Literarische Zugabe der Musiker
von Jörg-Peter Schmidt
Andreas Dorau, dessen Karriere mit einem Song der Neuen Deutschen Welle im Jahr 1981 mit „Fred vom Jupiter“ startete, schildert sehr unterhaltsam das Innenleben des Musikgeschäfts. Und Sven Regener (seit „Herr Lehmann“ Bestsellerautor sowie Mitglied der Band „Element of Crime“) hat das Ganze zu Papier souverän gebracht. Das neue Buch der beiden bekannten Künstler heißt „Die Frau mit dem Arm“.
Udo Lindenberg war verwundert
Es ist nicht die erste Veröffentlichung dieses norddeutschen Duos, das bereits für „Ärger mit der Unsterblichkeit“ prima Kritiken erhielt und die jetzt mit einer Zugabe nachlegt. Auch dieser Folgeband ist im Verlag Galiani (Berlin) erschienen.
Auf Seite 5 geht’s los und da taucht Udo Lindenberg auf, für den Dorau einige Videoproduktionen betreut hat. Udo ist überrascht und vermutet, dass sein Hit „Andrea Doria“ als Grundlage für einen Künstlernamen seines Gegenübers gedient habe.
Die Rolle der Frau mit dem Arm
Wie ist es zum Titel des Buches gekommen? Ab Seite 29 gibt’s Aufklärung: Dorau hatte zeitweise gesundheitliche Probleme, Schwindelattacken, weshalb er einen Termin in einer radiologischen Praxis erhielt. Man schob in die dortige Röhre und erläuterte ihm: Eine medizinische Mitarbeiterin würde den Arm heben, wenn ihm ein Kontrastmittel gespritzt würde. Der Patient in der Röhre sah im Spiegel: In der Tat hob die Frau im entscheidenden Moment den Arm.
Dies ist sicherlich nichts Aufregendes, um literarisch verarbeitet zu werden. Auch war der Befund nach der Untersuchung unauffällig. Spektakulär ist aber die Überraschung, die die Frau mit dem Arm mit bitterernster Mine präsentierte: „Sie haben ein signifikant übergroßes Gehirn!“ Glücklich ging der Patient nach Hause – in der Gewissheit, dass er überleben würde, „aber einen Adelspalast von einem Gehirn“ besaß, fasst das Duo Dorau/Regener den Glücksmoment zusammen.
Sechs Vorhänge für „König der Möwen“
Mit einem solch riesigen Gehirn ist das Musikerleben wohl um so interessanter. Auf den weiteren Seiten durchlebt man die verschiedenen Trends in der Musikbranche der vergangenen Jahrzehnte aus der Sicht von jemandem (auch Sven Regener gehört ja dazu), der aktiv die Szenerie kennengelernt hat. Dorau, der außer dem Jupiter-Song auch noch andere musikalische Erfolge hatte (beispielsweise mit der Produktion „Aus der Bibliothèque“) hat das Innenleben der Musikgeschäfts in der Tat aus der Nähe erlebt.
Auch ein Musical gehört zu seinem künstlerischen Schaffen. Mit mit seinem Team (allen voran Gereon Klug) entstand ein musikalisches Theaterstück namens „König der Möwen“ über einen Plattenladen, das 2018 auf Kampnagel-Festival in Hamburg aufgeführt wurde: „Wir bekamen bis zu sechs Vorhänge.“
Von der Macht des Video-Kanals „Viva“
Und dann kam 1993 Viva. Dorau gehörte zum Mitarbeiterstab für Videoproduktionen und Dorau erlebte hautnah mit, welche Wucht der Macht der neue Musikfernsehkanal durch seine Videos entwickelte: „Wer bei Viva lief, war drin, der Rest war draußen…Viva war das Goldene Kalb und die Musikindustrie tanzte in Trance um dieses Kalb berum.“ Kritisch merken Dorau/Regener an: „Quitschebunter Film und unkomplizierte, nicht weiter störende Musik zusammen ergaben das perfekte Viva-Video. Unkonventionelle Musik, sperrige Künstler … hatten in diesem System keinen Platz…Die Videoproduzenten umkreisten die Plattenindustrie wie ein Schwarm Piranhas einen trägen, dicken Fisch.“
Andreas Dorau war als „Video Consultant“ dabei, worüber er – den Eindruck hat man beim Lesen dieses Kapitels – im nachhinein nicht grade glücklich zu sein scheint: „Ich drehte quitschebunte Quatschfilme und ließ den cineastischen Impuls und die künstlerischen Ambitionen zu Hause. Meine Videos liefen bei Viva auf Heavy Rotation.“
Warum das Buch ehrlich ist
Überhaupt ist „Die Frau mit dem Arm“ ein ehrliches Buch, das auch über Schwächen, Misserfolge und Ungeschicklichkeiten im Leben Doraus berichtet beispielsweise über das Scheitern als DJ oder seine Probleme als Sprecher bei einer Hörspielproduktion für den Bayerischen Rundfunk namens „Adornos Traumprokolle“. Auch seine Probleme als Legastheniker gehören zum Inhalt des Buches. Im Übrigen gibt Dorau unumwunden zu, dass er bei seinem Hit „Fred vom Jupiter“, der in seiner Jugendzeit entstand, sowohl bei der Textgestaltung als auch beim Gesang nur eine kleine Rolle spielte.
Keineswegs die heile Welt (trotz der humorvollen Passagen) herrscht also in „Die Frau mit dem Arm“ Um so empfehlenswerter ist diese Buch-Zugabe.
Zu den Terminen der Leserreise der beiden gehört die Veranstaltung am 15. März um 20 Uhr in Frankfurt/Main im Mousonturm, Saal, Waldschmidtstraße 4. „Die Frau mit dem Arm“ kostet 22 Euro und ist im Verlag Galiani erschienen und ist auch als Hörfassung erhältlich.
Titelbild: Die beiden Musiker Sven Regener (links) und Andreas Dorau bilden ein erfolgreiches Autorenduo. (Foto: Charlotte Goltermann)