Acht Wagen auf zehn Einwohner
Die Wetterau hat viele Bus- und Bahnlinien in die Städte. Mit ihnen kämen die meisten Menschen problemlos zur Arbeit. „Dennoch ist der Trend zu immer mehr Fahrzeugen ungebrochen“, teilt der Erste Kreisbeigeordnete Jan Weckler mit. Auf tausend Einwohner sind hier inzwischen 830 Wagen gemeldet. Das sind deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt.
Immer mehr Autos
Zum 1. Januar 2017 waren auf Wetterauer Straßen nicht weniger als 249.209 Fahrzeuge gemeldet. Das sind knapp 5000 oder zwei Prozent mehr als vor Jahresfrist. Das Schwergewicht lag bei den Personenkraftwagen. 185.850 waren zum 1. Januar 2017 zwischen Gedern und Bad Vilbel, zwischen Butzbach und Büdingen angemeldet. Das waren rund 3000 mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Krafträder stieg nur leicht von 16.400 auf 16.670. Etwas stärker gestiegen ist die Zahl der Lastkraftwagen von 10.079 auf 10.452. Die Zahl der Sonderfahrzeuge ist mit 1.823 nahezu gleichgeblieben, genauso wie die Zahl der Zugmaschinen, die bei rund 8500 liegen. Hinzu kommen noch 24.650 Anhänger. Die Zahl der Busse ist etwas, nämlich von 226 auf 218, gesunken, genauso wie die Zahl der Quads oder Trikes, die von 792 auf 773 abgenommen haben.
Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit denen des Jahres 2009, so ergibt sich eine Erhöhung des Fahrzeugbestandes um gut 15 Prozent. Auch hier waren die Personenkraftwagen überproportional beteiligt. Heute stehen statistisch 830 Fahrzeuge für 1000 Wetterauerinnen und Wetterauer vom Baby bis zum Greis zur Verfügung. Das Kraftfahrtbundesamt listet für ganz Deutschland 61,5 Millionen Fahrzeuge auf. Das sind 740 Fahrzeuge für 1.000 Menschen.
Ein Blick weiter in die Vergangenheit zeigt, wie idyllisch es Anfang der 50er Jahre in der Wetterau zugegangen sein muss. Im Januar 1953 waren erstmals mehr als 10.000 Fahrzeuge im Altkreis Friedberg zugelassen, berichtet die Kreisverwaltung. Den Schwerpunkt bildeten aber nicht wie heute die privaten Personenkraftwagen, sondern Motorräder, die fast die Hälfte der Kraftfahrzeuge stellten. Auch Lastkraftwagen und Zugmaschinen stellten einen erheblich höheren Anteil am Gesamtbestand der Kraftfahrzeuge dar, als es heute der Fall ist.
Die Straßen waren damals unsicherer
Im bundesdeutschen Vergleich starben zu Beginn der 50er Jahre mehr Menschen im Straßenverkehr als das heute der Fall ist. 1955 waren im Altkreis Friedberg rund 15.000 Fahrzeuge zugelassen. Die Zahl der Verkehrstoten lag in diesem Jahr in der alten Bundesrepublik bei 14.000. 60 Jahre später starben im wiedervereinigten Deutschland knapp 3.500 Menschen im Straßenverkehr, eine Zahl die immer noch viel zu hoch ist.
Anfang der 60er Jahre wurde bei den Zulassungszahlen im Altkreis Friedberg die 30.000er Marke geknackt und 1972, in dem Jahr des Zusammenschlusses der Landkreise Friedberg und Büdingen, zählte man in den Landkreisen Friedberg 62.000 und in Büdingen exakt die Hälfte, nämlich 31.000 Fahrzeuge.
Auto zu verschenken – suche Pferd
Im Jahr darauf schien der Trend in eine andere Richtung zu führen. Kuriose Anzeigen wie „Tausche Auto gegen Pferd“ waren im November 1973 zu lesen. Die OPEC drosselte die Ölforderung und bescherte nicht nur Deutschland, sondern auch den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Luxemburg, Italien und Norwegen autofreie Sonntage. Der Benzinpreis stieg von 61 Pfennig auf 80 Pfennig pro Liter.
Inzwischen liegt der Benzinpreis gut dreimal so hoch, aber sowohl die gefahrenen Kilometer als auch die Zahl der Fahrzeuge nimmt weiter zu. „Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass auch das Angebot des Schienenverkehrs weiter zunimmt. Der in Aussicht gestellte Ausbau der S-Bahnstrecke 6 ist daher für mich ein willkommenes Signal“, so der Erste Kreisbeigeordneter Jan Weckler.
Der ÖPNV ist bisher leider kein attraktives Gegenkonzept gegen diesen Anstieg des PKW-Verkehrs. Regelmäßige Zugausfälle und Verspätungen neben Minimalkomfort sind dessen Hauptmerkmale. Dazu kommt noch das extrem hohe Beförderungsentgelt, dass durch diese mangelnden Qualitätsmerkmale kaum zu rechtfertigen ist. – Selbst in Fahrgemeinschaften zu zwei Personen ist man mit dem PKW deutlich billiger unterwegs. Dazu kommt natürlich noch die Überlegung, dass in ländlichen Gebieten ein Auto sowieso fast eine Notwendigkeit darstellt (Einkäufe etc.). Da dann die Fixkosten, wie Steuer und Versicherung, sowieso fällig sind, ist der Aufpreis für die bequeme Fahrt zur Arbeit auf einem garantierten Sitzplatz in angenehmer Umgebung nur ein geringer. Meist hat man hierbei oft auch eine Zeitersparnis, weil man weder an die statischen Abfahrtszeiten, noch an Zeitverluste beim Umsteigen oder den fußläufigen Wegen von und zu den Haltestellen ausgesetzt ist. Natürlich hat man hier auch oftmals Staus, aber zum einen sitzt man dabei aber im Warmen und man wird hier weit zuverlässiger per Radio informiert, als in einem Bahnhof, in dem man schlecht informiert sich halb tot friert, seine Anschlüsse verpasst und keinen Schimmer hat, wann man auch nur ungefähr am Zielort eintrifft.
Wenn also die öffentliche Hand in Zeiten überschießender Einnahmen Fetischen anhängt, wie z.B. der „schwarzen Null“, solange Verkehrspolitik in der Kleinkariertheit von Neiddebatten (Ausländermaut) versinkt, statt sich verkehrspolitischen Grundbedürfnissen zu widmen, wie sie ein funktionierender ÖPNV darstellt, genau solange werden wir weiter jammern, über den Anstieg von zunehmenden KFZ-Verkehr und dessen negativen Auswirkungen.