Roman „Hundepark“ rüttelt auf
von Jörg-Peter Schmidt
Um die gnadenlose Ausbeutung von jungen Frauen durch Agenturen für Eizellenspenderinnen geht es in dem Roman der estnisch-finnischen Autorin Sofi Oksanen. Vor rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörern wurde jetzt im Kleinen Haus des Gießener Stadttheaters ihr bewegendes, aufrüttelndes Buch, dessen Titel „Hundepark“ heißt, vorgestellt.
Schicksal von Leihmüttern wird erläutert
Eingeladen hatten die Schriftstellerin, die vor allem mit ihrer dritten Erzählung „Fegefeuer“ sehr erfolgreich war, in einer gemeinsamen Veranstaltung das Stadttheater und das Literarische Zentrum Gießen (LZG). Im Stadttheater läuft „Hundepark“ als Inszenierung. Bevor die Schauspieler Zelal Kapcik und Ben Janssen aus der deutschen Übersetzung des spannenden Romans, dessen Kritik an Missständen wie ein roter Faden die 480 Seiten durchzieht, lasen, begrüßten das Publikum: Lena Meyerhoff (Dramaturgin am Gießener Stadttheater) und Dr. Anika Binsch (LZG). Zwischen den Lesungen der Textauszüge befragte in einem auf Englisch geführten Gespräch Sandra Binnert (LZG) die Autorin. Binnert fasste zwischendurch auf Deutsch einige Passagen des Interviews zusammen, in dem Oksanen erläuterte, dass ganz speziell in der Ukraine der Name der Leihmütter nicht in der Geburtsurkunde erscheint. Die Ausbeutung von Leihmüttern ist leider nicht nur ein Problem in der Ukraine, sondern auch in anderen Ländern.
Beschreibung von Entwürdigungen
So wird ab Seite 80 geschildert, wie eine Kundin die körperliche Beschaffenheit der Spenderin Daria prüft. Man fühlt sich an frühere Sklavenmärkte erinnert: Die Kundin untersucht Darias Zähne und ihre Haut: „Die Frau packte hart zu, als sie Darias Haut schrubbte, als ging es um eine abgebrannte Bratpfanne.“ Dann testet diese kühl-arrogante Frau, die entwürdigend kein Wort mit Daria spricht, die „Qualität“ der Kopfhaut und die Haare der Spenderin, die sich zur „Begutachtung“ auch noch ausziehen muss.
Handlungsebenen springen hin und her
„Hundepark“, dessen Original 2019 auf Finnisch erschien, spielt in mehreren Zeitebenen (von Anfang der 1990er Jahre bis 2016) und vornehmlich in der Ukraine und Finnland. Die Beschreibungen der Schauplätze und Personen der Handlungsebenen springen ständig hin und her. Man muss sich sehr konzentrieren, um die Orientierung am Roman nicht zu verlieren. Und man muss akzeptieren, dass diese Sprünge manchen Leserinnen und Lesern einfach zu viel sind.
Abscheu bereits vor den Vorboten des Ukrainekriegs
Wenn man aber durchhält und das packende Buch zu Ende liest, stellt man fest, dass alle verschiedenen Handlungen, in denen die ehemaligen erfolgreichen Mitglieder einer Agentur für Eizellenspenden Olenka und Daria die Hauptrolle spielen, zusammenhängen: Auch die mit Abscheu von der Schriftstellerin beschriebenen Vorboten von Putins Ukrainekrieg, der jetzt Dimensionen angenommen hat, die einem wahrgewordenen Alptraum gleichen.
„Hundepark“ ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet 23 Euro (der Titel des Buches weist auf im Roman enthaltene Begegnungen in einem Hundepark in Helsinki hin).
„Hundepark“ ist mit ukrainischen Untertiteln noch im Stadttheater Gießen zu sehen: am 19. März (18 Uhr), am 28. April (19.30 Uhr) und 1. Mai 18 Uhr).
Titelbild: Sofi Oksanen stellte ihren Roman im Kleinen Haus des Gießener Stadttheaters vor. (Fotos: Jörg-Peter Schmidt)