Schießen, Schießen, Schießen
Die Afrikanische Schweinepest droht Deutschland zu erreichen. Ein Impfserum gibt es nicht gegen die tödlich verlaufende Erkrankung. Nun soll mit der Jägerflinte ein mögliches Vordringen des Virus‘ gestoppt werden – offenbar keine einfache Aufgabe. (Foto: Superbass/Wikipedia)
Die Sicht des Forstbeamten und Jägers
Die Forderungen der Bauernverbände sind hoch. Bis zu 90 Prozent der Wildschweinbestände sollen erlegt werden. Präventiv, damit sich die Afrikanische Schweinepest (ASP), deren Infektionsbewegung von Osten gen Westen verläuft, nicht zu einer Tragödie in Schweinemast- und -zuchtbetriebe entwickelt, oft verbunden mit hohem wirtschaftlichen Schaden. Laut der Hessischen Tierseuchenkasse waren 2017 im Wetteraukreis 12 000 Zucht- und Mastschweine über 30 Kilogramm und 5500 Ferkel bis 30 Kilogramm Gewicht registriert. Die Tiere verteilen sich auf 194 Höfe.
„90 Prozent von wie viel“, fragt Stefan Brinkmann, er ist im Forstamt Hanau-Wolfgang als Abteilungsleiter Produktion und für Jagd zuständig. Dem Amt sind neun Reviere im Main-Kinzig-Kreis zugeordneten – zwischen Wetterau und Spessart. Wie viel Schwarzwild sich in der 14 000 Hektar großen Waldfläche seiner Dienststelle aufhält, lässt sich für Brinkmann nicht schätzen. Niemand habe es bislang gezählt, wie auch? Doch eines sei gewiss: „Die Tiere finden absolut ideale Lebensbedingungen vor.“ Der Klimawandel sorge dafür , dass Buche und Eiche reichlich Früchte tragen, der übermäßige Anbau von energetischen Pflanzen und Mastfutter wie Mais, lassen den Magen der Wildschweine selten leer werden.
„Früher hat eine Bache nur im Winter Frischlinge geworfen, mittlerweile geschieht dies über das ganze Jahr“, sagt Brinkmann. Natürliche Feinde gibt es nicht. Auch die Wiederansiedlung des Wolfs wäre kein Regulativ. Die Jagd sei über die Jahre nicht angepasst worden, erläutert Brinkmann. Zudem habe es Zeiten gegeben, in denen die Wutz im Wald stärker bejagt wurde. Das Forstamt Hanau-Wolfgang veranstaltet im Herbst mehrmals in seinem Beritt Drückjagden, bei denen Hunde und Helfer das Wild aufscheuchen. Aber auch diese Jagdmethode verringert die Population augenscheinlich nur wenig. Die zahlreichen frischen Wühlspuren im Forst und auf Äckern bald nach der Jagd dokumentieren dies.
Damit jetzt mehr Schwarzwild geschossen werden kann, hat das Hessische Umweltministerium Ende Januar die Schonzeit aufgehoben. In Baden-Württemberg hat die schwarz-grüne Landesregierung sogar schon ein Ziel für dieses Jahr an die Waidleute ausgegeben. Statt der bisher 50 000 Abschüsse soll die Zahl verdoppelt werden, meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Laut Jagdverband wurden in der Saison 2016/17 bundesweit knapp 590 000 Schwarzkittel erlegt. Jäger Brinkmann äußert sich vorsichtig zu bestimmten Abschussvorgaben. „Fordern kann man viel, doch wie kriegt man es hin“, fragt er. Drastische Maßnahmen wie mit Lockfütterung die Tiere aus der Deckung zu holen, um dann ganze Rotten bis auf führende Bachen abzuschießen – damit der Knall nicht den Rest der Rotte verschreckt womöglich mit Schalldämpfer – stellt auch nur eine begrenzte Möglichkeit dar und wird von manchem Jäger als unwaidmännische abgetan, ebenso mit Nachtsichtgerät auf die Pirsch zu gehen.
Doch fest steht für Brinkmann, wenn in Deutschland der erste Fall der Afrikanischen Schweinepest auftritt, dann werde es keine Befindlichkeiten geben, gleichwohl es dann für eine nennenswerte Dezimierung des Schwarzkittelbestandes ohnehin zu spät sei. Der Deutsche Jagdverband hat für die Waidleute eine neuseitige Handlungsanweisung mit dem Titel „Optionen für die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen im Seuchenfall“ herausgegeben. Die Seuche setzt nicht nur dem Hausschwein schwer zu. Auch bei seinem wildlebenden Verwandten führt das Virus binnen zwei, drei Tagen unter hohem Fieber zu einem qualvollen Tod.
Ein Forst fast oder ganz ohne Wildschweine, welche Folgen hätte das für die Natur? Laut Brinkmann wäre für die Waldökologie keine nennenswerten negativen Folgen zu befürchten. Schon vor 30 bis 40 Jahren sei die Schwarzwildpopulation klein gewesen. „Um den Wald war es damals wie heute nicht schlechter bestellt“, sagt Brinkmann. Auch zeige sich keine deutliche Wirkung auf den Maikäferbestand, deren baumwurzel-schädigende Engerlinge die Wutzen aus dem Boden wühlen und fressen.
Die Sicht des Wetterauer Veterinäramtes
Auf Anfrage heißt es vom Veterinäramt des Wetteraukreises, im vergangenen Jahr seien ASP-Fälle im tschechischen Grenzgebiet zur Slowakei aufgetreten. Das Seuchenrisiko sei ob der weiten geografischen Verbreitung von gemeldeten Ausbrüchen hoch, so die Kreisbehörde, die sich hierbei auf eine Bewertung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, bezieht. Das FLI beobachtet das Seuchengeschehen. Laut FLI sind ASP-Erkrankungen in Polen, Estland, Lettland, Litauen, Moldawien, Weißrussland, Ukraine, Tschechische Republik und auch auf Sardinien gemeldet worden. Die Verbreitung des Virus‘ geschieht jedoch nicht allein durch den Kontakt unter Wildschweinen. Risiken berge die illegale Entsorgung von kontaminierten Abfällen, so das FLI. Aber auch mit dem Fahrzeug- und Personenverkehr werde das Virus in Umlauf gebracht – schneller als per Schwarzkittel. Und nicht zuletzt die in die Landschaft geworfene, möglicherweise ASP-belastete Wurststulle oder die von einer Jagd in den genannten Ländern mitgebrachte Tiertrophäe kann hier eine Epidemie auslösen.
Der Notplan des Veterinäramtes klingt grausig. Befindet sich der ASP-Erreger im Schweinebestand eines Betriebs, müsse alle Tier gekeult werden. Im Umkreis von drei Kilometern wird um den betroffenen Hof eine Sperrzone gezogen. Der Bauer kann mit einer Entschädigung von der Tierseuchenkasse rechnen. Ob mit dem Geld etwa bei Zuchtbetrieben ein größerer wirtschaftlicher Schaden abgewendet werden kann, hängt vermutlich vom Einzelfall ab. Erstattet werden ebenfalls die Kosten der Massentötung und Kadaverentsorgung. Zudem gibt es einen Betrag für jedes Tier, allerdings nur den einfachen Marktwert.
Die Sicht der Schweinehalter
Trotz mehrerer Versuche bei mehreren Höfen, gab es keine Auskunft oder einen Rückruf. Vermutlich wäre doch nur die Forderung des Bauernverbands wiedergegeben worden. „Die ASP ist ein heikles Thema“, sagt Margarethe Hinterlang, Sprecherin auf dem Dottenfelderhof in Bad Vilbel. Der Öko-Betrieb stehe im Gespräch mit dem Kreisveterinäramt, um im Ernstfall die richtige Strategie anzuwenden. Auf dem Hof herrscht eine starke Kundenfrequenz wegen der Direktvermarktung über die Hofläden. Allerdings wird auf dem Dottenfelderhof Schweinezucht nur im kleinen Maßstab betrieben. Sechs Sauen, ein Eber und einige Ferkel machen den Bestand aus. „Es ist eine Schauhaltung für Kunden und Schulklassen“, sagt Hinterlang. Sollte in der Wetterau oder in einem Nachbarkreis die ASP ausbrechen, würde zunächst der Zugang zu den Tieren gesperrt, so Hinterlang. Es bestehe kein Grund das Thema jetzt hochzukochen. Die Entwicklung werde von den zuständigen Stellen gut betrachtet, sagt sie. „Den Schweinehaltern bleibt derzeit nicht viel mehr als abzuwarten“, rät auch das Fachorgan „Bauernstimme“ .
Die Afrikanische Schweinepest
„Die Afrikanische Schweinepest (ASP), auch African Swine Fever oder Pestis Africana Suum, ist eine Virusinfektion, die ursprünglich in Afrika beheimatet ist. Sie ist der Klassischen Schweinepest (KSP) in Symptomen und Verlauf sehr ähnlich, spielt jedoch vorwiegend in Afrika, auf der iberischen Halbinsel und Sardinien eine Rolle“, heißt es hierzu in Wikipedia. Hohes Fieber und Abgeschlagenheit, zum Teil kommt es zu einer Blaufärbung der Haut, Hustenanfälle und Blutungen aus Nase und After. Bei diesen Symptomen verstirbt das Tier innerhalb von 48 Stunden. Die Todesrate liegt bei nahezu 100 Prozent. Eine Impfung gegen die ASP gibt es nicht. Für den Menschen, Katzen oder Hunde soll das Virus ungefährlich und ohne Folgen sein, das soll auch für den Verzerr von infiziertem Fleisch gelten.