Ausländerbehörde

„Versuchen Sie es später noch einmal“

Von Klaus Nissen

Die Verwaltung im Wetteraukreis hat immer noch große Probleme, die Anliegen ihrer rund 44 000 Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass zu bearbeiten. Wegen Personalmangels in der Ausländerbehörde „entstehen (…) zum Teil lange Wartezeiten“, räumt Landrat Jan Weckler nach Vorwürfen der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe ein. Das Problem betrifft nicht nur Flüchtlingsfamilien, sondern auch britische Banker oder US-Amerikaner, die im Wetteraukreis leben.

Abgeschottete Behörde für 44 000 Menschen

Schon 2013 und 2018 kam es zu Demonstrationen vor dem Amtsgebäude der Ausländerbehörde an der Friedberger Kaiserstraße. Hunderte Menschen beklagten die schlechte Erreichbarkeit und teils lange Warteschlangen vor dem Amtsgebäude an der Friedberger Kaiserstraße. Landrat Weckler versprach damals Abhilfe.

Frühmorgens bildeten sich früher wie hier im Jahre 2018 Warteschlagen vor der Ausländerbehörde, um einen Termin zu ergattern. Seit März 2021 können die Kunden sich online darum bemühen – ohne immer einen Termin zu bekommen. Foto: Nissen

Tatsächlich gibt es keine Warteschlangen mehr. Im März 2021 führte der Kreis eine Online-Terminvergabe für Menschen ein, die ihren Aufenthaltstitel verlängern müssen oder eine Einreiseerlaubnis für Angehörige brauchen. Der Neue Landbote probierte sie aus. Nachdem unter www.wetteraukreis.de die Personalien eingegeben waren, kam prompt auf Deutsch und Englisch die Antwort: „Zu Zeit sind leider keine Termine verfügbar. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“

Warteschleife ins Internet verlegt

Die Ausländerbehörde habe die Warteschleife einfach ins Internet verlegt – und „telefonisch ist die Behörde faktisch nicht mehr erreichbar“, klagt Johannes Hartmann von der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlingshilfe. Wer nach diversen Versuchen, online einen Termin bekomme, müsse dann noch drei bis vier Monate bis zum Treffen mit dem Sachbearbeiter warten. Das sei problematisch für Geflüchtete, die nur für die nächsten drei Monate geduldet würden.

Hartmann schätzt, dass etwa 2000 Geflüchtete in Wetterauer Gemeinschaftsunterkünften leben, weitere 2000 in gemieteten Wohnungen. Viele von ihnen brauchten für ihre Arbeitgeber immer wieder Bescheinigungen, dass sie einen legalen Aufenthaltsstatus haben. Der Stau in der Ausländerbehörde habe für sie gravierende Folgen: „Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz, weil sie ihre Aufenthaltsdokumente nicht verlängern lassen können und zunächst mit Fiktionsbescheinigungen abgespeist werden, die aber in vielen Bereichen nicht als Ausweisdokumente akzeptiert werden. Dies gilt unter anderem für die Eröffnung eines Bankkontos.“

Landrat Jan Weckler (CDU) ist für die Personalzumessung der Wetterauer Ausländerbehörde zuständig. Foto: Nissen

Landrat Weckler widerspricht: Die Fiktionsbescheinigungen seien gültige Dokumente aus der Bundestruckerei. Ausstellen müsse sie das Amt besonders vor den Sommerferien, weil dann die spontane Nachfrage besonders hoch sei – was der Behörde einen „erheblichen terminlichen Mehraufwand“ bereite. Die Pandemie habe auch die Arbeit der Ausländerbehörde erschwert, so Weckler. Ein Mitarbeiter sei zur Kontaktnachfolgung eingesetzt worden. Außerdem „gibt es derzeit vermehrt Anträge auf Verlängerung von Reisepässen, die während der vergangenen Monate nicht genutzt wurden und zwischenzeitlich abgelaufen sind.“

Im Umgang mit dem Amt gibt es hohe Hürden

Wer online bei der Ausländerbehörde einen Termin bekommen hat, soll vorher die für sein Anliegen nötigen Dokumente und die ausgefüllten Antragsformulare einscannen und per Mail ans Amt schicken. Viele Geflüchtete hätten nur Handys und seien damit überfordert, merkt Johannes Hartmann dazu an. „Und längst hat nicht mehr jeder Geflüchtete einen ehrenamtlichen Helfer an seiner Seite.“

Im Jahr 2018 hatte die Ausländerbehörde 34,5 Planstellen, doch davon waren mehrere nicht besetzt. Inzwischen habe zweimal eine jeweils sehr engagierte Führungskraft der Abteilung „Front Office“ gekündigt, berichtet Hartmann. Man habe erfahren, „dass dies aus einer mangelnden Untgerstützung, vor allem aus dem vom Landrat zu verantwortenden Personalmanagement erfolgt sei.“ Seit langem seien nicht alle Planstellen besetzt und fünf Stellen erst gar nicht ausgeschrieben worden. „Das Totsparen der Ausländerbehörde muss beendet werden“, schreibt Hartmann im Namen der Arbeitsgemeinschaft.

Die Akten von 44 000 Wetterauern ohne deutschen Pass verwaltet die von Holger Gajewski geleitete Ausländerbehörde in mehreren Räumen des Friedberger Kreishauses. Eine elektronische Aktenführung soll die Arbeit in Zukunft erleichtern, hieß es 2018, als dieses Foto entstand. Doch das Personal reicht nicht aus, um diese Papierberge einzuscannen. Foto: Nissen

Landrat Weckler lässt das so nicht stehen: „Grundsätzlich gibt es in der Ausländerbehörde eine hohe Fluktuation bei den Stellen und aufgrund der komplexen Materie des Ausländerrechts auch Schwierigkeiten, die vorhandenen Stellen zu besetzen“. Die unbesetzte Stelle in der Fachdienstleitung für das Front-Office rührt laut Weckler daher, dass ihr früherer Inhaber zu einer wohnortnahen Kreisverwaltung gewechselt sei. Diese und eine andere Stelle sei gerade im Ausschreibungsverfahren. Eine weitere vakante Stelle im Front-Offiche werde zum 1. Juli 2021neu besetzt. Und auf anderen Stellen, die durch Mutterschutz oder Langzeitkrankheit vakant seien, gebe es zeitnah eine Nachbesetzung.

Anfang Juni 2021 hatte die Arbeitsgemeinschaft die Probleme in einer Online-Konferenz mit der Ersten Kreisbeigeordneten Stephanie Becker-Bösch (SPD) besprochen, die fachlich für die Ausländerbehörde zuständig ist. Dabei fehlte Landrat Weckler, der für den Arbeitsrahmen und das Personal verantwortlich ist. Das habe die kirchlichen und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer besonders verärgert, meint Johannes Hartmann. Jan Weckler entgegnet, man habe ihm keine Gesprächsanfrage geschickt.

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