Hessischer Kabarettpreis

„Handkäs“ und „Bethmännchen“

Von Elfriede Maresch

Kein Zweifel: der Hessische Kabarettpreis in seinen vier Sparten strahlt den ganzen Charme des Landes zwischen Neckar und Diemel aus. In den Kronberger Lichtspielen wurde er jetzt wieder an überzeugende Kabarett-Persönlichkeiten verliehen. So heißt der Publikumspreis, der Matthias Reuter übergeben wurde, „Handkäs“. Mit dem Jurypreis „Bethmännchen“ wurde Aydin Isik ausgezeichnet. Der Förderpreis „Grie´Soß“ ging an die junge österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart, den Ehrenpreis „Ahle Worschd“ nahm Max Uthoff mit nach Hause.

Auftritte der Preisträger

Schon am Vorabend hatte das Publikum die Genannten, weitere Akteure und ihre Talente für Pointen, skurril-entlarvende Weltsicht und Selbstironie kennengelernt. Poetry-Slammer Julian Heun und das Musikduo Lieblingsfarbe Schokolade rundeten das Programm ab. Dem Publikum fiel die „Handkäs“-Entscheidung nicht leicht. Das „Bethmännchen“ vergab die ebenso kleinkunstkundige wie kritische Jury: Pia Bluhm („Piazza“ Vellmar), Jörg-Michael Simmer (Kulturscheune Herborn), Michael Glebocki (Fresche Keller Nidda), Eva-Maria Magel (FAZ), Rainer Dachselt (Hessischer Rundfunk), Martin Sonntag (Caricatura Kassel) und Harry Thyssen (Thyssen Entertainment). Dass der Preis, zum zweiten Mal übrigens, in vier Sparten vergeben werden konnte, ist der Sparda-Hessen zu danken, die drei Jahre lang den Wettbewerb unterstützt.

Pazifist mit der „Waffe der Sprache“, Vamp, Rollenspieler: (v.li.) Max Uthoff, Lisa Eckhart, Aydin Isik

Die Auftritte der vier Preisträger fügten sich dann am zweiten Abend zu einem Fest des „Brettl total“, dem das Publikum mit größtem Vergnügen folgte. Es moderierte Severin Groebner. Als erster brachte der Musikkabarettist Matthias Reuter einen Hauch von Ruhrpott auf die Bühne. Den „deutschesten Satz“ hatte er für sein Lied von den Pannen des Autofahrens, des Alltags überhaupt, vertont und so klang immer wieder der Refrain „Wir haben eine Haftpflichtversicherung“ auf. Ein brüchiges Idyll zeichnete er vom sonntäglichen Seniorenheim-Pflichtbesuch im Mai samt den Zornattacken des kleinen Norman: „Ich hasse Muttertag!“ Gesungene Sehnsucht folgte: „Ich wär gerne Seppel in der Trachtenmontur“ – vieles, vieles bleibt dem Ruhrpott-Bewohner versagt, aber tapfer warb Reuter für „Ferienwohnungen in Oberhausen: Da sind Sie Erstmieter!“ Wenn auch nicht in Blau-Weiß: er freute sich über den von Bildhauerin Ulrike Obenauer (Ortenberg-Bleichenbach) geschaffenen Schriftzug des Kabarettpreises.

Gott zu Tode erschrocken

Brachte einen Hauch Ruhrpott mit: „Handkäs“-Preisträger Matthias Hermann

„Bethmännchen“-Träger Aydin Isik ist stark vom Theater geprägt, wo er in vielen Produktionen als Schauspieler auftrat und selbst Klassikerbühnenfassungen wie auch Theaterstücke schuf. Die Fähigkeit, blitzschnell verschiedene Rollen zu verkörpern, zeigt er auch im politischen, im religionskritischen Kabarett. Hat er womöglich bei seiner eigenwilligen Darstellung der Schöpfungsgeschichte recht, ist Gott zu Tode erschrocken, nachdem er dem ersten Menschen Atem eingeblasen hatte: „Was hab ich denn da bloß gemacht?“ Hinreißend entstaubt Isik Klassiker in seiner Rolle als „erfolgreich integrierter jugendlicher Migrant“, geht mit einem satten Hauch sozialen Brennpunkts gegen sie an: „Hä? Den Erlenkönig mit Kron und Schweif – was hat der Junge denn da geraucht?… Hä – meine Töchter sollen dich warten schön?“ Jetzt fällt der Groschen: „Ah, Erlkönig ist auch so´n Zuhälter, macht Werbung für seine Mädels!“

Schlank, blond, elegant kam Lisa Eckhart auf die Bühne, Poetry Slammerin und preisgekrönte Kabarettistin, die durchaus den verruchten Vamp geben kann. Mit ihrem österreichischen Landsmann Georg Kreisler verbindet die neue „Grie Soß“-Trägerin das Talent des tiefschwarzen Humors. Kein Tabu darf in Ruhe auf seinem Sockel stehen bleiben: „Haustiere – das sind amouröse Mätressen, wenns mit der eigenen Rasse nicht gut läuft!“ Die „Todsünde Neid“ nahm sie sich vor. Nach der ersten Mondlandung hätten alle zu den vermeintlichen touristischer Hotspots im Weltraum gewollt. Dabei seien Raumfähren und Raketen äußerst unbequem und ein Trip durch die Galaxien schlimmer als Telefonsex mit einem Taubstummen.

Schließlich Max Uthoff, mit der „Ahlen Wurst“ ausgezeichnet, streitbarer Politkabarettist, erst „Anwalt der Anstalt“, jetzt zusammen mit Claus von Wagner Gastgeber im geänderten Format. Uthoff weiß sehr wohl mit der „Waffe der Pazifisten, der Sprache“ umzugehen, ob er sie nun als Säbel schwingt oder als punktgenau zustechendes Florett nutzt. In Schnellattacken nahm er sich die politische Prominenz von Bayerns Innenminister Joachim Hermann bis zu Spitzenkandidat Markus Söder vor. Kulturelle Differenzen mit Menschen aus anderen Ländern, anderen Religionen? Uthoff: „Wir Bayern sind für die originellste Lösung. Überlassen Sie uns den Kampf gegen den Islam!“

Das Kabarett und seine vielen Gesichter, seine vielen Talente – das war der eigentliche Preisträger des Abends!

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