„Wir passen gut aufeinander auf“
Der neue Landbote nimmt die aktuelle Debatte über europäische Grenzen und Einwanderer zum Anlass, das Thema auf römische Art zu beleuchten. Hier ein Exklusiv-Interview mit dem anno 125 n. Chr. im Kastell Groß-Krotzenburg stationierten Auxiliarsoldat Lucius über Männer-WGs, Waffen und die Verpflegung am Limes.
Auf den Limes !
Lucius Aennaeus Seneca, Sie bewachen im Jahr 125 nach Christus den Limes in Großkrotzenburg am Main. Wie heißt Ihre Einheit? Und wie groß ist sie?
Wir sind die IV. Vindeliker-Kohorte. Etwa 480 Soldaten. Genauso viele wie auf der Saalburg stationiert sind.
Vindeliker? Dann sind Sie ja ein Kelte aus der Gegend zwischen Bodensee und Inn?
Klar. Ich bin in Augusta Vindelicorum aufgewachsen, das später mal Augsburg heißt.
Warum bewachen Sie denn den Limes so fern der Heimat?
Das hat taktische Gründe. Wir müssen auch deshalb in der Fremde dienen, damit wir nicht unsere eigenen Leute unkontrolliert über die Grenze lassen. Aber das ist schon in Ordnung so.
Wieso?
Wir sind ja freiwillig hier und werden dafür gut bezahlt. Wir bekommen zu essen und einen regelmäßigen Lohn.
Trotzdem: Sie leben 25 Jahre lang auf kleinem Raum in einem Contubernium – einer Wohngemeinschaft mit sieben Kameraden. Vermissen Sie Ihre Familie nicht?
Es ist nun mal so. Als verheirateter Mann könnte ich nicht in der römischen Armee dienen. Aber im Vicus, in unserem Lagerdorf, haben viele von uns eine Freundin und Kinder. Außerdem bin ich mit meinen Kameraden 25 Jahre lang zusammen. Man ist nie einsam. Wir passen gut aufeinander auf – auch in der Schlacht.
Ist das Leben als Grenzsoldat nicht gefährlich? Sie müssen doch Überfälle von den Germanen befürchten.
Das passiert ganz selten. Wir machen Grenzkontrollen. Die Germanen von drüben kommen herein und handeln mit uns. Die haben kein Interesse, unser Blut zu vergießen.
Was machen Sie dann den lieben langen Tag? Langweiligen Sie sich nicht, in der Pampa bei den Barbaren?
Gelangweilte Soldaten sind gefährlich. Schon deswegen werden wir ziemlich beschäftigt. Wir müssen kontrollieren, patrouillieren, immer mal eine Waffenübung machen. Unsere Ausrüstung putzen. Die meisten von uns sind ja Handwerker. Wir bauen Häuser und Straßen, bei uns in Großkrotzenburg werden auch Ziegel gebrannt. Zum Beispiel für die Häuser hier an der Saalburg.
Sie stehen hier mit Kettenhemd und Helm. Ist Ihre Uniform einigermaßen bequem?
Das Kettenhemd wiegt zwar acht Kilo, aber die Last verteilt sich gut auf dem Körper. Und wir tragen es ja nicht immer. Im Winter tragen wir lange warme Wollhosen und Mäntel nach guter keltischer Art. Die Römer übernehmen immer das, was besonders praktisch ist. Mein Kurzschwert hier haben die sich von den Hispaniern abgeguckt. Damit wird übrigens immer gestochen, nie geschlagen. Sonst würde ich ja meine Kameraden in der Kampflinie neben mir gefährden.
Gut, gut! Stecken Sie es ruhig wieder ein. Wie stehen Sie eigentlich zu den Legionssoldaten? Die sind römische Staatsbürger, die besser bezahlt und stärker gepanzert werden. Fühlen Sie sich da nicht als Soldat zweiter Klasse?
Manchmal vielleicht. Aber die Legionäre sind nun mal Spezialisten für die Schlacht. Mir wäre das Risiko zu hoch, doch einmal den Schädel eingeschlagen zu kriegen. Ich halte mir die Feinde lieber mit meiner langen Lanze vom Hals. Und mit meinem ovalen Schild. Damit bin ich beweglicher als die Legionäre.
Aha.
Nur eines geht mir auf den Keks.
Was denn?
Die Verpflegung. Immer nur Brot und Pulsum – Getreidebrei. Das hängt mir zum Halse heraus. Nur manchmal kriegen wir Fleisch, wenn jemand ein Wildschwein erlegt hat. Unsere Wetterauer Provinz ist doch so reich. Warum mästen die Bauern da nicht viel mehr Schweine?
Vielleicht, weil das Land zu kostbar ist, um darauf Viehfutter anzubauen. Sie können sich ja nach Dienstschluss mit Wein trösten.
Der ist mir zu sauer. Als Kelte mag ich lieber Bier. Und das können wir Vindeliker auch hier am Limes brauen.
Jetzt eine politische Frage: Finden Sie als Betroffener es sinnvoll, dass die Römer ihre Reichsgrenze über den Rhein ausgedehnt haben?
Da müssen Sie den Imperator fragen. Ich bin nur ein einfacher Soldat. Uns geht es doch gut hier. Die Germanen sehen, dass wir schöne Häuser und immer etwas zu essen haben. Und sogar warm baden können. Das ist die beste Taktik, andere Völker zu besiegen.
Sie sind nicht mehr der Jüngste, Ihre Dienstzeit müsste bald vorbei sein. Gehen Sie dann in Ihre Heimat zurück?
Ich weiß es noch nicht genau. Ich hab mich hier ja eingelebt. Und wenn ich bei der Pensionierung ein Stück Land bekomme, bleibe ich hier. Sonst mache ich mit meiner Abfindung in Augusta Vindelicorum eine Bierkneipe auf.
Anmerkung: Lupus Aenaeus Seneca kommt als Auxiliarsoldat der Vindeliker-Kohorte weit in Europa herum. Die rund 40-köpfige Gruppe führt bei Römer-Treffen ein authentisches Soldaten Leben im Stil des Jahres 125. Im 21.Jahrhundert heißt der 49-Jährige Roland Mogk, lebt in Alsfeld und verdient sein Geld mit dem Verkauf von Büroeinrichtungen. Das Interview führte Landbote-Redakteur Klaus Nissen