Busverkehr


Nach 92 Jahren geht der Motor aus

Von Klaus Nissen

Der Busbetrieb Eberwein aus Burg-Gräfenrode, dem kleinsten Stadttteil von Karben, stellte zum Jahreswechsel von 2024 auf 2025 seine Busse für immer ab. Sie sind mittlerweile verkauft. Die Inhaberin Ingeborg Strehl erzählt, warum es sie doppelt schmerzt.

Busbetrieb Eberwein ist Geschichte

Das Büro im Hinterhaus an der Berliner Straße sieht noch nach Arbeit aus. Auf dem Schreibtisch liegen Papiere und Wechselgeld-Behälter aus den Bussen. Aktenordner und Fahrkartendrucker gehören zum weiteren Inventar.

Der Eberwein-Bus steht auf dem Hof und kommt bald weg. Die Haltestellen der Linie 72 werden jetzt von Bussen der Firma Stroh angefahren. Foto: Nissen

Aber das Telefon klingelt nicht mehr. „So viele Jahre habe ich hier jeden Tag verbracht“, sagt Ingeborg Strehl. „Wir waren sieben Tage in der Woche, 24 Stunden lang in der Bereitschaft. Wir mussten Lösungen finden, wenn morgens um fünf ein Bus nicht ansprang oder sich ein Fahrer krank meldete.“ Manchmal ging die Chefin früher selbst ans Steuer, damit die Karbener Pendler pünktlich zur Arbeit und die Kinder mit den Eberwein-Bussen in die Schule kamen.

Seit dem 1. Januar ist das Geschichte. Die 16 Linienbusse sind verkauft. In diesen Tagen werden die letzten Fahrzeuge mit der weiß-grünen RMV-Lackierung nach Hamburg überführt. An ihrem Schreibtisch im Hinterhaus muss Ingeborg Strehl nun das Lebenswerk dreier Generationen abwickeln. Das tut ihr sichtlich weh.

Zu unsicher für die nächste Generation

Es ging nicht anders. „Ich bin schwer herzkrank“, sagt die 71-jährige Frau mit der grauen Kurzhaarfrisur. Ihr Ehemann Adalbert (alle nennen ihn Bertl), der das Unternehmen mit ihr durch die Jahrzehnte gesteuert hat, ist schon 78. Das Paar hat zwei Söhne. Martin Strehl war seit 2001 im Betrieb aktiv. Im Jahr 2019 kaufte man noch einen Reisebus und war optimistisch, dass auch die vierte Generation vom Unternehmen leben kann. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Touristische Busfahrten fielen ganz weg. Der Linienverkehr wurde ausgedünnt. Und schon bei der der Linienbündel-Ausschreibung im Jahr 2015 zeigte sich, wie beinhart der Wettbewerb in dieser Branche ist. Martin Strehl trat eine Stelle bei der Karbener Feuerwehr an. „Ich kann das verstehen“, sagt seine Mutter.

Das Erinnerungsfoto aus glücklicheren Tagen hängt an der Bürowand – 2019 holten Ingeborg und Adalbert Strehl diesen Setra-Reisebus persönlich in Mannheim ab. Heute möchte sich die Inhaberin nicht mehr fotografieren lassen. Foto: Nissen

Im vorigen September rang sie sich dazu durch, die Firma am Jahresende zu schließen. Die 20 Fahrer wurden gekündigt und haben nun andere Arbeitgeber – vor allem beim Busbetrieb Stroh aus Altenstadt. Den Bad Nauheimer Stadtbusverkehr hatte Eberwein schon einige Monate vor der Schließung abgegeben, weil die Kurstadt auf Elektrobusse umsteigen will.

Statt Eberwein fährt Stroh

In Karben fahren jetzt Stroh-Busse auf den bisher von Eberwein bedienten Linien 72 (Karben-Niddatal-Friedberg), 73 (Petterweil-Karben), 74 (Gronau-Rendel-Karben) und 76 (Okarben-Karben). Der Vertrag läuft noch bis Dezember 2026 – demnächst wird das Karbener Linienbündel für die folgenden zehn Jahre von der Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) neu ausgeschrieben.

Auf dem Eberwein-Gelände am Roggauer Ortseingang Richtung Ilbenstadt stehen nun Busse der Firma Philippi aus Mücke-Groß-Eichen. Die hatte bei der letzten Ausschreibung der Firma Stroh das Florstädter Linienbündel abgenommen. Stroh wiederum bedient auch Buslinien im Main-Kinzig-Kreis und Offenbach.

Das vergilbte Foto aus dem Jahr 1955 zeigt Firmengründer Josef Eberwein, der Fahrgäste aus seinem Daimler-Benz aussteigen lässt. Die Busse hatten damals noch richtige Türen an Scharnieren. Und keinen Absenk-Mechanismus. Repro: Nissen

Der Ausstieg von Eberwein brachte also Turbulenzen in den Wetterauer Buslinien-Betrieb. Ingeborg Strehl hat nun keine laufenden Einnahmen mehr. Ein Bus-Kilometer muss mit vier bis fünf Euro pro Kilometer angesetzt werden, so die Unternehmerin. Im vorigen Jahr legten die Eberwein-Busse noch 650 000 Kilometer zurück – es geht also um viel Geld. Die Rechnung für den vorigen November habe ihr die VGO trotz erbrachter Linienfahrten nicht bezahlt, klagt Ingeborg Strehl. „Ich musste das Haus meiner Eltern verkaufen“. Strehl versucht, über einen Anwalt das Geld von der VGO einzutreiben. Das kommunale Verkehrsunternehmen will auf Anfrage keine Stellung dazu nehmen – „da es sich um vertragsrechtliche Angelegenheiten zwischen den Beteiligten handelt.“

Der Bürgermeister bedauert das Aus

So kann sich die Eberwein-Chefin noch nicht aus ganzem Herzen darüber freuen, dass sie und ihr Mann jetzt mehr Zeit für die Enkelinnen und die eigene Gesundung haben. Sie wolle endlich mal ins neue Bad Nauheimer Thermalbad, meint Ingeborg Strehl.

„Als Bürgermeister der Stadt Karben bedauere ich die Schließung natürlich“, sagt Verwaltungschef Guido Rahn. Bei Eberwein verdiente der Vater des Roggauers einst sein Geld als Busfahrer. Eberwein habe gut die Fahrten für den Kinderplaneten, für Seniorenausflüge und Extrabusse für den Weihnachtsmarkt organisiert. „Dies wird nunmehr alles problematischer und sicher nicht günstiger“

Dass Eberwein aufhörte, ist für Rahn aber nachvollziehbar. „Auch im Bereich des ÖPNV gibt es eine Überregulierung mit immer höheren Vorgaben und kaum auskömmlichen Vergütungen. Und auf der anderen Seite ist es immer schwieriger, geeignete Fahrer / innen zu finden.“

Anfang mit Wehrmachts-Bus

Die ersten Fahrzeuge waren noch laute Dieselmaschinen mit langen Motorhauben und Blattfedern. Seit dem Neujahrstag 1933 war der Roggauer Jungunternehmer Josef Eberwein mit ihnen auf der neuen Buslinie von Burg-Gräfenrode und dem Groß-Karbener Bahnhof unterwegs. Kurz darauf übernahm er auch die Linie von Rendel zum Klein-Karbener Bahnhof. Im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die Wehrmacht die Busse – nutzte sie aber nicht. Sie verbrannten kurz vor Kriegsende in einem Hanauer Depot.

Eine Buslenkerin war in den Fünfzigerjahren noch eine Seltenheit. Else Eberwein hatte aber selbstverständlich einen Führerschein und kutschierte Fahrgäste durch die Gegend. Repro: Nissen

Nach dem Krieg blühte das Unternehmen auf – mit Eberwein-Bussen machten die Karbener Ausflüge und ganze Urlaubsreisen. 1960 übernahmen Karl Eberwein und seine Frau Else den Betrieb von den Eltern, bauten ihn weiter aus. Seit dem Bau der Kurt-Schumacher-Schule kam der Schülerverkehr hinzu. 1988 wurde Tochter Ingeborg Inhaberin und sorgte mit ihrem Mann Adalbert Strehl dafür, dass die Eberwein-Busse als Teil des Rhein-Main-Verkehrsverbundes zuverlässig fuhren. Bis zum 31. Dezember 2024.

In den letzten Jahrzehnten gaben noch viel mehr Busbetriebe auf. Ingeborg Strehl nennt den Kraftwagenbetrieb Wetterau in Florstadt, Launhardt aus Kilianstädten, Kaiser aus Karben, Maul aus Rodheim. Übrig bleiben laut Strehl „Global Player“ wie die Bahn -Tochter DB Regio Bus für Linienverkehr und Stewa aus Aschaffenburg für touristische Fahrten.

Diesen Daimler-Benz der Reihe 65/4 hatte Josef Eberwein 1949 aus den Restbeständen der Wehrmacht gekauft und dann runderneuert im Linienverkehr eingesetzt. Auch Busse der längst eingegangenen Marken Borgward und Wippert gehörten zur Eberwein-Flotte. Repro: Nissen

Allerdings gibt es in Deutschland immer noch gut 3000 Busunternehmen – und die meisten sind Familienbetriebe, sagt Wera Steiner vom Verband deutscher Omnibusunternehmen (bdo). Beim Bustourismus gebe es Wachstum, und im Linienverkehr sorge schon das 49-Euro-Ticket für mehr Fahrgäste. In Hessen zählt der Landesverband rund 150 private Busbetriebe mit 3000 Fahrzeugen. Auf www.lho-online.com wirbt er mit einem witzigen Video für den Busfahrer-Beruf.

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