Keine vier Euro täglich fürs Essen
Von Klaus Nissen
Der Corona-Lockdown verändert unser Ernährungsverhalten. Seit Monaten sind wir nicht mehr im Restaurant gewesen. Wir haben auch kein To-Go-Menü bestellt. Nicht mal ein Fertiggericht für die Mikrowelle holten wir uns im Supermarkt. Jeden – wirklich jeden Tag stand einer von uns beiden am Herd und kochte ein Mittag- oder Abendessen. Meistens schmeckte es. Und es war verblüffend billig, ergibt der Kassensturz am Monatsende.Richtig teuer sind nur die Tomaten
Fünfmal waren wir im Januar einkaufen. Ohne es bewusst zu planen, gehen wir seit November so selten wie möglich in den Supermarkt. Wir haben den Ehrgeiz entwickelt, mit den in der Küche verstauten Lebensmitteln so lange wie möglich auszukommen. Erst wenn eine Zutat wirklich fehlt, greift sich einer von uns die Einkaufsliste und die Geldbörse.
Zum ersten Mal überhaupt sammeln wir die Einkaufsbelege. Beim Blick auf die Preise fällt auf, wie wenig die meisten Lebensmittel kosten – selbst so hochwertige Dinge wie Butter, Brot, Karotten oder Kräuterseitlinge. Manches gibt es für Centbeträge – beispielsweise Creme Fraiche und Speisequark. Der Weinsauerkraut, den wir an einem Tag zusammen mit drei Kartoffeln und einem Stück Fleischwurst gratinieren, kostet gerade mal 45 Cent. Und damit werden wir pappsatt.
Einiges kostet auch garnichts. Die Äpfel stammen vom Baum im Garten. Auf dem Dachboden unter einer dünnen Zeitungslage halten sich die letzten Wintergoldparmänen noch bis Anfang April. Und der selbstgemachte Marmeladenvorrat reicht bis ins übernächste Jahr. Erst Anfang Januar versiegte der Vorrat an selbstgemachten Kirschen- und Traubensaft.
Nichts kostet mehr als sieben Euro
Auch die teuersten Einkäufe bleiben deutlich unter zehn Euro. Den höchsten Einzelbetrag berappten wir für zwei frische, dicke Roma-Tomaten aus den Niederlanden. Sie kosten mitten im Winter 6,84 Euro. Mit 6,27 Euro bezahlen wir 400 Gramm Bio-Hackfleisch, die ausnahmsweise an der Fleischtheke des Supermarkts gekauft wurden. Der örtliche Metzger hatte gerade seinen Ruhetag.
Seit knapp einem Jahr haben wir uns nämlich darauf geeinigt, die Produkte der Rewe-Großmetzgerei Brandenburg zu ignorieren und nur in „echten“ Metzgereien Fleischwurst, Schinken und Salami zu kaufen. Das passiert etwa einmal pro Woche und kostet über den Monat etwa 30 Euro für zwei Personen. Die meisten Mittagsmahlzeiten werden vegetarisch, obwohl wir uns das garnicht vorgenommen haben.
Die Einkaufsquittungen verraten auch, dass wir Käse-Fans sind. Relativ häufig taucht der Holzmichl-Bergkäse, der Vintage-Cheddar, Spundekäs, Handkäs oder der mittelalte Gouda in den Abrechnungen auf. Der schmeckt auf dem Brot und kann die Mahlzeiten verfeinern.
Fast schon unanständig billig erscheinen uns die heimischen Wintergemüse, auf die wir in diesen Monaten abfahren. Zwei dicke Porreestangen sind für 1,18 Euro zu haben und reichen als Zutat für eine Kartoffel- und eine asiatische Mahlzeit. Die 1,1-Kilo-Steckrübe zum Gratinieren schlägt mit 1,63 Euro zu Buche. Der Rosenkohl für zwei Mahlzeiten kostet 1,29 Euro. Dazu etwas Sahne, einige Kartoffeln und Schinkenwürfel – lecker.
Die Mini-Preise sind toll und zugleich bedenklich
Summa summarum haben wir im Januar 165,93 Euro im Supermarkt gelassen. Hinzu kommen jeweils etwa 30 Euro beim Metzger und Bäcker. Ohne uns einzuschränken, geben wir im Monat also etwa 230 Euro für Lebensmittel aus. Das macht pro Kopf und Tag den unglaublich niedrigen Betrag von 3,70 Euro! Dabei könnten wir auch noch niedriger liegen, wenn wir beispielsweise statt des Mineralwassers einfach die Leitung anzapften oder auf den Räucherlachs und die Ananas (zwei Stück im Sonderangebot für 1,92 Euro) verzichteten. Hinzu kommen lediglich die Energiekosten für den Elektro- und den Gasherd.
Einerseits finde ich den erstaunlich niedrigen Preis für unsere Ernährung toll. Diese Einkaufsstatistik zeigt, dass man auch mit einem sehr schmalen Geldbeutel gut satt wird, wenn man auf Fertiggerichte für die Mikrowelle verzichtet und sich ein paar Kochfertigkeiten aneignet. Gutes Essen soll ja für alle erschwinglich bleiben.
Andererseits sehe ich, dass der Preis nicht den wahren Wert der von uns konsumierten Lebensmittel abbildet. Sie sind in dieser Betrachtung viel zu billig. Schließlich verzehren wir vorzugsweise möglichst gesunde Sachen aus regionalem Anbau. Wir leben buchstäblich von diesen Lebensmitteln, sie werden ein Teil von uns selber.
Der geringe Preis ist einerseits erfreulich, andererseits verführt er uns zu einer unangemessenen Missachtung dieser Lebensmittel. Manchmal – ich gestehe es – schaue ich vor der Biomüll-Abfuhr in braune Tonnen und entdecke darin halbe Brotlaibe und Gemüse, das ich noch ohne Selbstüberwindung gut essen könnte. Am liebsten würde ich dann dem Tonnenbesitzer ins Gewissen reden – so lange, bis er freiwillig die noch brauchbaren Sachen wieder herauholt. Und sie dadurch achtet, dass er sie isst.