Mietwohnungen

Viele Vermieter melden Eigenbedarf an

Von Klaus Nissen

Immer mehr Vermieter kündigen wegen Eigenbedarfs, vermieten die Wohnung dann aber zu einem höheren Preis neu. Solche Erfahrungen sammelt Michael Klaus. Der 61-jährige Jurist leitet seit 24 Jahren den Mieterbund für Friedberg und den Wetteraukreis. Die Interessenvertretung der Mieter wurde schon 1920 gegründet und zählt rund 3000 Mitglieder. Im Interview fordert Klaus von den Kommunalpolitikern mehr Entschlossenheit, in den Ortskernen Mietwohnungen zu schaffen.

So entstehen mehr Mietwohnungen

Herr Klaus, sie beraten die Mitglieder des Mieterbundes Friedberg und Wetterau, wenn sie Wohn-Probleme haben. Welche Probleme tauchen da auf? Starke Mieterhöhungen?

Durchaus. Der Vermieter kann die Kaltmiete um bis zu 20 Prozent innerhalb von drei Jahren anheben. Nur in Bad Vilbel und Rosbach ist die Erhöhung aktuell auf 15 Prozent begrenzt. In der Wetterau gibt es in keiner Gemeinde einen Mietspiegel. Infolgedessen muss der Vermieter wenigstens drei Vergleichswohnungen aus der politischen Gemeinde benennen, in der die Mietwohnung liegt und für die der gewünschte Mietzins schon bezahlt wird.

Der Mieterbund-Vorsitzende Michael Klaus in seinem Büro. Er sagt, dass die Kommunen entschlossener in ihren Ortskernen bezahlbare Mietwohnungen bauen müssen. Foto: Nissen

Wie sieht es mit den Nebenkosten aus? Die sind oft so hoch, dass man sie als zweite Miete bezeichnet.

Uns besuchen schon mal Mieter, die über die Höhe der Nachforderung schockiert sind. Nicht immer sind die Abrechnungen aber auch fehlerhaft. Nicht jeder Mieter weiß, wieviel etwa ein Kubikmeter Wasser oder Abwasser in seiner Gemeinde kostet. Oftmals bestehen auch Fehlvorstelllungen darüber, was eine Kilowattstunde Strom kostet. Auch passen oft die Vorauszahlungen nicht. So lässt sich etwa eine 100 Quadratmeter große Wohnung mit normaler Ausstattung eben nicht mit 150 Euro an Vorauszahlungen im Monat bewirtschaften. Hier muss man sich als Mieter rechtzeitig vorher kundig machen, um Überraschungen zu vermeiden.

Nebenkosten-Nachzahlung nur fürs vorige Jahr

Es soll ja auch vorkommen, dass ein Vermieter gleich für mehrere Jahre zusammen die Nebenkosten abrechnet und dann hohe Beträge fordert.

Das ist rechtlich nicht zulässig. Eine Abrechnung muss immer zwölf Monate umfassen. Wenn man als Vermieter eine Nachzahlung begehrt, dann muss die Abrechnung spätestens zwölf Monate nach dem Ende des vorangegangenen Abrechnungszeitraums vorgelegt werden. Wird das nicht getan, kann eine Nachzahlung zu Recht nicht mehr verlangt werden. Längere oder kürzere Abrechnungszeiträume sind unzulässig, weil dann die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist. Bei Guthaben sieht es anders aus: Legt ein Vermieter eine Abrechnung etwa verspätet vor oder muss sie erst gesondert eingefordert werden, ist ein Guthaben auch nach drei Jahren noch auszuzahlen.

Kommt es oft zu Streit bei Wohnungskündigungen?

Das kommt auf die Form der Kündigung an und von wem sie ausgeht. Kündigt ein Mieter, wird oftmals auf Renovierung bestanden oder auf Zahlung von Schadensersatz durch Beschädigung, obwohl in vielen Fällen kein Renovierungsanspruch zum Vertragsende besteht. Das muss aber konkret am Mietvertrag geprüft werden. Im Regelfall ist es so, dass derjenige, der in eine unrenovierte Wohnung eingezogen ist, bei Auszug nicht renovieren muss.

Ein anderes Problem stellen die Eigenbedarfskündigungen dar. Nicht immer ist es so, dass da, wo Eigenbedarf draufsteht, auch Eigenbedarf drin ist. Es häufen sich die Fälle, in denen nach Kündigung zugunsten eines Familienangehörigen – das Kind soll oder will in die Mietwohnung einziehen – im Nachhinein eine Neuvermietung festzustellen ist. Wenn man später feststellen sollte, dass der Eigenbedarf nicht umgesetzt wurde, steht ein Schadensersatzanspruch wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs im Raum.

Ist der Vermieter wirklich der Vermieter?

Da kann ich als Mieter nur hoffen, dass die Eigenbedarfskündigung einen Formfehler hat?

In jedem Falle ist dann, wenn man eine Kündigung erhält, ob Eigenbedarfskündigung oder eine Kündigung anderer Art, fachkundig zu prüfen, ob derjenige, der kündigt, auch tatsächlich Rechtsinhaber ist. Das ist nicht immer der Fall. Zum Beispiel dann, wenn der Eigentümer selbst nicht tätig wird oder Hausverwaltungen involviert sind, kommt es mitunter zu Verwerfungen.

Finden Sie eigentlich auch, dass in Wetterau zu wenige Wohnungen gebaut werden?

Es ist allgemein bekannt, dass zu wenig Wohnungen gebaut werden, die bezahlbar sind. Auch wenn in Bad Vilbel, Bad Nauheim, Friedberg und Karben Wohnungen gebaut werden, dann doch eher Einfamilienhausareale, Eigentumswohnungen und zu einem geringen Teil Mietwohnungen, die aber oftmals im Zehn-Euro-Segment pro Quadratmeter liegen. Das ist im Regelfall für eine Familie kaum zu stemmen. Im Osten der Wetterau entsteht naturgemäß auch weniger Geschosswohnungsbau, vielmehr Ein- und Zweifamilienhäuser an den Stadträndern. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass vielfach Gebäude im innerstädtischen Bereich leerstehen.

Wird also am falschen Ort gebaut? Sollten die Dörfer und Kleinstädte auf Neubaugebiete verzichten und lieber Mietwohnungen in zentralen, ungenutzten Arealen bauen?

Unterm Strich wäre es besser, wenn derjenige Förderungen erhielte, der eine Bestandsimmobilie erwirbt und sie instandsetzt, als dass ständig und weiterhin „jungfräulicher Boden“ an den Ortsrändern zugepflastert wird. Die Wohnungsbaugesellschaft in Nidda hat nach meiner Kenntnis knapp 50 Gebäude mit etwa 350 Wohnungen. Der Bestand hat sich bis heute nicht signifikant geändert, weil Neubauten sich auch finanzieren müssen durch Vermietung, was oftmals dann nicht darstellbar ist.

Das soll sich ändern, versprechen SPD und CDU. Schon 2016 vereinbarte die schwarz-rote Koalition in der Wetterau die Gründung einer kreisweiten Wohnungsbaugesellschaft. Kurz vor der Kommunalwahl im März soll es losgehen.

Die Gründung einer kreisweiten Wohnungsbaugesellschaft führt ja nicht automatisch dazu, dass mehr Wohnungen entstehen. Auch die Flächen, auf denen Wohnungen erstellt werden können, vermehren sich nicht. Und wenn die Städte und Gemeinden nicht aktiv werden, nutzt auch eine Wetterauer Gesellschaft nichts.

In Friedberg ist ein 74-Hektar-Baugebiet seit Jahren ungenutzt

Warum sind denn die Kommunen beim Mietwohnungsbau zögerlich und weisen lieber Baugebiete für Einfamilienhäuser aus?

Hier dürfte in erster Linie ein Kompetenzproblem und auch fehlende Entschlussfreudigkeit der jeweils zuständigen Magistrate festzustellen sein. „Bestes“ Beispiel sowohl von der Größe als auch vom zeitlichen Verzug her ist etwa der Umstand, dass die US-Streitkräfte in Friedberg schon vor mehr als zehn Jahren abgezogen sind, aber auf den 74 Hektar Fläche bis zum heutigen Tage nichts geschehen ist. Mehr als Veranstaltungen des früheren Bürgermeisters in Frieberg, was man alles auf dem Gelände tun könnte, ist nicht passiert. In der Zeit des aktuellen Bürgrmeisters noch nicht einmal dies. Aufrufe an die Bürger, sie möchten sich beteiligen und ihre Vorstellungen für die Bebauung untgerbreiten, können im Ergebnis nur die Untätigkeit des Matistrats kaschieren, aber kein Projekt in Gang bringen. In zwölf Jahren wäre es ohne weiteres möglich gewesen, mit dem Bund, mit Investoren und eben mit der Stadt, die die Bauleitplanung in den Händen hält, entsprechende städtebauliche Verträge auszuabeiten.

Ist der Mietwohnungsbau zu teuer, wie immer wieder hervorgehoben wird?

Es kommt darauf an. Im öffentlich geförderten Wohnungsbau liegen die Standards höher als im preisfreien Wohnungsbau. In der Regel werden dabei Aufzüge gefordert und Treppenhäuser, die zu viel Fläche und damit Geld kosten. Auch werden überzogene Anforderungen wie das Nachweisen von Abstellräumen in den Wohnungen gestellt, was es im preisfreien Wohnungsbau nicht gibt. Und es ist die Frage, ob tatsächlich wirklich jedes Gebäude mit einem Aufzug ab dem vierten Stock mit einem Aufzug versehen werden muss.

Es ist also eine Illusion, auf zusätzliche gute und bezahlbare Mietwohnungen in der Wetterau zu hoffen?

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es muss sich aber in vielen Städten und Gemeinden die Einstellung zum Wohnungsbau ändern. Dazu gehört auch Sachverstand, respektive die Bereitschaft, sich selbigen zu verschaffen.

So erreicht man den Mieterbund Wetterau

Der Wetterauer Mieterbund ist montags, mittwochs und donnerstags ab 10 Uhr unter der Telefonnummer 06031/92726 erreichbar. Jenseits von Corona-Zeiten berät er seine Mitglieder auch in der Geschäftsstelle in der Steinhauser-Passage an der Kaiserstraße 82 in Friedberg. Wer Mitglied werden will, zahlt zwölf Euro Eintrittsgebühr und jährlich 75 inklusive Rechtsschutz bei Mietstreitigkeiten.

Ein Gedanke zu „Mietwohnungen“

  1. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) werden in Hessen etwa 2,5 Hektar Bodenfläche versiegelt, und zwar
    t ä g l i c h ! Deshalb verstehe ich die Lässigkeit Friedbergs nicht. Man sollte die leerstehenden Gebäude auf den bereits versiegelten 74 Hektar schnellstens in bezahlbaren Wohnraum umwidmen! Denn die Versiegelung neuer Flächen muss gestoppt werden, nicht nur für Gewerbegebiete. Die Orte können nicht immer noch weiter ausfransen. Das weiß man doch inzwischen!

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