Vernissage mit Olaf Velte
Seit zwei Jahren betreibt der schottische Künstler Andrew Ward in der Taunusgemeinde Wehrheim ein offenes Atelier. In seiner „School of Seeing“ stellen neun seiner Schüler aus der „Donnergruppe“ ihre Zeichnungen aus. Bei der Vernissage trank man Apfelwein. Und hörte sich dazu die Abenteuer des Wehrheimer Dichters Olaf Velte an.
Andrew Ward in Wehrheim
Ein Modell. Ein einziges Motiv. Mitnichten. Denn der Mann ist mal in gebückter Haltung ohne Gesicht zu sehen. Dann als Konterfei, das Samuel Beckett oder David Bowie ähnelt. Daneben ein Porträt des Mannes mit ausgestreckter Zunge. Eine Assoziation zu Albert Einstein, zu einem Cover der Rolling Stones? Gewiss, aber doch mit einem eigenen Ausdruck. Denn die Zeichnungen, die die „Donnergruppe“, neun Männer und Frauen, Ende Februar 2016 in Wehrheim präsentierte, sind Ausdruck einer individuellen Erfahrung: sich ohne jede künstlerische Vorbildung ausdrücken zu können. Der renommierte Künstler Andrew Ward ließ die Gruppe mit auf Packpapier zeichnen. Jetzt hängen die Porträts in der SOS-Galerie – einer ehemaligen Bankfiliale an der Hauptstraße der Taunus-Gemeinde bei Bad Homburg.
„Ohne ein Ziel“, sagt Doris, „haben wir gearbeitet. Nur mit der Freude am Tun.“ Holger: „Es war ein Sehen mit dem ganzen Sein, das Andrew aus uns herausgeholt hat.“
Für Stefan war die Arbeit in der „Donnergruppe“ eine „Offenbarung“. Stefan ist Schlosser. Zeichnungen seines Vaters, der Ingenieur war, haben ihn dazu gebracht, sich dem Zeichnen zuzuwenden. Allein: „Ich habe mehrere Kurse besucht, die mir nur wenig gebracht haben. In der „Donnergruppe“, sagt er, „da kam was raus, was in mir steckte.“
Der Mann hinter dem Motiv: der Schotte Andrew Ward, der seit drei Jahren in der Taunusgemeinde Wehrheim in seiner „School of Seeing“ ein offenes Atelier hat. An einem Ort, an dem er sich wohl fühlt, es schätzt, „dass die Menschen so offen sind.“ Seine eigenen Arbeiten werden international von einer Galerie in Zürich vertrieben.
Vor zwei Jahren hat der Schotte seine „School of Seeing“ in der Hauptstraße der Taunusgemeinde Wehrheim eröffnet. Mit seiner Familie, seiner Frau Kerstin und den beiden Söhnen Kian und Carlin in Pfaffenwiesbach auch ein neues Zuhause gefunden. Die „SOS“ ist ein offenes Atelier – nicht nur an einem Tag der offenen Tür. Denn für Andrew Ward ist Kommunikation ein fester Bestandteil seines Schaffens, ein steter Impulsgeber für seine Kreativität. Die künstlerische Laufbahn des 1954 in England geborenen, aber in Schottland sozialisierten Künstlers begann Ende der 1970er Jahre. Als Absolvent des „College of Art“ im schottischen Dundee ging er auf Reisen. Gefördert vom British Council. Sie führten ihn unter anderem in den Sudan, nach Eritrea, Kenia und Uganda. Weitere Stationen seiner Vita sind in Italien und der Schweiz. So war er Gast-Dozent an der Züricher Universität. Die Schweizer Hauptstadt ist Sitz der Galerie Andres Thalmann, die seine Werke international vertreibt.
Viele Jahre hat Ward nur in Schwarz-Weiß gearbeitet, mit Kohle und Graphit. Erst über seine Frau Kerstin, sagt er, habe er zu den Farben gefunden. Vorher „hatte ich wohl Angst vor den Farben“. In 2011 hat er eine Serie mit einhundert Bildern geschaffen, die an den Erhalt des Lachses in den Gewässern an der Südküste Schottlands gemahnen sollen. In den großformatigen Bildern seiner Reihe „Between the trees and the forest“, die wie Ward sagt, dem deutschen Sprichwort „Man sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht“ nahe kommt, stehen Vasen im Fokus. Überdimensionale Gefäße für Blumen, manche mit einem alt-chinesischen Muster. Ein Aufenthalt in Taiwan mit dem Besuch des Nationalmuseums in der Hauptstadt Taipeh habe ihn dazu inspiriert, sagt Ward. Wer genau hinsieht, wird mehr als eine Erklärung finden, wird Brüche entdecken zwischen Schönem und Traurigem, wird versuchen zwischen den vereinzelten Worten auf den Bildern und ihrem Sujet eine Verbindung herzustellen.
Wenn Andrew Ward in seinem Atelier einen Kurs anbietet, spielen für seine „Schüler“ alle diese Faktoren keine Rolle. Denn dann geht es dem 61jährigen nur darum, dass jeder eine Form findet, sich auszudrücken, die „inneren Türen zu öffnen“. Sein nächster Workshop findet in den Osterferien statt.
Christian Reuters Wiedergeburt
Zur Vernissage am 26. Februar hatte der Wehrheimer Olaf Velte seine Gedichtbände mitgebracht. Velte ist zugleich Landwirt und Dichter, Journalist und Pfadfinder auf der Suche nach den gleichermaßen genialen wie gescheiterten Autoren früherer Jahrhunderte. Er hat ein Buch über den mit nur 35 Jahren gestorbenen Dramatiker Christian Dietrich Grabbe geschrieben. Und zuletzt ein selbstironisches Buch über seine Recherche-Reise zur Heimat des Barock-Schriftstellers Christian Reuter ins sachsen-anhaltinische Kütten bei Zörbig. Reuter hatte um 1690 als Student in Leipzig so viel getrunken, Unfug getrieben und Schulden gemacht, dass ihn seine Zimmerwirtin hinauswarf. Das thematisierte Reuter in seinem Schelmuffsky-Roman und ging später als Schlampampe-Fehde in die Literaturgeschichte ein. Das Publikum hatte in der Wehrheimer Ex-Bankfiliale eine Menge zu lachen.