Sympathie-Werbung in der Wetterau
Immer mehr Flüchtlinge erkennen offenbar, dass sich im Lande eine ausländerfeindliche Stimmung breit macht. Sie reagierten in Butzbach und Bad Nauheim mit Blumengaben und öffentlichen Dankes-Bekundungen für ihre Aufnahme.
Flüchtlinge danken
Auf dem Videoportal Youtube ist neuerdings ein Film zu sehen, auf dem meist junge Leute Blumen an Passanten auf dem Butzbacher Marktplatz verteilen. Deutsche und Migranten heben Schilder hoch: „Nein zur Gewalt gegen Frauen und Kinder“ steht darauf oder: „Wir respektieren die deutschen Gesetze und Regeln“. Ein älterer Mann offenbar syrischer Herkunft sagt: „Vielen Dank, dass die Deutschen Leute uns respekieren.“ Auch in Syrien habe man bis zum Krieg die Frauen respektiert: „Wenn eine Frau durch den Bus geht und kein Sitz frei ist, muss ein Mann aufstehen und ihn anbieten.“
Das über Youtube und Facebook verbreitete Video ist offenbar als Antwort auf die immer häufigeren Berichte über kriminelle Ausländer entstanden. Anschauen kann man es hier.
Eine weitere Aktion zur Rettung der gastfreundlichen Stimmung gab es in der zweiten Januarwoche in Bad Nauheim. Zehn Flüchtlinge aus dem Sportheim bedankt sich für die Fürsorge und das „Kümmern“ der Bad Nauheimer, berichtete die Stadtverwaltung. Sie überreichten Mitgliedern des Runden Tisches für Flüchtlingshilfe rote Rosen. „Wir möchten uns bedanken: bei allen hier, weil man sich im Sportheim so gut um uns kümmert, und bei Deutschland, weil man uns hier aufnimmt. Wir haben inzwischen erkannt, was das alles tatsächlich bedeutet“, übersetzte Aydin Yilmaz die kurze Ansprache des Sprechers der zehnköpfigen Abordnung aus dem Sportheim.
„Wir möchten uns entschuldigen“
Hintergrund war ein Vorfall von Anfang Januar 2016. Da hatten zehn gerade in Bad Nauheim einquartierte Flüchtlinge auf der Parkstraße gegen ihre Unterbringung in der Sammelunterkunft an der Hauptstraße protestiert. Sie hielten Schilder hoch, in denen sie besseren Wohnraum forderten. Die Ordnungspolizei sorge dafür, dass die kleine Protestkundgebung vom Zebrastreifen auf den angrenzenden Parkplatz vor dem Rathaus verlegt wurde.
„Wir möchten uns entschuldigen“ hieß es nun. „Unsere Demonstration war unüberlegt, einige von uns waren aufgeregt an dem Tag, ein Wort gab das andere.“ Der Sprecher war ein junger syrischer Vater.
Filiz Taraman-Schmorde als Vorsitzende des Ausländerbeirats und Bürgermeister Häuser dankten den Flüchtlingen für diese Geste und versicherten ihnen, dass man auch künftig alles Mögliche tun werde, um ihnen ihr Leben in Bad Nauheim und die Eingewöhnung in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern. Beide waren sich mit den weiteren Mitgliedern des Runden Tisches einig darin, dass der Umgang mit den geflüchteten Menschen besondere Sorgfalt und Sensibilität aller Beteiligten verlange. „Es sind Menschen in einer Ausnahmesituation: in einem fremden Land mit einer Sprache, die sie nicht verstehen, mit Gewohnheiten, die sie nicht kennen, und belastet mit Erinnerungen, die sie nicht vergessen können. „Diese Menschen brauchen unser Verständnis, und wir sollten nicht gleich jede Bemerkung und jede Aktion überbewerten“, betonte Filiz Taraman-Schmorde.
„Flüchtlinge brauchen Ruhe“
Laut BürgermeisterHäuser ist es wichtig, den Flüchtlingen Ruhe und Privatsphäre zu sichern. Dies sei in einer Notunterkunft wie dem Sportheim sicher nur begrenzt zu gewährleisten, aber eine andere Möglichkeit habe man nicht, da die Belegung freier Wohnungen derzeit ausgereizt sei. „Immerhin haben wir es recht schnell geschafft, zumindest für Familien mit kleinen Kindern eine Unterbringung in Wohnungen zu ermöglichen“, so Häuser
Nach Auskunft von Fachdienstleiterin Heike Noll haben in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 50 Flüchtlinge die Unterkünfte der Stadt Bad Nauheim verlassen, entweder durch Umzug in reguläre Mietwohnungen nach ihrer Anerkennung oder durch Wegzug in andere Kommunen. Derzeit seien in den städtischen Unterkünften 274 Flüchtlinge untergebracht, davon 62 im Sportheim. Für das erste Quartal 2016 hat die Stadt nach ihren Angaben mit weiteren 160 Flüchtlingen zu rechnen.
Zu deren Unterbringung konzentriere man sich auf angemietete Häuser und Industriehallen, die für diesen Zweck allerdings umgerüstet werden müssten. „Wir haben zurzeit Platz für etwa 600 weitere Flüchtlinge in Aussicht, das entspricht in etwa der Zahl, die wir nach heutigem Stand an Flüchtlingen in diesem Jahr zu erwarten haben. Die Unterbringung in Sporthallen kann damit auch 2016 vermieden werden“, erläuterte Bürgermeister Häuser.