖTV 12, Lehrer 2, Post 6, Bahn 12, außerhalb beschäftigte 40. Insgesamt 327 Mitglieder.

Rückschläge

Die Gründung des Ortskartells fiel in die Zeit der aufstrebenden und erfolgreichen bundesdeutschen Gewerkschaftsbewegung. 1956 wurde in der Metallindustrie die 45-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erreicht. Andere Branchen folgten. Mit einem bis zu 13-wöchigen Streik gelang in der Metall- und Druckindustrie 1984 der Einstieg in die 35-Stunden-Woche.

Doch dann kamen Rückschläge. In Wölfersheim kam 1991 das „Aus“ für den Braunkohlebergbau und das Kohlekraftwerk wurde geschlossen. Damit brach auch das stärkste Standbein des Wölfersheimer DGB weg. Die rechtsextreme NPD erhielt in der Folge enormen Zulauf und Wölfersheim wurde für ein Jahrzehnt zur Wetterauer Hochburg der Neonazis.

Dazu zog sich der Gewerkschaftsbund aus der Fläche zurück. Der Wetterauer wurde zum 1. Juli 1995 mit dem Frankfurter zusammengelegt. Hintergrund waren Sparmaßnahmen, die als „Modernisierung“ verkauft wurden. Der Hessische DGB war vom Bundesvorstand dazu verdonnert worden, 2,5 Millionen Mark Personalkosten im Jahr einzusparen.

Das „Aus“ für den Braunkohleabbau

Während der Maikundgebung 1994 in Wölfersheim hatte der Wetterauer DGB-Vorsitzende Harald Fiedler noch gewarnt: „Es wäre fatal, wenn sich der DGB aus der Wetteraukreisfläche zurückziehen würde. Diese Fläche ist nicht nur besonders groß, sondern am Rande des Ballungsraums Rhein/Main eine seit Jahren starke Wachstumsregion.“

Die Gewerkschaften sind wieder da

Harald Fiedler wurde wenig später selbst Vorsitzender des neu formierten DGB Frankfurt. Als Rentner kehrte er zur 70-Jahrfeier des DGB Wölfersheim am 15. Juli 2024 an seine alte Wirkungsstätte zurück. In Wölfersheim war er 1990 zum DGB-Kreisvorsitzenden für die Wetterau gewählt worden.

Der Einstieg in die 35-Stunden-Woche habe zu den letzten großen Erfolgen de Gewerkschaften gehört, danach hätten sie sich Angriffen der Arbeitgeber und Gesetzesänderungen durch die Politik erwehren müssen. Durch Reformen wie Hartz IV sei der Sozialstaat durchlöchert worden. Im neuen Jahrtausend hätten die Lohnerhöhungen oft unter der Inflationsrate gelegen. Der radikale Arbeitsplatzabbau in der Westdeutschen Industrie Anfang der 90er Jahre habe zu einer extrem hohen Arbeitslosigkeit geführt, „einher verloren die Gewerkschaften auch Millionen von Mitgliedern“, so Fiedler.

Der Gewerkschafts-Rentner ist aber zuversichtlich. „Die Gewerkschaften sind wieder da, mit Mitgliederzuwächsen, wenn auch geringen, unter erschwerten Bedingungen wie der Digitalisierung, Homeoffice und zunehmend prekärer Beschäftigung“. Es habe wieder lohnpolitische Erfolge gegeben und „auch die Debatte um weitere Arbeitszeitverkürzung nimmt Fahrt auf. Die steigende Produktivität gebe Spielraum für eine 32-Stundenwoche oder die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Titelbild: Der Spielmannszugs ließ den Weckruf zu den Maifeiern des DGB Wölfersheim erklingen.

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