Ausstellung „Ziegeleien in Lich“
von Ursula Wöll
Ziegelsteine bestehen aus gebranntem Lehm. Der Baustoff Lehm, Jahrzehnte aus der Mode gekommen, wird heute neu entdeckt. Er ist nicht nur billig, sondern ökologisch unübertroffen wegen des guten Raumklimas und seinem Recycling ohne Rückstände. Noch bis Frühjahr 2019 ist die Jahresausstellung „Ziegeleien in Lich“ des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lich zu sehen. Die Licher Ausstellung ist über ihre lokalen Bezüge hinaus interessant, denn sie trägt zu einer Diskussion über gesundes und umweltverträgliches Bauen bei. Nun ist auch das Begleitbuch zur Ausstellung „Der Ziegelstein – Ein Stein, der Kulturgeschichte schrieb“ erschienen.
Die Licher Tonwerke
Ein Pluspunkt des Bauens mit Lehm ist seine Verfügbarkeit vor Ort, so dass lange Transportwege entfallen. Lehmboden war in und um Lich reichlich vorhanden. Kein Wunder, dass schon früh Ziegler ihre Dienste anboten. Oft brannten sie die Lehmziegel in einem ‚Feldbrandofen‘ direkt an der Baustelle. Seit 1908 dann dominierten die „Tonwerke Lich“ das Geschäft. Die Fabrik brannte die Rohlinge in einem großen, Tag und Nacht befeuerten Ringofen mit einem 38 m hohen Schornstein. Weithin sichtbar, war er neben dem Kirchturm ein Wahrzeichen des Ortes. 1980/81 wurde die Fabrik abgerissen und der Schornstein gesprengt. Der Hohlblockstein hatte über den Ziegelstein triumphiert, und die Drainagerohre sind heute aus Kunststoff. Geblieben sind die Gemarkungs- und Straßennamen, die an die Stadt als Zentrum der Backsteinherstellung erinnern. Hier nur einige: An der Lehmkaute, Am Brennofen, Dippelöcher, Ziegelhüttenweg.
Die lange Tradition des Lehmbaus
Hermann Pein besorgte die Textauswahl des Begleitbuches. Er lässt uns zu den Anfängen des Lehmbaus zurückblicken. Die Archäologen versichern, dass das biblische Jericho um 6500 v. Chr. wirklich existierte und dass seine Häuser und Mauern aus Lehm bestanden. Doch es waren wohl nicht die Posaunen, die sie einstürzen ließen, denn Lehmbauten sind stabil. Auch den Turm zu Babel gab es tatsächlich, und zwar um 600 v.Chr. im heutigen Irak. Robert Koldewey hat die Reste um 1913 ausgegraben. Nicht nur der riesige Stufentempel Babylons, auch die Tore der Stadt am Euphrat waren aus Lehmziegeln erbaut und mit gebrannten Ziegeln verkleidet. Das Fragment eines solchen Ziegels mit einer Keilinschrift wird in Mainz aufbewahrt.
Mainz war zur Römerzeit selbst ein wichtiger Produktionsort für Lehmziegel. Eine Ofenplatte aus dem römischen Castell Echzell, laut Inschrift in Mainz fabriziert, ist im Heimatmuseum Lich zu bestaunen.
Mit dem Rückzug der Römer schlief auch die Lehmziegelkultur ein. Mönche belebten sie dann wieder. Die in Backsteingotik errichteten Kirchen Norddeutschlands bewundern wir bis heute. Im Feudalismus dann verboten manche Herrscher das Roden, damit sie ihre Jagdleidenschaft austoben konnten. Die Untertanen durften weder Fachwerkhäuser bauen, noch das Holz zum Brennen von Lehmziegeln schlagen. So entstanden Häuser aus Stampflehm, wie sie etwa bis heute in Weilburg existieren. Eines der erhaltenen, 1828 (!) erbaut, besitzt gar 5 Stockwerke. Die zwischen Bohlen immer höher gezogenen Lehmwände wurden nach dem Trocknen verputzt und stehen auf einen Steinsockel, um Nässe abzuhalten.Vor allem in Afrika hat der Lehmbau eine lange Tradition. Die Große Moschee aus Lehmsteinen in Djenné/Mali, heute Weltkulturerbe, ist sogar mit Lehm verputzt. Nach jeder Regenzeit bessern die Einwohner die Schäden aus und machen daraus ein Fest. Doch auch in Afrika verband man das Bauen mit Lehm immer stärker mit Primitivität und wählte „moderne“ Materialien. Erst der afrikanische Architekt Francis Kéré belebte die heimische Tradition. Für seine wunderschönen Schulen und Kliniken aus Lehm, die er in seinem Heimatort Gando mithilfe der Einwohner baute, erhielt er internationale Preise.
In Deutschland war es Professor Gernot Minke von der Hochschule Kassel, der mit ästhetischen Bauten aus Lehmsteinen das Nachdenken über ökologisches Bauen in Gang setzte. Er selbst wohnt in einem Lehmhaus mit Grasdach. Andere Architekten entwickelten ganz neue Ideen des Bauens mit Naturmaterial. So gibt es in Waldsolms im Vordertaunus ein Haus aus Strohballen, das nach außen durch seinen Putz nicht auffällt, aber ein tolles Raumklima besitzt, so wie alle Lehmhäuser auch. Die 700 verarbeiteten Strohballen vom Ökobauern nebenan waren billig, sie verrotten restlos, wenn das Haus einmal abgerissen wird.
Die Licher Ausstellung ist bis Frühjahr 2019 im Heimatmuseum ‚Textorhaus‘, Kirchenplatz 4, 35423 Lich, zu sehen. Öffnungszeiten: samstags 14 bis 16 Uhr, sonntags 10:30 bis 12 Uhr. Eintritt frei. Das Begleitbuch mit vielen Fotos kostet 12 Euro.
Infos über Weilburger Lehmhäuser: haeuser-aus-lehm-in-weilburg Infos über die afrikanische Lehm-Renaissance: bauen-mit-lehm
Ein ausgezeichneter, zum Nachdenkien anregender Artikel, denn:
Auch hierzulande wäre eine Renaissance des Lehmbaus wünschenswert – man vergleiche nur die Lebensdauer der Weilburger Piséhäuser etwa mit der von modernen Brücken oder konkret der Ludwig-Erk-Schule in Wetzlar.
Außerdem wird der für Beton benötigte Bausand weltweit zur Mangelware.
Allerdings braucht die Herstellung gebrannter Ziegel viel Energie. Mit zunehmender Erderwärmung haben Piséhäuser eine Zukunft.
1971, in Vorbereitung der 1200-Jahrfeier der damals noch selbständigen Gemeinde Waldgirmes, gründete Hedwig Schmidt (1914-1980) das Museum im ehemaligen Schulhaus in der Waldgirmeser Friedenstraße 20. Das Gebäude wurde 1840/1841 errichtet. Der klassizistische Bau stellt ein Kulturdenkmal in sich dar. Das Mauerwerk ist mächtig dick und besteht aus ca. 350 000 ungebrannten Lehmziegel (Adoben) und ist mit den seltenen „Ganze Windelböden“ ausgestattet. Bauwerke dieser Art sind in südlichen Breiten keine Seltenheit, in unserer Heimat jedoch eine Rarität.
Das ist zu sehen im Heimatmuseum der Gemeinde 35633 Lahnau-Waldgirmes, Friedenstr. 20.
Geöffnet ist das Museum jetzt am 12. August von 15-17 Uhr sowie jeden zweiten Sonntag im Monat.
An der Renaissance des Lehmbaus wird auch in Europa durchaus eifrig gearbeitet. Zum Beispiel in Vorarlberg: http://www.lehmtonerde.at
In Stuttgart ist noch bis 6.1.2019 im ifa die Ausstellung „Lehmarchitektur heute. Ein traditioneller Werktstoff für die Zukunft“ zu sehen: http://terra-award.org/
Ansonsten hauen die Franzosen gerade mächtig auf den Putz, d.h. Sand & Schluff:
– http://www.cycle-terre.eu
– http://craterre.org/