Rewe-Logistikzentrum

Ein Schandmal auf dem Acker

Das Wölfersheimer Gemeindeparlament hat am 2. Juli 2020 den Bebauungsplan für das umstrittene Rewe-Logistikzentrum beschlossen. Gegner des wertvollen Ackerboden vernichtenden Bauwerkes demonstrierten vor der Sitzung. Volkhard Guth, Dekan des Evangelischen Dekanats Wetterau, bezeichnete das geplante Logistikzentrum als „ein Schandmal“. Werner Neumann, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (Bund) Wetterau, warf Rewe vor, besten Boden zu vernichten. Es gebe Alternativen zu Rewe, „bessere Märkte mit mehr Bio-Produkten“, stellte Neumann fest. Der Landbote dokumentiert wesentliche Teile der Reden, die Neumann und Guth während der Kundgebung am 2. Juli 2020 gehalten haben.

Auszüge aus der Rede von Werner Neumann:

Das Rewe-Logistikzentrum wird wie ein Klotz in der Landschaft liegen, wie man ihn sich bisher nicht vorstellen kann, zumal Rewe in seinen Publikationen dieses systematisch zu klein dargestellt hat. Es ist ein Fremdkörper, es gehört dort nicht hin, der ausgewählte Platz ist der Schlechteste, den man sich vorstellen kann. Schlimm ist dabei, dass weder Rewe noch die Gemeinde Wölfersheim dies merkt, dass sie das falsche Projekt am falschen Platz umsetzen wollen. Wenn die Gemeinde Wölfersheim sagt, es wäre nur ein Prozent der freien Fläche betroffen, dann zeigt dies nur wie gering die Gemeinde ihren besten Boden schätzt und dass die die anderen 99 Möglichkeiten nicht in Betracht gezogen hat. Dies ist nicht nur dumm sondern auch rechtswidrig.

Das Rewe-Logistikzentrum ist ein Symbol einer zentralistischen Lebensmittelwirtschaft, die sich immer mehr konzentriert in immer größeren Zentren und Hallen, die sich immer mehr von den lokalen Lebensbedingungen entfernt, und die wie hier sogar diese lokalen Lebensbedingungen schädigt. Was kann denn schlimmer sein, als dass ein Lebensmittelkonzern die örtlichen Lebengrundlagen schädigt. Wir sagen dazu: Viel zu wertvoll für Beton, Rewe soll sich vom Acker machen!

Das Rewe-Logistikzentrum ist ein Zeichen gegen eine dezentral, regional und ökologisch aufgebaute Landwirtschaft, die auch gute Qualität, kurze Wege achtet. Und damit unabhängiger ist, denn auf der anderen Seite sind es die Erzeuger die von den Zentralstrukturen von Rewe und anderen abhängen und denen die Preise oft genug vorgegeben werden. Oder sie kommen nicht rein in den Laden. Rewe leistet sich dabei sogar eine kleine Alibi-Ecke mit Bio-Lebensmitteln und Kartoffeln vom Bauer nebenan. Gut so, aber dann wäre doch die Konsequenz gerade den lokalen Erzeugern nicht ihren Boden wegzunehmen und tonnenweise mit Lastwagen wegzufahren.

Wie so oft, die Wirtschaft zahlt nicht für die Schäden die sie verursacht. Rewe zahlt nicht den Klimaschutzschaden für die Zerstörung besten Humusbodens, Rewe zahlt nicht für das Kohlendioxid aus dem billigen Diesel der Lkws, zahlt nicht genug für die Lastwagenfahrer, die unter schlechteste Bedingungen arbeiten, zahlt nicht für die Schäden an der Natur.

Wir sagen hingehen, wir brauchen Rewe nicht. Wir setzen auf die regionale Landwirtschaft die Böden, Qualität, Humus, Klimaschutz und Grundwasser schont. Denn der Flächenfraß für viele weitere Logistikzentren, die es nur gibt, weil Boden, Energie, Arbeitskraft und Natur zu billig zu bekommen sind, untergräbt im wahrsten Sinne unsere Lebensgrundlagen. Rewe spricht viel von Verantwortung, die der Konzern tragen würde, auf deren Tragetaschen. Tatsächlich trägt Rwwe besten Boden weg und weigert sich Verantwortung zu tragen. Verantwortung Fehlanzeige.

Es gibt viele Alternativen zu Rewe, sagen die Gegner der Bodenvernichtung in Wölfersheim.

Wir werden daher gemeinsam mit den Verbänden und dem Aktionsbündnis Bodenschutz noch mehr darauf hinweisen, dass es viele Alternativen zu Rewe gibt, bessere Märkte mit mehr Bio-Produkten und viele Bio- und Ökomärkte, Direktvermarkter, Solidarische Landwirtschaft, Bäuerliche Landwirtschaft und so weiter in der Wetterau und drum herum. Und es sollte auch nicht mehr vorkommen, dass Umweltverbände auch noch Geld von Rewe annehmen, um Vorzeigeprojekte zu machen auf dass Rewe hier noch größeren Schaden anrichtet.

Verantwortungslos handelt unseres Erachtens auch die Gemeinde Wölfersheim. Sie hat die Arbeit für Rewe gemacht, so dass Rewe im Hintergrund bleiben konnte. Die Gemeinde hat den Landwirten das Land abgekauft in einem Umlageverfahren, Dank gilt hier den Landwirtsfamilien, die nicht verkauft haben und bewirkt haben, dass das Logistikzentrum immerhin etwas kleiner wurde. Aber Wölfersheim zahlt einen hohen Preis, die Lebensgrundlagen werden nachhaltig geschädigt, wertvollste Ressourcen verschwendet, der beste Bodenschatz verspielt, ein guter Teil der Zukunft von Wölfersheim bleibt auf der Strecke. Der Gewinn ist etwas Geld und unklar ist, ob die Steuern immer fließen werden, denn die Großkonzerne sind es, die regieren und es sind die Kommunen, die abhängig werden. Statt nun auf die eigenen regionalen Kräfte zu setzen, gibt man sich in die Hände der großen Unternehmen auf Gedeih und Verderb. Oft genug werden wie hier goldene Zeiten beschworen, die dann bald in Katzenjammer enden. Auch hochgelobte Arbeitsplätze sind in den Videos der Rewe Logistikzentren nicht viel zu sehen – das geht alles automatisch.

Die Gemeinde Wölfersheim opfert somit die wertvollsten Teile ihres Gemeinwohls und natürlicher Ressourcen gegen ein Versprechen eines Konzerns, von dem sie auf Dauer abhängig wird. Es sollte dann auch eher Rewehausen heißen, damit man weiß, wer hier das Sagen hat. Verantwortung Fehlanzeige.

Und man muss sich wundern dass dieses Projekt (wie auch so manch andere Logistikhalle) vor allem von Sozialdemokraten vorangetrieben wurde. Dies wundert, da die Arbeitsplätze im Hochregallager sehr unsicher und prekär sind, die Lkw-Fahrer so schlechte Arbeitsbedingungen haben, dass dort der nächste Skandal schon da ist und es eigentlich keine sozial vertretbaren Vorteile gibt. Man begibt sich in die Hände von großen Kapitalgesellschaften, breitet ihnen einen Teppich von Beton und Asphalt auf dem Besten Boden in der schönsten Natur und Landschaft aus und hofft dann, dass ein paar Brosamen abfallen Und opfert dafür Boden, Wasser, Natur der Gemeinde. Das mag auch alles total demokratisch abgestimmt werden, Verantwortung sieht aber anders aus.

Die alles sind gute Gründe, warum viele tausend Menschen das Rewe-Logistikzentrum ablehnen und bessere Alternativen vorgeschlagen haben. Unsere Hinweise und Kritiken wurden jedoch ignoriert, weggewischt. In der aktuellen Vorlage heißt es 80mal „zur Kenntnis genommen, abgewiesen“. Daher werden wir der Bund unsere Klage gegen die Zielabweichung weiterführen, denn wenn diese gewonnen wird, sind alle anderen Schritte hinfällig. Wir sind aber auch bereit, weitere Klageschritte zu gehen und zwar auch kurzfristig, denn es könnte sein, dass schon bald die Bagger anrücken.

Wir werden die Konzernpolitik von Rewe weiter kritisieren, denn es ist Rewe die hier verantwortlich sind, für eine der größten Umweltfrevel, den es in der Wetterau noch nicht gegeben hat. Wir werden nicht müde werden, zu zeigen, dass es nicht nur Alternativen zu diesem Logistikzentrum an dieser Stelle gibt, sondern auch zu Rewe. Man muss also nicht mit schlechtem Gewissen einkaufen gehen. Es gibt zahlreiche hochwertige Angebote der regionalen, nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft zu unserer Lebensmittelversorgung. Ohne das Logistikzentrum wird niemand verhungern, im Gegenteil, wir werden bessere Lebensmittel haben direkt aus unserer Region, der Ökolandbaumodellregion.

Auszüge aus der Rede von Dekan Volkhard Guth:

Diese monströse Halle am Rande von Berstadt steht sinnbildlich für den Verlust dessen, was die Wetterau ausgemacht hat bis heute. Sie steht nicht für Veränderung, sondern sie dokumentiert die unwiederbringliche Zerstörung einer Kulturlandschaft. Sie zeigt, dass wir uns selbst nicht mehr verstehen. – Eine seelenlose Logistikhalle in diesem Ausmaß erschafft nichts. Sie nimmt nur unübersehbar Platz und zerstört dauerhaft Räume und Landschaften. Wir stehen mit Fassungslosigkeit vor dem Abverkauf der Wetterau zum billigen Umschlagplatz und Warenlager für eine Metropole! Das gilt es heute zu benennen und zu beklagen.

Wir sind nicht gefragt worden. Niemand ist gefragt worden, ob er das will. Wie ein „Dieb in der Nacht“ kam das Projekt in unsere Region und stellte alle vor vollendete Tatsachen. Dieses Projekt hat erneut gelehrt, dass nicht alles, was als rechtmäßig erklärt wird, auch rechtens sein muss. Und das macht die Wut von Menschen aus. Weit über Wölfersheim hinaus. Denn es ist Irrglaube und zeugt von Ignoranz zu meinen, ein solch weithin sichtbarer babylonischer Turmbau könne bloß Sache einiger weniger Wölfersheimer Politiker sein, die andere nichts angehe.

Sind die hierher verlagerten Arbeitsplätze diesen Preis der Zerstörung wert? Ich kann es keinem Befürworter verübeln, dass er in den angekündigten Arbeits- und Ausbildungsplätzen eine Möglichkeit erkennt und die Chance ergreifen will. Aus seiner Sicht übernimmt er damit Verantwortung. Doch wohin neigt sich die Waage bei echter und bei ehrlicher Abwägung der Güter? Was bedeutet diese Ansammlung von Arbeitsplätzen künftig für den Ort und die Region? Wie nachhaltig ist diese Perspektive über die kommenden Jahre hinaus? Im Blick Lohnstruktur, das Verkehrsaufkommen, die Steuereinnahmen, die Sozialstruktur …? Wer nimmt die tatsächlichen Kosten des Umbaus der Wetterau zum Verteilzentrum in den Blick? Die Betriebswirtschaft des Rewe-Konzern tut es jedenfalls nicht. Diese kritischen Fragen bleiben unbeantwortet, weil sie an keiner Stelle des Verfahrens offen gestellt wurden.

Ich komme zum letzten Punkt: Rewe. Kein öffentliches Wort des Bedauerns. Zu keinem Zeitpunkt. Bedauern darüber, dass bei der Betrachtung des Standorts die Betrachtung der Böden keine Rolle gespielt hat. Die Böden, auf dem die Waren erzeugt werden, die über die Marke „regional“ verkauft werden. Im Gegenteil: Landwirtschaftliche Erzeuger, die aus ökologischen Gründen und aus der Sorge um ihr eigenes Erwerbseinkommen die Zerstörung des Bodens und die Reduzierung der landwirtschaftlichen Flächen angesprochen haben, mussten die Verweigerung der Abnahme ihrer Produkte fürchten. Doch sollte nicht der, der aus der Region verkaufen will, die Region und ihre Menschen auch achten!? Das gehört zu unserer Kultur! Und das gehört sich so – auch in unserer Region!

Es wird ein Schandmal auf den Äckern der Berstädter stehen. Gebe Gott, dass es uns allen Mahnmal wird – den Befürwortern und den Kritikern!

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