Maximinus Thrax besteuerte Reiche
Im Jahr 233 verwüsteten Germanen die blühende römische Provinz im Rhein-Main-Gebiet. Kaiser Maximinus Thrax verfolgte sie mit 30 000 Mann bis ins nördliche Niedersachsen. Danach ließ er hohe Mauern um Dieburg, Nida, Ladenburg und andere Städte bauen. Die Straßen und die Limes-Kastelle im Rhein-Main-Gebiet wurden erneuert – das Geld dafür holte sich Maximinus von den Reichen. Das wurde ihm zum Verhängnis. Der Archäologe Egon Schallmayer schilderte am 18. März 2016 in Dieburg neue Erkenntnisse über den Herrscher.
Römer köpften ihren Kaiser
Nur drei Jahre regierte Maximinus Thrax das riesige Reich. Der Mann war fähig, glaubt Egon Schallmayer. „Innenpolitisch tat der Kaiser das Richtige. Wäre er nicht beseitigt worden – dann hätte er wahrscheinlich eine Stabilisierung des Reiches erreicht.“ Und die Römer hätten vielleicht viel länger Germanien und das Rhein-Main-Gebiet zivilisiert. Egon Schallmayer berichtete über diesen wenig bekannten Kaiser im Rahmen eines internationalen Kolloquiums über Stadtbefestigungen im Westen des Römischen Reiches.
Durch einen Mord kam Maximinus Thrax an die Macht, berichtete der ehemalige hessische Landesarchäologe Egon Schallmayer in der Römerhalle der Stadt Dieburg. Kaiser Septimius Severus hatte anno 235 in Mainz eine riesige Streitmacht von etwa 30 000 Legionären und Limes-Hilfstruppen zusammengezogen. Geplant war eine Strafexpedition in den Norden, denn zwei Jahre zuvor hatten Germanen aus dem Weser- und Elbe-Raum den Limes überschritten und die blühenden Siedlungen in der Wetterau und in der Rhein-Ebene bis hin ins heutige Frankreich geplündert. Dann zogen sie sich wieder in ihre Wälder zurück.
Doch der Abmarschbefehl blieb zunächst aus. Der erst 27-jährige Septimius Severus wollte verhandeln. Angeblich bot er den Germanen Geldzahlungen an, damit sie nicht noch einmal ins Reich einfielen. Das empörte seine Soldaten. Sie wollten Beute machen. Ende Februar 235 nach Christus wurde Septimius Severus mit seiner Mutter Mammaea in Mainz ermordet. Die meuternden Soldaten machten den erfahrenen Offizier Maximinus zum neuen Kaiser.
Maximinus Thrax stammt aus Thrakien – dem heutigen Bulgarien. Er soll sehr groß gewesen sein, laut Schallmayer „ein energischer Mann mit Hakennase, kraftigem Kinn und geschnittenem Bart.“ Der zeitgenössische Historiker Herodian bescheinigte dem neuen Kaiser, er sei „von rauhen Sitten, barsch und hochfahrend“ gewesen. Und weil Maximinus so viele Soldaten befehligte, ernannte der Senat im fernen Rom schon einen Monat nach der Ermordung von Septimius den neuen starken Mann zum Imperator.
Im Sommer 235 ging es los. Auf einer Schiffsbrücke überschritt die riesige Streitmacht bei Mainz den Rhein. In mehreren Marschsäulen zog man durch die Wetterau, durchs Kastelltor von Butzbach hinaus ins Gießener Becken und die Gegend von Amöneburg. Dann durchs Werratal und das heutige Thüringen an die Elbe, bis ins nördliche Niedersachsen. Die germanischen Siedlungen auf dem Wege wurden niedergebrannt, das Vieh und die Habe der Überfallenen durften die Soldaten von Maximinus behalten.
Im Herbst 235 kehrten die Eroberer zurück. Auf dem Rückmarsch gerieten sie in eine Falle: In einer Sumpfgegend am Westrand des Harzes im heutigen Landkreis Northeim überfielen Germanen den römischen Tross. Doch diesmal ging es anders aus als rund 220 Jahre vorher beim Überfall der Cherusker auf den Feldherrn Varus und seine drei römischen Legionen bei Kalkriese im Osnabrücker Land.
Diesmal, so Schallmayer, deckten die Römer die Angreifer mit einem Pfeilhagel aus fahrbaren Katapultgeschützen ein. Im Gefecht soll Maximinus selber mitgekämpft haben – sein Pferd stand laut Herodian bis zum Bauch im Sumpf. Ein großes Schlachtfeld mit tausenden Pfeilspitzen und Schuhnägeln wurde 2012 am Harzhorn ausgegraben. Die Angreifer mussten fliehen, und der siegreiche Kaiser kehrte mit seinen Truppen nach Mainz zurück. Gleich danach ließ er sich auf Münzen als „Germanicus Maximus“ verherrlichen – und brach bald ins heutige Serbien auf. Denn bei Belgrad bedrohten die Sarmaten die Donau-Grenze des Imperiums. Für einen Thriumpzug durch Rom nahm sich Maximinus keine Zeit.
Im Rhein-Main-Gebiet befahl der Imperator „ein regelrechtes Wiederaufbau-programm“, berichtete Archäologe Schallmayer bei seinem Vortrag in Dieburg. Diese Stadt nördlich des damals noch nicht existierenden Darmstadt bekam ihre erste Stadtmauer. Sie war am Fundament fast zwei Meter dick und gut fünf Meter hoch. Die heutige Ringstraße folgt der damaligen Wehrmauer. Das antike Dieburg umfasste mehr als 20 Hektar. Erst im 12. Jahrhundert wurde die römische Stadtmauer abgerissen, die Steine verwendete man für Wohnhäuser und die teilweise noch immer erhaltene mittelalterliche Stadtmauer.
Ähnliche Mauern bekamen auch Rottenburg am Neckar (damals Sumelocenna), Bad Wimpfen (Civitas Alisenensis), Ladenburg bei Heidelberg (Ulpia Sueborum Nicrensium ). Im heutigen Frankfurt-Heddernheim umschloss die neue Stadtmauer 50 Hektar der Stadt der Stadt Nida. Dieses Zentrum der „Civitas Taunensium) ließ Maximinus zusätzlich durch einen sieben Meter breiten Graben und ein 20 Meter breites Vorfeld voller Gruben mit angespitzten Holzpfählen sichern. Zusätzlich verstärkten die Römer damals das Saalburg-Kastell bei Bad Homburg und das Zugmantel-Kastell bei Idstein. Auch die Landstraßen reparierten die Bautrupps von Maximinus, damit der Handel funktionierte und Truppen bei Bedarf schnell an den Limes marschieren konnten. „Man wollte das Land behalten“, schließt Egon Schallmayer aus all diesen Bauten. „Die Mauern sollten garantieren, dass das Leben in den Städten weitergehen konnte.“ Offenbar traute man den Germanen weitere Überfälle zu.
All diese Sicherungs-Bauten kosteten viel Geld. Und damit niemand meuterte, erhöhte Maximinus den Sold der Soldaten massiv auf 7200 Sesterzen pro Jahr – ohne wie damals üblich den Silbergehalt der Münzen zu verringern.
Woher sollte das Geld kommen? Maximinus erhöhte die Steuern für die reiche Oberschicht des römischen Imperiums. Das erzürnte vor allem die Besitzer der riesigen Getreidefarmen und Oliven-Plantagen im heutigen Tunesien. In der Stadt Thysdrus im heutigenTunesien wurde ein Steuereintreiber des Kaisers gelyncht. Und die dortigen Oligarchen ernannten den etwa 80-jährigen Prokonsul Gordianus von Africa zum neuen Kaiser. Man schickte Abgesandte nach Rom, die den Präfekten der Hauptstadt und der Prätorianer ermordeten. Die Senatoren beeilten sich, Gordianus anzuerkennen und Maximinus zum Staatsfeind zu erklären. Gordianus und sein Sohn wurden zwar bald von Gefolgsleuten des Maximinus ermordet, doch der Senat ernannte gleich die römischen Adligen Pupienus und Balbinus zu gleichberechtigen Kaisern.
Der abgesetzte Maximinus Thrax entschied sich, mit seinen Truppen gegen Rom zu marschieren. Doch dazu musste er die römische Großstadt Aquileia südlich des heutigen Udine im östlichen Italien erobern. Das gelang ihm aber nicht, denn wenige Jahre zuvor hatte Maximinus die Stadt, die er nun belagerte, selbst stark befestigen lassen. Die Soldaten des abgesetzten Kaisers wendeten sich bald gegen ihn. Denn ihre Versorgung stockte. Außerdem lebten ihre Familien im römischen Reich und wurden somit zu Geiseln. Im April 238 ermordeten Soldaten der II. Parthischen Legion ihren Anführer Maximinus und seinen Sohn. Sie wurden enthauptet. Die Köpfe spießte man auf Stangen und brachte sie nach Rom. Damit war das Ende eines Herrschers gekommen, der vielleicht das Römische Reich gerettet hätte.