AfD-Jugend wirft Reporter raus

400 „Junge Alternative“, 125 Protestierer

Von Klaus Nissen

In Büdingen schrien am 17. Februar 2018 der deutsche AfD-Nachwuchs und Gegendemonstranten aufeinander ein.  Die einen grölten das Deutschlandlied und zeigten Stinkefinger, die anderen riefen „Nazis raus“.   Der Landbote-Reporter beobachtete das Rechten-Treffen, wurde dann aber aus dem Saal geworfen.

Afd-Jugend wirft Reporter raus

Als „enthemmt autoritär und offen rassistisch“ bezeichnete ein Demo-Redner  vor der Stadthalle die darin tagenden Nachwuchskader der AfD. Draußen standen laut Polizei 125 Protestierer des Büdinger Bündnisses für Demokratie und Vielfalt. Drinnen kürten 365 Delegierte einen neuen Bundesvorsitzenden. Gut 50 weitere Anhänger der „Jungen Alternative“ (JA) ohne Stimmrecht waren zur Verstärkung mitgereist.  Dazu gehörte der niedersächsische JA-Landesvorsitzende Lars Steinke, gegen den ein Parteiausschluss-Verfahren wegen seiner Nähe zu rechtsextremen Gruppen läuft. Steinke hatte laut Göttinger Tageblatt  im Vorfeld angekündigt, er wolle den Bundeskongress aufmischen.  Davon war aber nichts zu sehen.

Amüsiert verfolgten die Anhänger der „Jungen Alternative“ vor der Willi Zinnkann-Halle die Warnungen der Gegendemonstranten vor Rassismus und Fremdenhass. Der Mann ganz rechts ist Damian Lohr, der später zum Bundesvorsitzenden der JA gewählt wurde. Foto: Nissen

Zu Beginn des zweitägigen JA-Bundeskongresses demonstrierten laut Polizei gut 125 Menschen vor der Zinnkann-Halle gegen das Rechten-Treffen.  Die „Bunt statt braun“ – Demonstranten des Büdinger Bündnisses drehten beide Megaphone auf volle Lautstärke. So konnten die 50 Meter entfernten Teilnehmer des sechsten Bundeskongresses der „Jungen Alternative“ (JA) deutlich die „Nazis raus“- Rufe hören. Amüsiert hielten die meist in Anzügen gekleideten jungen Männer eine Deutschlandfahne hoch und zeigten den Antifa-Leuten, den Grünen, Sozialdemokraten und den vor einem Rechtsruck warnenden Bürgern die Stinkefinger. „Ihr könnt nach Hause gehen!“ grölte man von der Halle her. Und sang die Nationalhymne.

Die Verharmlosung von NS-Gräueltaten  dürfe man nicht hinnehmen, sagte draußen  die Erste Stadträtin Henrike Strauch. Nach Ansicht des Grünen-Landratskandidaten Thomas Zebunke liebäugelt die AfD offen mit der NPD. Menschen, die keine „deutschen“ Merkmale zeigten, würden systematisch abgewertet. Gegen Hetze und Verächter des demokratischen Pluralismus müsse man klare Kante zeigen, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl.

Das Schild, das die Gegendemonstrantin bei der Kundgebung vor der Zinnkann-Halle in die Höhe hielt, ist leider nur ein frommer Wunsch. Parallel zur AfD-Jugend tagte angeblich auch die örtliche NPD. Foto: Nissen

Im Saal ging die AfD-Jugend derweil zur Sache. Sie wählte einen neuen Bundesvorsitzenden für die rund 1700 Mitglieder zählende Organisation. Am Ende wurde der  24-jährige Mainzer Wirtschafts-Student Damian Lohr zu Alexander Gaulands Ansprechpartner für die Partei-Jugend. Er ist schon Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der „Jungen Alternative“ in Rheinland-Pfalz. Im Bund habe sie Probleme, sagte Lohr in seiner Bewerbungsrede. „Wir brauchen eine Geschäftsstelle und eine schlagkräftige Verwaltung“. Und: „Es kann nicht sein, dass es keine Mitglieds-Ausweise gibt. Und dass Antragsteller sechs Monate warten müssen, bis ihr Aufnahme-Antrag entschieden ist.“ Die „Junge Alternative“ habe nicht mal ein computerisiertes Inkasso-System für die jährlichen Mitgliedsbeiträge in Höhe von 18 Euro. Politisch blies er zum Angriff: „Klein Kevin und seine Rasselbande können sich warm anziehen“, rief Lohr mit Blick auf die Jungsozialisten. Die „Junge Alternative“ müsse mit ihrer Selbstbeschäftigung aufhören und zum „Albtraum der Altparteien“ werden. „Wir müssen mit klugen Provokationen auf die Straße gehen – brüllen reicht nicht aus.“  Es könne nicht sein, „dass der Staat über die Hälfte seines Geldes linken Sozialarbeitern, Schmarotzern und Sozialschwätzern gibt, um den Kampf gegen die AfD zu finanzieren.“  Zugleich forderte er die Jung-Alternativen zu mehr Einigkeit auf: „Eine Mauer brauchen wir nicht hier, sondern um unseren Außengrenzen“.

Das wirkte noch gemäßigt, wenn man zuvor der Bewerbungsrede seines Konkurrenten Raimond Hoffmann zuhörte. „Ich wollte eigentlich immer Deutschland retten“, sagte der mit Business-Anzug, Glatzkopf und Vollbart auftretende Politikberater der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion. Er werde mit Crowdfunding Geld beschaffen, mit Drohnen-Videos von Paintball (einem Ballerspiel mit Farbkugeln ) und tollen Aktionen die „Junge Alternative“ als „coole Jungs und Mädels“ darstellen. Zehntausend Mitglieder wolle er versammeln und mit libertären und nationalkonservativen Kräften zu einer „schlagkräftigen Truppe“ formen.“  Sie brauche einen „gemeinsamen Geist“, so Hoffmann. Denn noch seien „zu viele von uns an Positionen und Fortkommen interessiert“. Also der eigenen Karriere in einer aufstrebenden Partei verpflichtet.

Der neue Bundesvorsitzende der AfD-Jugend heißt Damian Lohr. Der 24-jährige Mainzer Wirtschaftsstudent ist schon Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz. Er denke auch an die Kandidatur für das Europa-Parlament, verriet er den Delegierten. Foto: Nissen

Dieser schneidige Auftritt brachte dem 1987 geborenen Nachwuchspolitiker zwar stehende Ovationen und „Raimond“-Rufe ein – doch die Mehrheit der Parteijugend bevorzugte den biederer wirkenden Damian Lohr als Vorsitzenden. Ohnehin pflegten die die meist in Jackett und Hemd vor ihren Smartphones, vor Pizzakartons, Bier- und Colaflaschen sitzenden JA-Mitglieder ein deutliches Misstrauen gegen ihre Vorständler. Mit deutlicher Mehrheit halbierten sie die Amtszeit des neuen Bundesvorsitzenden auf ein Jahr.

Die Wahl des neuen Bundesvorsitzenden warf ein Licht auf den Zustand dieser Organisation.  Der Sitzungsleiter der „Jungen Alternative“ (JA) brach den Wahlgang ab, weil etliche der meist männlichen Teilnehmer nichts davon mitbekommen hatten und im Foyer der Büdinger Stadthalle plauderten. Bevor ein zweiter Versuch begann, verlangte ein Delegierter 15 Minuten Aufschub – denn viele Teilnehmer seien noch zum Einkaufen außer Haus. In der Willi-Zinnkann-Halle war das Bier knapp geworden – man holte Nachschub aus den umliegenden Supermärkten. Es entspann sich eine Geschäftsordnungsdebatte: Zwischen fünf Minuten und zwei Stunden sollte die Sitzungsunterbrechungen dauern.

Der Reporter des „Neuen Landboten“  konnte die Proklamation des neuen Vorsitzenden nicht mehr miterleben.  Ein Saalordner zwang ihn, zahlreiche Fotos zu löschen.  Anschließend wurde er unter „Lügenpresse“-Rufen aus dem Saal geleitet.

Akkurat frisierte Hinterköpfe haben sie ja – die JA-Leute. Nur etwa 20 Prozent der rund 400 Mitglieder im Saal waren junge Frauen. Foto: Nissen

Für Sonntag standen viele Anträge zur inneren Organisation auf dem Programm der „Jungen Alternativen“.  Beispielsweise den Ausschluss von nicht zahlenden Mitgliedern nach zwei statt vier Jahren. Es gebe zahlreiche Karteileichen in den Mitgliederlisten, heißt es in der Antragsbegründung.

Nur ein Antrag des Bundeskongresses hatte politische Außenwirkung: Flüchtlinge sollten künftig in „Sicherheitszonen“  nahe ihrer Heimat gesteckt werden, forderte ein Mitglied. Finanzieren solle man die durch einen staatlichen Zuschuss, Spenden und die Arbeit der Flüchtlinge selbst.

Die in Büdingen ansässige NPD veranstaltete nach eigenen Angaben parallel zum JA-Treffen den Auftritt der familienpolitischen NPD- Bundessprecherin Ricarda Riefling.  „Ungestört von Linksextremisten“ habe sie über die Ursachen und Folgen des demographischen Wandels gesprochen, so der NPD-Funktionär Daniel Lachmann.  Der NPD-Anwahlt Peter Richter habe dann vorgetragen, “ wie wichtig das Führen von Rechtskämpfen ist.“ Er habe deutlich gemacht, “ wie unfähig die Stadtoberen von Büdingen sind.“

Über den Bierkonsum, den Umgangston und die Vernetzungen der Jungen Alternativen nach rechts berichtet das Online-Magazin Vice.Com hier.

Ein recht aufschlussreiches Interview mit dem auch nach Büdingen gereisten niedersächsischen JA-Vorsitzenden Lars Steinke zu seinem Weltbild steht auf dem Youtoube-Kanal der Hessen-cam

Zum Hintergrund des Büdinger JA-Treffens berichtete der Neue Landbote auch hier.

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