Schulen

Digitale Aufrüstung mit Pannen

Von Klaus Nissen

Etwa 80 Prozent der Wetterauer Schulen nutzen das kreiseigene Programm wtkedu für den Fernunterricht der rund 30 000 Schülerinnen und Schüler im Kreis. Die andereren Schulen weichen auf andere Videokonferenzsysteme aus – das ging bei einer Grundschulklasse in Florstadt schief. Statt der Lehrerin erschienen Pornobilder auf den Bildschirmen der daheim sitzenden Zweitklässler. Die Kreisverwaltung hat eine Vermutung, warum das sichere System nicht von allen genutzt wird.

Pornobilder für Zweitklässler

Wenn die Karl-Weigand-Schule das Wetterauer Lernprogramm wtkedu genutzt hätte – dann wäre den Kindern die Konfrontation mit Pornobildern wahrscheinlich erspart geblieben. Denn bei diesem System müsste sich der Täter „richtig“ im System anmelden und könnte wohl nicht durch einen gestohlenen Link ins Unterrichtsgespräch eindringen. Bisher seien alle „Hacks“ von Fremden bei wtkedu abgewiesen worden, sagt der Kreis-Sprecher Michael Elsaß.

Landrat Jan Weckler (rechts) informiert sich bei Anja Blum und Christian Knickel vom Fachdienst „Schul-IT und Einrichtungen“ zur IT – Bestandaufnahme in einem Klassenraum der John F. Kennedy Schule Bad Vilbel. Foto: Wetteraukreis

Ende Januar 2021 drang ein Unbekannter in den Fernunterricht der Florstädter Karl-Weigand-Grundschule ein. Bei den daheim sitzenden Kindern der zweiten Klasse verschwanden plötzlich die beiden Lehrerinnen von den Bildschirm. Statt ihrer projizierte der Täter Pornofotos in die Videokonferenz. Er hatte sich unter dem Namen einer Schülerin eingeloggt. Eltern merkten den Vorfall und alarmierten die Polizei und die Schulleitung. Seit dem 29. Januar 2021 versucht die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, den Vorfall aufzuklären. Die Karl-Weigand-Schule nutzte die wegen ihrer leichten Bedienbarkeit beliebte Konferenzsoftware „Jitsi“. Bisher gibt es laut Schulamt in Bad Vilbel keine Verpflichtung der Wetterauer Schulen, das kreiseigene Lernsystem wtkedu zu benutzen.

Jede Schule kann ihre Lernsoftware wählen

Dass nicht alle Schulen das kreiseigene System nutzen, liege wohl an der subjektiv leichteren Bedienung andererer Systeme wie etwa Zoom oder Jitsi. Solche Systeme, so Elsaß, „können aber richt immer Sicherheitsstandards erfüllen und sind oftmals auch nicht datenschutzkonform.“ Der Hessische Datenschutzbeauftragte empfehle den Schulen, die Lernplattformen der Schulträger zu nutzen. Ob sie das wirklich tun, liege aber in ihrer eigenen Verantwortung.

Bislang gibt es nur in wenigen Wetterauer Schulen Wlan und interaktive Tafeln, die man zugleich mit Stiften beschreiben und als Bildschirm für Online-Medien und eigene Präsentationen nutzen kann. Doch bis 2024 soll sich das massiv ändern. Im Dezember beschloss der Kreistag einen Medienentwicklungsplan. Der soll 19,6 Millionen Euro aus dem DigitalPakt Schule des Bundes und der Länder in die Wetterau holen. Mit weiteren 4,7 Millionen Euro aus der Kreiskasse will der Schuldezernent und Landrat Jan Weckler (CDU) den Unterricht zukunftsfähig machen. Die Schulen sind laut Weckler aufgerufen, Konzepte für ihre digitale Entwicklung beim Kreis einzureichen. Der erste Antrag sei schon kurz vor Weihnachten bei der Förderbank gestellt worden, um die Zuschüsse vom Bund zu bekommen.

Wetterau steckt 24 Millionen in die digitale Aufrüstung

Die Erfahrungen in der Corona-Pandemie zeigen laut Weckler, wie wichtig die Online-Verbindungen zwischen Lehrkräften, Unterrichtsservern und Schülern sind. Damit wtkedu auch bei Schulschließungen von allen genutzt werden kann, wurde der Server verstärkt. Außerdem stellte der Landkreis 2300 Ipads bereit. Die Schulen sollen sie an Kinder und Jugendliche verleihen, die zu Hause keine passenden Endgeräte für den Unterricht haben.

Erst in der Nach-Corona-Zeit wird sich die beginnende Ausstattung der Klassenräume mit drahtlosem Internet (Wlan) und interaktiven Tafeln (Whiteboards) auswirken. Das sei eine „immense Aufgabe“, sagt der Landrat und gelernte Lehrer Jan Weckler. Vor einigen Monaten haben Bauexperten und IT-Leute damit begonnen, die ersten von insgesamt 2600 Schulräumen zu besichtigen.

Im zweiten Halbjahr hängen die ersten interaktive Tafeln

Um den Unterricht nicht zu stören, machen sie das während des Fernunterrichts, ansonsten nachmittags oder in den Ferien. Vor dem Wlan-Ausbau stellt sich laut Weckler manchmal heraus, dass der Brandschutz oder auch die ganze Elektroinstallation in einer Schule erneuert werden muss. „Die Voraussetzungen gerade im Bereich der Verkabelung in den einzelnen Schulen sind – natürlich vor allem abhängig vom Alter der Gebäude – sehr unterschiedlich und in der Regel sehr aufwändig“, betont der Landrat.

Nach aktueller Planung sollen im zweiten Halbjahr 2021 die ersten interaktiven Tafeln in Wetterauer Klassenzimmern installiert werden.

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