AfD in der Wetterau

Wahlkampf mit Gefühls-Themen

Von Klaus Nissen

Die Wetterauer Afd mobilisiert im Sommer 2018 mit gefühlsbeladenen Themen für die Landtagswahl: Die etablierten Parteien wollten den Deutschen ihre Autos wegnehmen, lautete eine These bei der „Diesel-Demo“ am 18. August in Friedberg. Tags darauf erläuterte ein Redner unter den Kloppenheimer Windmasten bei Karben,  warum er die Nutzung erneuerbarer Energien für einen teuren Unsinn hält.

 AfD in der Wetterau

Rund 80 AfD-Anhänger und gut doppelt so viele Gegendemonstranten kamen sich am Samstagmorgen, 18. August 2018 vor der Friedberger Burg bis auf 30 Meter nahe. Das Vakuum dazwischen füllten zwei Polizisten und die per Megaphon verstärkten Parolen der verfeindeten Lager: „Nazis raus“ skandierten die vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Grünen, Linkspartei, Antifa-BI und anderen Organisationen gerufenen Wetterauer. Als „ungewaschene Antifanten“ verspottete wiederum der AfD-Funktionär Andreas Lichert die Protestierer. Der Landtagskandidat wirkte sichtlich zufrieden über den Auftakt seines Wahlkampfes in der Kreisstadt.

AfD-Funktionäre führten den Protestzug an. Sie buhlten um die Sympathie der Diesel-Fahrer. Foto: Nissen

Auch im Main-Kinzig-Kreis hatte die AfD für die Friedberger Demo mobilisiert. Die sächsische AfD sandte aus Meißen einen Lautsprecherwagen und einen blauen Lastwagen mit Rednerpult in die Wetterau. Zu Fuß drehte man mit Deutschlandfahnen und weißen Plastikrasseln eine Runde auf den rechten Fahrspuren der Kaiserstraße, der Haagstraße und der Wolfengasse. Dieser Auftritt schien die Passanten durchaus zu beeindrucken. Sogar die Zocker aus dem Wettsalon „Ambassador“ verließen ihre Bildschirme, um sich das Spektakel anzusehen.

Eine Trommlergruppe und Trillerpfeifen begleiteten die Botschaften der alten und jungen. Auf dem Betttuch im Vordergrund steht: „Sei wie der Panda – schwarz, weiß und asiatisch!“ Foto: Nissen

Reden gab es zuerst bei den Protestierern. Julian Eder von der DGB-Jugend sagte: „Nicht alle AfD-Leute sind Nazis. Aber alle sind offen für eine Zusammenarbeit mit Nazis. Das macht sie zu einer Gefahr für dieses Land.“ Es wäre brandgefährlich, die AfD ungestört politisch agieren zu lassen. Denn: „Wer Linke und Gewerkschafter an die Wand stellen will, hat breiten Widerstand verdient“. Tobias Huth vom DGB Südosthessen bezeichnete die AfD als eine NPD mit bürgerlichem Anstrich. Zur Lösung der Probleme unserer Zeit habe sie programmatisch nichts zu bieten, sondern schüre eine Nostalgie nach alten Zeiten: „Die AfD gedeiht auf dem Mief der Fünfzigerjahre!“ Während dieser Protestreden schickten die Besitzer der blauen Autos laute Popmusik durch die Lautsprecher – zum Beispiel „I shot the Sheriff“ von Bob Marley.

Die Luft in den deutschen Städten sei sauberer als je zuvor, behauptete der Stuttgarter AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel. Foto: Nissen

„Ja zum Diesel“ lautete das Motto der AfD-Kundgebung.  Fahrverbote und Nachrüstungen von Dieselmotoren seien eine kalte Enteignung der Bürger, lautete die These. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel aus Stuttgart sprach von einer breit angelegten Verschwörung der etablierten Parteien: „Es geht denen darum, Autos abzuschaffen und diesen Industriestaat kaputt zu machen.“ Die Elektromobilität sei ein Irrweg – nur Verbrennungsmotoren seien zukunftsträchtig, so Spaniel. Die deutschen Autofahrer und ihren Wohlstand müsse man mit der Produktion synthetischer Kraftstoffe innerhalb der deutschen Grenzen retten. Die AfD-Anhänger hielten dazu einheitliche Schilder hoch. Darauf stand: „Diesel ist super“, „Der Diesel gehört zu Deutschland“ und „Keine ideologischen Fahrverbote.“

Dass die Gegendemonstranten die AfD immer wieder als rechtsextrem brandmarkten, schien die insgesamt sieben Redner der blauen Kundgebung eher zu amüsieren. Diese Ausgrenzung kenne man schon, so Andreas Lichert. „Die Gegner der Freiheit schwingen die Moralkeule“, sagte er und forderte einen „ideologiefreien Diskurs“ über die Probleme der Menschen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung teile die Ansichten der AfD.

Ist das so?  Der Neue Landbote hörte sich bei Passanten auf der Kaiserstraße um. Er habe bisher immer die Tierschutzpartei gewählt, sagte ein etwa 50-jähriger Mann aus Südhessen, der wegen des Elvis-Festivals nach Friedberg gekommen war. Jetzt könne er sich aber ein Kreuz für die AfD vorstellen. Ein älteres Paar im Freiluft-Café vor dem früheren Kaufhaus Joh meinte, die deutschen Eliten kümmerten sich nicht genug um das Volk, da sei es kein Wunder, wenn die AfD Zulauf bekommt. Man brauche mehr Diskussionen darüber, wie zum Beispiel die ungleiche Verteilung der Einkommen zu ändern sei. Am Rande des AfD-Protestzuges stand ein Markthändler, der gerade seine Zigarettenpause einlegte. Wie er die Demo finde? Er schüttelte den Kopf: „Gefällt mir nicht. Ich war früher für die FDP.  Aber jetzt finde ich richtig, was die Frau Wagenknecht sagt: Es kann nicht sein, dass ein Deutscher nach einem ganzen Arbeitsleben nur 600 Euro Rente kriegt – ein Zuwanderer mit seiner Familie aber gleich mehr als tausend Euro Stütze bekommt..“

Am Rande der beiden Kundgebungen gab es vereinzelt auch echte Streitgespräche über Sozialpolitik und den Wirkungsgrad von Automotoren.  Man wurde sich zwar nicht einig – schlug sich aber auch nicht. Es gab keine blutigen Nasen und keine Festnahmen.

„Klimaschutz ist die Wurzel des Übels Windenergie“

Deutschlandfahnen statt Windrädern: Die lauen Lüfte im Lande taugen nach Ansicht der AfD nicht zur Erzeugung der heute benötigten Energiemengen. Foto: Nissen

Am folgenden Sonntag, 19. August gab es schon wieder eine AfD-Wahlkampfveranstaltung im Wetteraukreis. Diesmal wetterte die Partei unter Windmasten gegen erneuerbare Energien. Der Ort war gut gewählt – von dem mit Kastanien bewachsenen Hügel westlich von Kloppenheim hat man einen tollen Ausblick. Im Westen sieht man die Bad Homburger Erlöserkirche unter dem Feldbergturm und der windrad-freien Kammlinie des Hochtaunus. Im Osten steht aber nur hundert Meter entfernt einer von vier großen Windmasten.  Am Sonntagmorgen stand der Rotor still – und das konnte den 23 AfD-Anhängern auf den Bierbänken unter den Kastanien nur recht sein. „Warum die AfD Windräder ablehnt“ hieß der Vortrag des Diplomingenieurs Klaus Maier. Mehrfach  versicherte der 1951 geborene Wetterauer, dass er sich viele tausend Stunden mit der Energiewende beschäftigt und alle möglichen Szenarien durchgerechnet habe – mit immer der selben Erkenntnis: Der Umstieg auf Windstrom sei viel zu teuer. Mal abgesehen von den vielen Unfällen mit Rotmilanen, dem Vermögensverlust für die Besitzer umliegender Häuser und den Eingriffen in wertvolle Wälder. Früher ketteten sich die Grünen an jeden zur Fällung bestimmten Baum, sagte Maier an seinem von der sächsischen Afd ausgeliehenen mobilen Rednerpult. Heute „ist es für die Grünen überhaupt kein Problem, hundert Bäume für eine Windkraftanlage zu opfern.“ Überhaupt sei „der Klimaschutz die Wurzel des Übels Windenergie.“

Seinen Zuhörern versuchte Maier zu erklären, wie viel Aufwand man treiben müsse, um den heutigen Strombedarf durch Wind- und Solarenergie zu befriedigen. Weil es auch dunkle Flautenstunden gebe, brauche man Pufferspeicher mit 30 Terawatt Leistung – ausreichend, um 30 Milliarden Kilowattstunden zu speichern. Allein um alle Autos mit Strom zu betanken, müssten laut Maier 250 mal so viele Ladesäulen aufgebaut werden wie heute. Dann verlas der Experte seinen langen, von der Wetterauer Zeitung nicht abgedruckten Leserbrief darüber, warum der Antrieb von Hybrid-Lastwagen mittels Oberleitung wie aktuell an der B5 zwischen  Frankfurt und Darmstadt lebensgefährlich und teuer sei. Die komplette Energiewende koste jede vierköpfige Familie bis 2025 rund 25 000 Euro, behauptete Maier. Und der Klimawandel? Es sei nicht erwiesen, dass der Mensch ihn verursacht. Überhaupt: „Der Klimaschutz ist die Wurzel des Übels Windenergie.“

Gauland & Co in Lindheim

Viele Radler, einige Jogger und sogar ein Reiter hätten die Chance gehabt, diesen von drei Streifenwagenbesatzungen beschützten politischen Frühschoppen zu besuchen. Doch sie schauten nur verwundert und zogen ihrer Wege. Vielleicht kommen manche am 2. September 2018 zum Promi-Auftritt der AfD in Altenstadt-Lindheim. Ab 16 Uhr sprechen dort im Bürgerhaus Alexander Gauland, Jörg Meuthen, Rainer Rahn und Andreas Kalbitz.

2 Gedanken zu „AfD in der Wetterau“

  1. Ich bin ein wenig verwundert, der Artikel klingt ein wenig pro AFD und eine kritische Note zur AFD und ihren Aussagen kann ich hier nicht entnehmen. Vom Landboten hätte ich eigentlich eine etwas differenziertere Auseinandersetzung erwartet.
    Denn auf der Demo in Friedberg wurden von der AFD wesentlich mehr Aussagen getätigt, die sehr rechtslastig waren und über die man hätte diskutieren können.

    1. Hallo, das ist die Crux, wenn man als Journalist über Veranstaltungen der AfD berichtet: Wenn man schreibt, was man dort hört und sieht, wird einem unterstellt, man teile die Auffassungen der Referenten. Bei anderen Veranstaltungen ist das nicht der Fall. Warum aber sollte ich der selben Meinung sein wie der Referent, nur weil ich einige seiner Aussagen wiedergebe? Es geht einfach darum, zu berichten, was gerade passiert. Umfassende einordnende Analysen sind eine notwendige journalistische Gattung, aber sie können nicht bei jeder Kleinigkeit mitgeliefert werden. In diesem Fall ist mir der Kommentar dennoch ein Ansporn: Ich habe den Text mit dem Hinweis ergänzt, dass AfD-Energieexperte Maier seine Berechnungen offenbar völlig ohne den Faktor der notwendigen Energie-Einsparung angestellt hat.
      Demnächst bietet der Neue Landbote mehr differenzierte Auseinandersetzungen zu politischen Vorgängen in der Region, sobald die geneigte Leserschaft häufiger den Laterpay-Button drückt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert