Benrath und Walser

Dichter liebt Maler

Von Bruno Rieb

Albert H. Rausch alias Henry Benrath ist ein vergessener Dichter. Allenfalls in seiner Heimatstadt Friedberg (Hessen) erinnert man sich noch an ihn. Das könnte sich ändern, denn seine Liebe zu dem 26 Jahre jüngeren Schweizer Maler Andreas Walser macht ihn heute interessant. Der Friedberger Pädagoge und Kulturpolitiker Andrej Seuss hat die Geschichte der beiden erforscht und ein Buch über die homoerotische Beziehung der beiden geschrieben, das er am 24. Oktober 2019 in einer Veranstaltung des Friedberger Geschichtsvereins vorgestellt hat.

Offenes Bekenntnis zur Homosexualität

Die Werke von Rausch alias Benrath liest heute kaum noch jemand. In Friedberg ist er eher bekannt, weil er vier italienische Dörfer vor einem Vergeltungsschlag der Nazis bewahrte. Seit 1988 unterhält Friedberg eine Partnerschaft mit Magrelio, einem dieser vier Orte. In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts genoss Rausch allerdings einen gewissen literarischen Ruhm, wurde sogar 1932 mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, Hessens bedeutendsten Literaturpreis. Rausch machte keinen Hehl aus seiner Homosexualität und verfasste homoerotische Erzählungen. Der ungleich bedeutendere Schriftsteller Klaus Mann hat in seinem Tagebuch über Rausch, laut Seuss, festgehalten: „Offenes Bekenntnis zur Homosexualität.“

Auf- und untergehende Sterne

Während Rauschs Stern im Laufe der Jahrzehnte immer mehr verblasste, leuchtete der des Malers Walser immer heller auf. Seit den 1980er Jahren wurden seine Werke wiederentdeckt, zunächst in seiner Schweizer Heimatstadt Chur. Retrospektiven zu seinem Leben und Werk wurden 1994 im Bündener Kunstmuseum, 1995 im Kunstmuseum Winterthur und 1996 im Centre Culturel Suisse in Paris gezeigt. Walsers Beziehung zu Rausch habe bei Walsers Wiederentdeckung keine Rolle gespielt, berichtet Seuss.

Gemälde von Andreas Walser.

Rausch und Walser hatte eine kurze, aber umso intensivere Beziehung in Paris verbunden. Sie war so intensiv gewesen, dass Walsers Eltern Rausch nach dem frühen Tod ihres Sohnes zu dessen Nachlassverwalter ernannten. Der Konservative Rausch habe den Drogenkonsum Walsers verabscheut, berichtet Seuss. Walser war im Umfeld des einflussreichen Pariser Literaten, Künstlers und Filmemachers Jean Cocteau von Rauschgift abhängig geworden. Im Frühjahr 1929 hatte er eine Überdosis nur knapp überlebt. Ein Jahr später nicht mehr: er starb am 19. März 1930 an einer Drogen-Überdosis. Noch Jahrzehnte nach Walsers Tod fand der junge, früh verstorbene Freund Aufnahme in Walsers Werk, berichtet Seuss.

Andrej Seuss mit seinem Buch und einem von Walser gemalten Porträt Rauschs. (Foto: Rieb)

Diese Menschlichkeit

Der konservative Schriftsteller Rausch sei ihm durch seine Beziehung zu Walser sympathischer geworden, sagt Seuss. Diese Menschlichkeit habe Rausch vielleicht auch geholfen, die Vergeltungsangriffe der Deutschen auf Magreglio zu verhindern. Rausch hatte sich 1943 in dem italienischen Bergdorf niedergelassen. Als Vergeltung für den Tod eines Leutnants, der von italienischen Partisanen erschossen worden war, wollte die Wehrmacht Magreglio und drei weitere Bergdörfer zerstören. Rausch hat das verhindert. Wie, das wurde nie bekannt.

Rauschs Beziehung zu Walser sei verborgen gewesen. 70 Jahre nach Rauschs Tod (er starb am 11. Oktober 1949 in Magreglio) wolle der Geschichtsverein die verborgene Beziehung der beiden ans Licht holen, sagte Lothar Kreuzer, Vorsitzender des Friedberger Geschichtsvereins, zu Beginn der Veranstaltung mit Seuss. Seuss betreut nun ehrenamtlich das Rausch/Benrath-Archiv der Stadt Friedberg. Von dort hat er auch ein Portrait präsentiert, das Walser von seinem Freund Rausch gemalt hat.

Andrej Seuss: „Nur das eine, furchtbare – Andreas ist tot“, edition clandestin in Biel/Schweitz, Hardcover, gebunden 13,5 x 19,5 cm, 132 Seiten, zahlreiche Abbildungen schwarzweiß und farbig, 29 Euro, ISBN 978-3-907262-00-9

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